Eigentlich ist sie aus der Wärmestube nicht mehr wegzudenken. Seit fast 15 Jahren tut Erna Schleifer hier ehrenamtlich Dienst. Und zwar einen ganz besonderen. Die Masseurin und Fußpflegerin gehört dem Team des medizinischen Dienstes der Wärmestube an. Regelmäßig behandelt sie die Füße der Besucher. Inzwischen ist Schleifer 70 Jahre alt. Der Rücken schmerzt. Das Ehrenamt fällt ihr zunehmend schwerer. „Deshalb suchen wir für sie eine Nachfolge“, sagt Adrian-Ernesto Jiménez, stellvertretender Einrichtungsleiter.
In der Wärmestube engagieren sich laut einer Pressemitteilung derzeit rund 30 Menschen. Bei vielen, so auch bei Erna Schleifer, entspringt das Engagement einer christlichen Wurzel. Manche der Ehrenamtlichen kommen aus Berufen, die gar nichts mit „Sozialem“ zu tun haben. Andere bringen ihre Profession freiwillig ein. Dazu gehören vier Ärzte, sieben Rechtsanwälte – und eben Erna Schleifer. Erzählt sie „draußen“ von ihrem Ehrenamt, spürt sie manchmal förmlich, wie ihr Gegenüber die Nase rümpft. Das kann ja wohl nicht immer appetitlich sein, was Schleifer in der Wärmestube zu sehen kriegt.
Erna Schleifer bietet seit 2005 regelmäßig Sprechstunden an
Das stimmt, gibt Schleifer unumwunden zu. Aber genau darauf war sie von Anfang an eingestellt. Ihr Engagement begann mit einem ziemlich unschönen Bild eines offenen Beines: „Das sah ich im Katholischen Sonntagsblatt, es illustrierte einen Bericht über die Straßenambulanz.“ Schleifer las den Artikel, betrachtete das Bild und dachte bei sich: „Hier will ich helfen!“ Dem Wohnungslosen, zu dem das Bein gehörte, würden Lymphdrainagen guttun, wusste sie. Mit dieser Idee wandte sich Schleifer an Bruder Tobias, der die Würzburger Straßenambulanz im Jahr 2003 gründete.
Bruder Tobias trieb der engagierten Fußpflegerin erst einmal alle Illusionen aus: „Unsere Patienten halten keine festen Termine ein.“ Regelmäßige Lymphdrainage könne Schleifer vergessen. Ihr Einsatz wäre aber dennoch sinnvoll. Und zwar in Form von regelmäßigen Sprechstunden. So begann Erna Schleifer 2005, Behandlungen anzubieten.
Herzliche Beziehung zu vielen Besuchern
Seitdem kamen etliche Besucher der Wärmestube, um sich von ihr mit Hilfe eines Lasers Hühneraugen und Hornhaut entfernen oder Nägel schneiden zu lassen. Oft sah Schleifer Verletzungen, schmerzhafte Druckstellen, Warzen und Blasen. Teilweise wurden ihr schon völlig deformierte Füße hingestreckt. „Und fast jeder Besucher hat Fußpilz“. Die wenigsten besitzen Utensilien, um ihre Füße pflegen zu können: „Einigen ist es aus körperlichen Gründen nicht möglich, an ihre Füße zu kommen.“
Zu vielen Besuchern der Einrichtung der Christophorus-Gesellschaft hat Schleifer eine herzliche Beziehung aufgebaut. Der heute 60-jährige Zacharias gehört dazu. „Den kenne ich von Anfang an“, sagt die Fußpflegerin. Seine Freundlichkeit und Bescheidenheit berühren die Ehrenamtliche: „Er tritt niemals fordernd auf.“ Dabei hätte Zacharias allen Grund dazu, Frust zu schieben oder verbittert zu sein: „Er wuchs in einem Kinderheim auf.“ Dort erhielt er wenig Zuwendung. Das Personal bemerkte nicht einmal, dass das Kind an einer Augenkrankheit litt. Zacharias wurde fast blind. Deshalb kann er auch seine Füße nicht selbst pflegen.
Engagement im Ruhestand
Wenn Erna Schleifer erzählt, hört Siggi Schwing gebannt zu. Der 66-Jährige engagiert sich seit einem knappen Jahr in der Wärmestube. An jedem Dienstag tut er von 10 bis 13 Uhr ehrenamtlich Dienst. Als er im Mai 2018 damit begann, tauchte er in eine für ihn völlig fremde Welt ein. Der Unterschied zu seinem früheren Beruf könnte nicht größer sein. „Ich bin Fliesenleger“, erzählt der Volunteer aus Waldbrunn. Eine soziale Ader habe er aber schon immer gehabt. Auch sind Schwing christliche Werte wichtig. Im Ruhestand wollte er sich irgendwo freiwillig einbringen: „Ich rief bei der Caritas an und erfuhr, dass es in Würzburg eine Wärmestube gibt.“
Für Siggi Schwing bedeutet das Ehrenamt eine große Chance, mit Menschen in Berührung zu kommen, mit denen er bisher wenig zu tun hatte. Der junge Ruheständler liebt es, sich mit den Besuchern der Wärmestube zu unterhalten. Dabei interessiert ihn nicht, warum jemand da ist: „Ich löchere nie mit Fragen.“ Schwing unterhält sich ganz normal mit den Gästen. Von einer Besucherin, die sich immer mit Handarbeiten beschäftigt, erfährt er Näheres über die Kunst des Strickens. „Manchmal ist auch Zeit, eine Runde Schafkopf zu spielen.“, so Schwing weiter, „was mir zudem Spaß macht ist, dass man uns Ehrenamtlichen genug Raum lässt eigenständig zu arbeiten und gewisse Entscheidungen auch selbst treffen zu können.“
Freiwillige werden gesucht
Jeden Tag sind Ehrenamtliche in der Wärmestube im Einsatz, sagt Adrian-Ernesto Jiménez. Sie machen die Einrichtung zu dem, was sie ist. Viele sind seit Jahren engagiert. Wie Erna Schleifer müssen sie aus gesundheitlichen Gründen allmählich darüber nachdenken, ihr Engagement zu drosseln: „Deshalb suchen wir derzeit neue Freiwillige.“ Vier, fünf weitere Ehrenamtliche wären schön. Dann könnte auch der aktuell vakante Dienst am Sonntagmorgen womöglich wieder abgedeckt werden.