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WÜRZBURG
Vor 90 Jahren: Fliegerfreuden am Galgenberg
Eine der berühmtesten deutschen Pilotinnen erlernte 1929 ihre Kunst am Hubland. In ihren Memoiren schwärmt Elly Beinhorn von der Zeit in Würzburg.
Gruppenbild mit Flugzeug: Direktor Robert Greim (ganz links) mit Schülern und Personal der Fliegerschule am Galgenberg.
Foto: Archiv Hubert Greim | Gruppenbild mit Flugzeug: Direktor Robert Greim (ganz links) mit Schülern und Personal der Fliegerschule am Galgenberg.
Roland Flade
 |  aktualisiert: 30.12.2014 11:50 Uhr

Wo derzeit ein neuer Stadtteil entsteht und wo im Jahr 2018 eine Landesgartenschau stattfinden wird, existierte vor 90 Jahren eine Fliegerschule, die in ganz Deutschland bekannt war. Unter den Menschen, die hier ihren Kunstflugschein erwarben, war auch die 22-jährige Elly Beinhorn, die später durch Alleinflüge rund um den Globus berühmt wurde.

Die Schule.gegründet 1924, bestand aus einem modernen Gebäude mit Flachdach am Kürnacher Berg, in dem sich Unterrichtsräume befanden. Auch der jeweilige Schuldirektor lebte hier. Außerdem gab es vier hölzerne Flugzeughallen mit Schreiner- und Motorenwerkstatt. Der erste Direktor, Heinrich Nopitsch, war 1925 bei einem Kunstflug vor den Augen zahlreicher Zuschauer am Hubland abgestürzt und tödlich verletzt worden.

Als 1927 sein Nachfolger Werner Riezler aus gesundheitlichen Gründen sein Amt aufgab, wurde Robert Ritter von Greim, ein hochdekorierter Jagdflieger aus dem Ersten Weltkrieg, zum Leiter berufen. Nach Kriegsende war er zunächst an die Fliegerschule Schleißheim zurückgekehrt, wo er 1916 und 1917 seine Ausbildung erhalten hatte. Im März 1920 wurde er im Rang eines Hauptmanns verabschiedet, da der Reichswehr nach dem Versailler Vertrag keine Luftstreitkräfte erlaubt waren. Anfang der zwanziger Jahre studierte er in München Jura und flog als Pilot für eine Charterfluggesellschaft.

1922 wurde Greim Angestellter bei einer Bank. Da war er bereits verheiratet; 1921 wurde der Sohn Hubert geboren. Ein Leben ganz ohne Fliegerei konnte sich Greim freilich nicht vorstellen. So beteiligte er sich gelegentlich an zivilen Luftsportveranstaltungen und zeigte dort seine Flugkünste.

Unterdessen hielt er weiter Kontakt zu Kriegskameraden und erfuhr eines Tages, dass ehemalige deutsche Soldaten in China in Diensten von General Chiang Kai-shek standen. Dieser war auf der Suche nach einem fähigen Mann, um in Kanton eine Fliegerschule aufzubauen, an der Piloten für die Luftwaffe der chinesischen Nationalregierung ausgebildet werden sollten.

Greim sah eine Chance, dem eintönigen Bankalltag zu entkommen. Im August 1924 machte er sich von Genua aus per Schiff nach China auf, um die Leitung der Schule in Kanton zu übernehmen. 1926 kamen seine Frau und der Sohn Hubert nach. Im Mai 1927 kehrte die Familie nach Deutschland zurück und bezog das Dachgeschoss mit Festungsblick im Hauptgebäude der Würzburger Fliegerschule, in dem auch die jüngeren Flugschüler lebten.

Der Sohn Hubert besuchte zunächst die Volksschule im Bechtolsheimer Hof und wechselte danach auf das Realgymnasium am Rennweger Ring, das heutige Siebold-Gymnasium.

Der Tag in der Fliegerschule begann mit Frühsport, auf den theoretischer Unterricht folgte, für den ein Diplomingenieur zuständig war. Nach dem Mittagessen, das gemeinsam im Schulgebäude eingenommen wurde, waren die Motoren der Maschinen schon warmgelaufen. Greim behielt sich vor, auch selbst mit den Schülern zu fliegen, erinnert sich sein Sohn.

