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WÜRZBURG
Vorhang auf für mehr demokratische Teilhabe!
Erklärung der Bezirksregierung macht Hoffnung: Nichtöffentlichkeit ist kein Grund, Auskünfte an die Presse zu verweigern. Redaktionen tragen große Verantwortung.
Vorhang
Foto: dpa
Von unserem Redaktionsmitglied Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 10.05.2023 11:06 Uhr

Was bewegt in der kleinen Gemeinde Sulzthal (Lkr. Bad Kissingen) den Bürgermeister, über eine Gebührenkalkulation für Wasser- und Abwasser nicht öffentlich beraten zu lassen? Es gibt doch nichts zu verbergen, wenn es um Geld geht, das die Ortsbürger zu bezahlen haben. Sich damit hinter verschlossene Türen zurückzuziehen, widerspricht demokratischen Grundsätzen und der Gemeindeordnung. Die verlangt meist öffentliche Beratungen und Abstimmungen.

Landauf, landab lassen sich ähnliche Beispiele hinzufügen. In dieser Zeitung musste häufig kritisiert werden, dass Gemeinde-, Stadt oder Kreisräte ausreichende demokratische Teilhabe der Bürger verhinderten, weil sie die Öffentlichkeit von ihren Beratungen ausschlossen.

Die Regierung klärt auf

Nun aber könnte es heißen: Vorhang auf! Seit März macht eine zweiteilige Aufklärungsschrift der Regierung von Unterfranken Hoffnung, dass Kommunalpolitik und Behörden in Unterfranken durchschaubarer werden. Die beiden Teile lassen erkennen, dass zur demokratischen Teilhabe der Bürger die Offenheit von Behörden und die Berichterstattung der Medien beitragen. Außerdem räumt sie mit einer verbreiteten Überinterpretation des Begriffes „Öffentlichkeit“ auf. Die Regierung selbst hatte Kommunen bestätigt, dass Tagesordnungen nicht öffentlicher Sitzungen nicht an die Öffentlichkeit zu geben seien. Das sorgte für überzogene Schlussfolgerungen.

Die wurden deutlich als in der Kolumne Leseranwalt in dieser Zeitung im Oktober 2010 zu lesen war, dass Kommunen verpflichtet sind, Tagesordnungen und Ergebnisse nicht öffentlicher Sitzungen an Mitarbeiter journalistischer Medien zu übergeben, wenn diese danach verlangen. Das sorgte für heftigen Widerspruch aus dem Bayerischen Gemeindetag, einigen Landratsämtern und Kommunen. Ein Spitzenfunktionär des Gemeindetages stellte grundsätzlich fest, wenn die Presse Informationen über nicht öffentliche Tatbestände wolle, fordere sie von den Kommunen rechtswidriges Verhalten ein.

Eine Reihe von Gemeinden, sogar ein Landrat, verweigerten Mitarbeitern der Zeitung vor nicht öffentlichen Beratungen die Tagesordnungen. Alle beriefen sich auf Regierung und Gemeindeordnung, die sie dabei aber falsch interpretierten.

Wer Informationen aus nicht öffentlichen Sitzungen und deren Tagesordnungen an Mitarbeiter der Presse weiterreicht, verstößt damit noch nicht gegen bestehendes Recht. Meist kommt er sogar einer gesetzlichen Verpflichtung nach. Redaktionen sind noch keine Öffentlichkeit. Die Regierung klärt das auf. Nie habe sie Informationen an die Presse aus nicht öffentlichen Sitzungen nach deren konkreten Anfragen verhindern wollen. Es gehe lediglich darum, dass für nicht öffentliche Sitzungen die Notwendigkeit der ortsüblichen öffentlichen Bekanntmachungen nicht gilt. Grundsätzlich aber müssen Sitzungen von Kreistagen, Gemeinde- und Stadträten und von deren Ausschüssen öffentlich stattfinden, wenn nicht das Wohl der Allgemeinheit entgegensteht. Dieses Wohl kann aber nicht beliebig definiert werden.

