Der TV-Krimi erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Auch gut jedes vierte Buch, das in Deutschland gelesen wird, ist nach Angaben des Börsenvereins des deutschen Buchhandels ein Krimi. Dr. Mark Benecke ist in diesem Genre besonders erfolgreich: der Kriminalbiologe von Weltruf ist durch zahlreiche Fernsehauftritte bekannt. So waren bei seinem Vortrag auch die 575 Plätze im mittleren Saal der Mainfrankensäle bereits viele Tage vorher ausverkauft.
Dem Veitshöchheimer Publikum präsentierte er unvorstellbare Grausamkeiten von Serienmördern, zuvorderst in Worten aber auch in Ekel erregenden Bildern. Da stellten sich doch einige Gäste, die die 27 Euro teure Eintrittskarte geschenkt bekamen, die Frage: Warum tue ich mir das in der Adventszeit an, während andere in besinnlichen Weihnachtskonzerten zur Ruhe kommen.
„Jede Tat ist interessant, da jeder Wissensgewinn hilft, neue Taten zu verhindern.“ Mit diesen Worten versuchte Benecke glaubhaft zu vermitteln, dass er keinen billigen Voyeurismus bediene, sondern ernsthaft, wissenschaftlich, aufklärerisch und präventiv für das Gemeinwohl handle.
Mit seinem Institut „Benecke Forensic Biology“ in Köln ist Benecke als Sachverständiger weltweit gefragt und darauf spezialisiert, anhand des Insektenbefalls an einer Leiche deren Liegezeit zu ermitteln und die Todesursache zu rekonstruieren. Durch seine Analyse konnte schon unzähligen Verbrechern das Handwerk gelegt werden. Jeder seiner mittlerweile in den letzten 25 Jahren in 13 Staaten der Welt bearbeiteten 1070 Fälle, so sagt er, sei anders. So hat er DNA-Speziallabors in Kolumbien, Vietnam und auf den Philippinen errichtet.
Dass der Freiberufler und öffentlich bestellte Sachverständige jede Minute seines Alltags aus einem anderen Blickwinkel sieht als normale Menschen und nach seinen Worten mit Leidenschaft lieber Müll, Sperma, Blut oder Kot untersucht, anstatt zu joggen, wurde gleich zu Beginn klar.
Ausgesprochen geschickt leitete er seinen Vortrag mit einigen fotografisch dokumentierten Beobachtungen bei seiner Anreise mit der Bahn nach Veitshöchheim ein. So würdigte er etwa kriminaltechnisch die Fährten, die Vögel auf dem Raureif in einem Brunnen hinterließen. In Veitshöchheim fielen ihm die ausgestellten Geräte von Radio Bauer in der Bahnhofstraße ins Auge, über die er sich karikierend belustigte.
Infotainment-Abend nennt der Rheinländer seine Vorträge, die nichts für schwache Nerven sind, in denen er es meisterhaft versteht, dem interessierten Laien sein Fachwissen verständlich zu vermitteln. Fast drei Stunden lang zog er in Veitshöchheim frei von der Leber weg in galoppierendem Redefluss als Alleinunterhalter das Publikum mit seinen kriminalpsychologischen Ausführungen über das Denken und Handeln von Armin Meiwes, dem Kannibalen von Rothenburg, und der Serienmörder Jürgen Bartsch und Luis Garavito in seinen Bann.
Bis ins letzte Detail und mit schockierenden Bildern wie etwa dem Foto eines halbverwesten, von Insekten befallenen grünen Schädels, berichtete Benecke über die Unmenschlichkeit dieser Verbrecher. Doch der Kriminalbiologe achtete darauf, nicht nur die entsetzlichen Taten vor Augen zu halten, sondern die Täter als Menschen zu charakterisieren, die eigentlich auch nur auf Bedürfnisbefriedigung aus sind, deren Bedürfnisse aber anders aussehen als bei „normalen“ Menschen.
So sei der Kannibale Meiwes nicht sadistisch gewesen und habe keine Gewaltphantasie gehabt, sondern wollte nur Menschenfleisch essen, so wie er es als 14-Jähriger in einer unzensierten Robinson Crusoe-Ausgabe gelesen habe. Ansonsten sei er sozial integriert gewesen und habe sich menschenfreundlich verhalten.
Kaum ein Kriminalfall der Nachkriegsgeschichte hielt die Deutschen so in Atem wie der des Serienmörders Jürgen Bartsch. In seinem Alltag sei der impulskontrollgestörte, pädosexuelle Sadist, der in den 1960er Jahren vier brutale Kindsmorde beging, unauffällig gewesen – mit gepflegtem Erscheinungsbild und durchaus sympathisch agierend.
Im Gegensatz zu Meiwes sei Bartsch komplett antisozial und zu anderen nur freundliche gewesen, wenn es ihm genutzt habe. Ihn habe nach dem Motto „Alle anderen sind dümmer als ich“ ein Narzissmus geprägt, der nach Beneckes Worten auch für Donald Trump typisch sei.
In den Schatten stellte Bartsch in Kolumbien der psychopathische, sadistische Kinderkiller Luis Garavito, der in den 1990ern 300 unvorstellbar grausige Kindstötungen auf seinem Gewissen hatte. Ausführlich schilderte Benecke, wie er den Gravito befragte. Wie Bartsch habe auch dieser vernachlässigte Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen mit Geschenken geködert.
Mit seiner Devise „Death is not the END“ auf der Leinwand verdeutlichte Benecke noch einmal zum Schluss, dass niemand ein spurenfreies Delikt begehen kann. Und zum Abschied verteilte seine Ehefrau Lydia im Publikum noch einige bunte „Antigrusel-Knicklichter“.
Dr. Mark Benecke
Nach dem Studium der Biologie, Zoologie und Psychologie an der Uni Köln und der Promotion über genetische Fingerabdrücke absolvierte Mark Benecke polizeitechnische Ausbildungen in der Rechtsmedizin in den Vereinigten Staaten, darunter an der FBI-Academy.
Benecke wird als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger herangezogen, um biologische Spuren bei vermuteten Gewaltverbrechen mit Todesfolgen auszuwerten. Er ist darüber hinaus Ausbilder an deutschen Polizeischulen sowie Gastdozent in den Vereinigten Staaten, Vietnam, Kolumbien und auf den Philippinen.
Auf seiner Homepage (www.benecke.com) sind von Januar bis Ende November 2017 an die 100 Auftritte aufgelistet. Auch nach Veitshöchheim kommt er wieder am 25. November – zum Thema „Insekten auf Leichen“. Karten gibt es bereits im Vorverkauf.