Wenn diese dann ihre ersten Alleinflüge absolvierten, standen er oder seine Lehrerkollegen am Boden und signalisierten den im Tiefflug Vorbeikommenden per Handzeichen, welche Fehler gemacht wurden, die beim nächsten, unmittelbar anschließenden Versuch möglichst zu vermeiden waren. Ungünstig wirkte sich die Topografie des Flugplatzes aus, eine von der Rottendorfer Straße zu den Hallen und zum Schulgebäude ansteigende schiefe Ebene. Deswegen kam es häufig zu Kollisionen und Beschädigungen beim Rollen der Flugzeuge.

Hubert Greim hat ein Fotoalbum seines Vaters aufbewahrt, in dem zahlreiche Bilder das Leben an der Fliegerschule dokumentieren: Schüler beim Unterricht, in einem Aufenthaltsraum und beim fröhlichen Gespräch im Freien, Schulflugzeuge in Reih und Glied vor den Hallen aufgereiht, Maschinen, die in Hallen geschoben werden und Robert Greim selbst, der gut gelaunt mit seiner Frau für den Fotografen posiert.

Bald sprach sich herum, dass man in Würzburg nicht nur Pilot, sondern auch Kunstflieger werden konnte. Robert Greims bekannteste Schülerin war Elly Beinhorn, die 1929 im Alter von 22 Jahren nach Würzburg kam. Aufgewachsen in einer bürgerlichen Familie in Hannover, hatte sie zunächst in Berlin-Staaken eine Pilotenausbildung absolviert.

Da eine Berufstätigkeit am Steuerknüppel einer Verkehrsmaschine undenkbar war (die Lufthansa ließ beispielsweise erst 1988 Frauen als Pilotinnen ins Cockpit), plante sie eine Karriere als Kunstfliegerin, wofür sie den Kunstflugschein II benötigte. Diesen erwarb sie in Würzburg. In ihren Memoiren „Alleinflug. Mein Leben“ berichtete sie 2007 über „herrliche Wochen in der wunderschönen Universitätsstadt am Main, die überstrahlt wurden von der Freude an dem Herumtoben in der Luft; es war so etwas so ganz anderes als die bisherige brave Geradeaus- und Kurvenfliegerei“.

Elly Beinhorns Schilderung, in der Robert Greim eine wichtige Rolle spielt, gibt Einblicke in das Gefühlsleben der Pilotinnen und Piloten, die am Hubland in den Himmel stiegen: „Die einfachen Kunstflugfiguren flog ich im Anfang mit von Greim am Doppelsteuer. Meinen ersten Looping hatte ich auf unserm guten alten ,Pelikan’ in Staaken gemacht, wusste also schon, wie die Welt aussieht, wenn man über ihr auf dem Kopf steht.“

Neu und aufregend war es, mit Greim dann erstmals eine längere Strecke auf dem Rücken zu fliegen. Elly Beinhorn: „Beim normalen Looping wirkt alles ganz natürlich auf den Piloten, weil die Zentripetalkraft ihn in den Mittelpunkt des von ihm geflogenen Kreises drückt. Beim Übergang in den Rückenflug dagegen zerrt die Schwerkraft der Erde an ihm, die sich viel unfreundlicher auswirkt.“

„Plötzlich hängt man da mit dem Kopf nach unten, nur von den Anschnallgurten gehalten, über einer ganz fremdartig wirkenden Geografie, und der Staub und Schmutz der letzten Tage, der sich im Führersitz angesammelt hat, fliegt einem in die Nasenlöcher. Bald ließ mich Ritter von Greim, einer der gütigsten und vornehmsten Menschen, denen ich in der Fliegerei begegnet bin, allein los und besah sich meine luftigen Kapriolen kritisch von unten. Jedes Mal, wenn ich wieder gelandet war, sprachen wir dann die einzelnen Figuren und besonders die Fehler durch.“