Das Presserecht wiegt schwer

Über richtiges Verständnis für die Notwendigkeit sachgerechter, vollständiger und wahrer Behörden-Auskünfte an Journalisten auf deren Anfragen urteilten bislang Verwaltungsgerichte. Stets wurden sie von Medien zur Hilfe gerufen. Das Presserecht auf Auskunft wogen die Richter meist schwerer als Vorschriften zur Nichtöffentlichkeit aus der Gemeindeordnung, die nur ein Verfahren ordnet. Deutlich machten das 2004 der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, als unsere Redaktion von der Gemeinde Zell bei Würzburg Auskünfte einklagte und 2011 das Verwaltungsgericht Würzburg, als es um verweigerte Presse-Auskünfte der Stadt Gemünden ging.

Die Presse soll durch die Auskunftsverpflichtung der Behörden (Artikel 4, Bayerisches Pressegesetz) in die Lage versetzt werden, bei der Erfüllung ihrer Informationsaufgabe über möglichst viele Kenntnisse verfügen zu können. Welche davon zur Verbreitung geeignet sind, entscheiden und verantworten Redaktionen. Das heißt, dass nicht schon Behörden auswählen dürfen, was veröffentlicht werden kann. Das verlangt große Verantwortung von Journalisten, weil nicht alles in Medien verbreitet werden darf, was sie erfahren. Vor allem Persönlichkeitsrechte können dem entgegenstehen. Manches ist aber auch unbedeutend, so dass es keine Veröffentlichung nötig macht.

In Gesprächen mit der Regierung und Vertretern kommunaler Spitzenverbände erzielten die Main-Post-Chefredaktion und der Berliner Medienrechtler Professor Johannes Weberling weitgehend Übereinstimmung. Danach entstand die Aufklärungsschrift der Regierung an Landratsämter und Kommunen. Diese findet landesweit Interesse, das zeigen Anfragen an unsere Redaktion.

Redakteure wiesen auch den Sulzthaler Bürgermeister auf die amtliche Erklärung zur demokratischen Bedeutung von Öffentlichkeit hin. Der ließ sie wissen, dass er stets vorgehabt habe, über die Wassergebühren auch öffentlich zu beraten. So geschah es. Noch in dieser öffentlichen Sitzung wurden die Gebühren beschlossen.


Die Rechtsgrundlagen

Bay. Pressegesetz, aus Artikel 4:

(1) 1 Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. 2 Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben.

(2) .... 2 Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.

 

Gemeindeordnung, aus Artikel 52:

(2) Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird in nicht öffentlicher Sitzung beraten und entschieden.

(3) Die in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekannt zu geben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind.

 
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  • E. N.
    auskunft gegenüber der lokalen medien (zeitungsreportern) muss der jeweilige bürgermeister bzw. der stadtrat schon selbst entscheiden dürfen ob und was an die öffentlichkeit wetergegeben werden kann und soll, außerdem gab es in der vergangenheit auch schjon lokalredakteure die in keinster weis überparteilich waren sondern eine klare einseitige tendenz zeigten un diesem falle finde ich persönlich schon richtig, wenn man die presse von gewissen beratungen völlig ausschließt, das ist meine eigene und ganz persönliche meinung dazu!
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    Aus Sicht eines langjährigen Pressesprechers: Davon abgesehen, dass man natürlich Routinen einrichten kann, nach öffentlichen und nicht-öffentlichen Sitzungen Presseinformationen rauszulassen, ist es das gegenseitige Vertrauen, das darüber hinausgehende Informationen ermöglicht.

    Wenn es in der Kommunalpolitik ähnlich zugeht wie in der Wirtschaft, dann gibt es eine klare Unterscheidung zwischen offiziellen Verlautbarungen und Informationen im persönlichen Gespräch. Wobei das persönliche Gespräch entweder "zum Mitschreiben" ist oder vertraulich ist.

    Offizielle Verlautbarungen sind normalerweise sehr informativ, bieten aber nach Möglichkeit keine Angriffspunkte für Fehlinterpretationen - da ist die Professionalität des Öffentlichkeitsbeauftragten gefragt.

    Persönliche Gespräche mit Journalisten werden üblicherweise nur von erfahrenen "Diplomaten" (in der Wirtschaft meistens die Unternehmensleitung) geführt und sind auf ihre Weise genauso diszipliniert wie offizielle schriftliche Verlautbarungen - es sei denn, es gibt ein Vertrauensverhältnis zwischen Journalisten und Interview-Partner. Gibt es dieses Vertrauensverhältnis, ist es auch möglich, dass der Journalist sein Aufnahmegerät ausmacht und sagt: "Jetzt reden wir mal vertraulich darüber, was wirklich los ist". Und dann wird geredet.

    Positiv wirkt sich das im professionellen Fall auf die Berichterstattung so aus, dass einerseits das Vertrauensverhältnis nicht gebrochen wird (Vertrauliche Information bleibt vertraulich), aber der hintergrunds-informierte Journalist mit den offiziell erhaltenen Daten bessere Berichterstattung leisten kann. Auf diese Weise wird der Journalist zum Insider, blickt also durch, kann auf der Höhe der Zeit schreiben und begeht trotzdem keinen Vertrauensbruch. Kommt es zum Vertrauensbruch, wird üblicherweise sofort und mindestens mittelfristig von der anderen Seite dicht gemacht. Dann gibt es nach wie vor Verlautbarungen, aber halt aufs Nötigste beschränkt (auch gesetzliche Vorlagen kann man immer "gerade so" erfüllen) - was aber aus journalistischer Sicht sicherlich nur der zweitbeste Weg ist.

    Psychologisch bzw. praktisch wird es in der Gemeindepolitik nicht viel anders sein. Deshalb nochmals: Vertrauen ist das größte Kapital - wobei Vertrauen halt NICHT dasselbe ist wie Mauschelei. Was unter keinen Umständen vorkommen darf, was aber offensichtlich passiert, ist folgendes:
    * Nämlich, dass ein Bürgermeister nach einer Veröffentlichung sagt: "Das habe ich nie so gesagt". Zwar kann man dann presserechtlich Gegendarstellungen erwirken, aber das ist dann auch wieder Aufwand - dann hält man lieber das nächste Mal weitgehend sein Maul.
    * Oder, dass ein Bürgermeister nach einer Veröffentlichung sagt: "Dies war ausdrücklich und einvernehmlich ein Hintergrundsgespräch". Wenn so etwas einmal passiert, dauert es lang, bis man sich ein zweites Mal öffnet.

    Unabhängig von Paragraphen: Am Ende zählt Professionalität, zu der auch verlässlicher Umgang mit Vertrauen gehört.
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  • A. S.
    ... dass ein Vertrauensverhältnis gut ist und nie schadet, das lässt sich nicht leugnen. Anders als im Umgang mit der Wirtschaft gibt es freilich für Medienvertreter gegenüber Behörden und Bürgermeistern einen klaren Rechtsanspruch auf Auskunft. Der gilt unabhängig davon, ob ein Vertrauensverhältnis besteht oder nicht...
    Anton Sahlender
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    Aber Rechtsansprüche kann man erfahrungsgemäß so dürr erfüllen, dass man dann als Journalist zwar viel Recht, aber wenig Information hat. Viel weiter kommt man erfahrungsgemäß, wenn der Journalist vom Gegenüber nicht nur als Rechtsanspruchs-Träger, sondern auch persönlich als vertrauenswürdiger und kompetenter Partner anerkannt ist. Wirklich als wohlwollender Tipp gemeint: Wirken Sie auf Ihre Kollegen ein, dass sie bei den Bürgermeistern und Behörden nicht als rechtlich unvermeidbare Bedrohung, sondern als gern gesehene Partner auftreten.
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  • A. S.
    ... da muss ich auf Kolleginnen und Kollegen selten einwirken. Das wissen die alle selbst sehr gut, was Vertrauen und Kompetenz bedeuten. Es darf freilich nicht zum zweischneidigen Schwert werden, indem aus dem Vertrauensverhältnis eine Umarmung wird. Hier gilt es das richtige Maß zu finden und Distanz zu halten.
    Und zum Vertrauen braucht es immer beide Seiten und vertrauenswürdige Personen....
    Anton Sahlender
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    dann kann es ja nur gut werden.
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  • E. N.
    das kommt aber auch immer darauf an, ob der zuständige redakteur auch wirklich überparteilich eingestellt ist, einige redakeure zeigen ganz klar eine einseitige politische richtung in ihrer berichterstattung . ich denke in solchen fällen ist es besser wenn man d.h. der bürgermeister, die stadträte oder wer auch immer, sich für nicht öffentliche beratungen entscheiden.eine repotage kann durch solche evtl. eigene politische gesichtspunkte eines redakteurs auch ordentlich verunsicherung wegenevtl. falscher berichterstattung in de gesamten bevölkerung hervorrufen.
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