Gelegentlich kam Elly Beinhorn in lebensbedrohliche Situationen. „Beim Kunstflug geschah es am Anfang einige Male, dass die Maschine mit mir durchging,“ schreibt sie in ihren Lebenserinnerungen. „Plötzlich sauste ich dann – meistens im Rückenflug – mit beängstigend zunehmender Geschwindigkeit abwärts und der Boden raste nur so auf mich zu. Die 600 Meter Höhe, in denen ich in der Regel meine Übungen flog, schrumpften in ein Nichts zusammen. Der Wind heulte in den Stielen und der ,Flamingo’ krachte und seufzte vor Überanstrengung.“

„Dass mir der Druck meines Blutes beinahe den Kopf sprengte und gelegentlich auch mal ein dunkler Schleier oder Tausende von roten Sternchen vor meinen Augen herumwirbelten, war nicht annähend so wichtig wie die Maschine ganz vorsichtig und mit sehr feinem Gefühl aus diesem Rückensturzflug herauszudrücken. Ja, zu drücken, denn im Rückenflug sind alle Steuerbewegungen genau umgekehrt wie im Normalflug.“

Nach einigen Wochen hatte Elly Beinhorn alle verlangten Figuren erlernt: „Ich bekam in mein blaues Führerscheinheft die Gruppe Kunstflug II nachgetragen und Ritter von Greim schrieb mir ,summa cum laude’ in mein Flugbuch. So weit hatte ich es in der Schule in keinem Fach, nicht einmal im Turnen, gebracht.“

Der Schulbetrieb verlief nicht ohne Zwischenfälle. Bruchlandungen, ob am Platz oder auf Überlandflügen, kamen häufig vor. Auch tödliche Unfälle ereigneten sich. Am 10. November 1933 schrieb der General-Anzeiger: „An der Grenze des Würzburger Flugplatzes stürzte gestern um 15.30 Uhr das Sportflugzeug ,Flamingo D-1243‘ ab. Die Insassen, Flugzeugführer Hintz und sein Fluggast Kahne, sind tot. Der Unfall ist vermutlich auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen.“

Robert Greim genoss die Zeit in Würzburg, die er seiner Frau gegenüber später als die schönste seines Lebens bezeichnete.

Mit dem Erwerb des A1-Scheins für Seeflug und einer Blindflugausbildung vervollkommnete Elly Beinhorn nach ihrer Würzburger Zeit ihre Flugkenntnisse. Anschließend war sie als Kunstfliegerin tätig, bis sie 1931 durch einen Alleinflug nach Afrika von sich reden machte. Im Jahr darauf erlangte sie durch eine Weltumrundung endgültig deutschlandweite Bekanntheit. Weitere Langstreckenflüge folgten und Mitte der dreißiger Jahre stellte Beinhorn mehrere Rekorde auf, wie das Überfliegen von drei Kontinenten an einem Tag.

1936 heiratete sie den bekannten Rennfahrer Bernd Rosemeyer, der jedoch bereits zwei Jahre später bei einem Unfall starb. Nach dem Zweiten Weltkrieg erneuerte sie 1951 ihren Pilotenschein und war erneut als Kunstfliegerin erfolgreich. 1979 beendete Elly Beinhorn ihre Fliegerkarriere. 1991 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Sie starb 2007 im Alter von 100 Jahren in einem Seniorenheim bei München.

Robert Greim machte nach seiner Würzburger Tätigkeit, die im Dezember 1933 endete, Karriere in der 1935 neu geschaffenen Luftwaffe. Am 26. April 1945 ernannte ihn Hitler im Führerbunker zum Nachfolger des abgesetzten Hermann Göring als Oberbefehlshaber der Luftwaffe, die eigentlich schon nicht mehr existierte. In amerikanischer Gefangenschaft setzte Greim am 24. Mai 1945 seinem Leben ein Ende, da er befürchtete, nach Russland ausgeliefert zu werden.

Am Hubland schufen die Nazis ab 1935 einen Fliegerhorst mit vier großen neuen Flugzeughallen und Kasernengebäuden. Zwei der Hallen stehen noch heute; eine diente den Amerikanern als Sporthalle, die andere als Kino.

Legendäre Fliegerin: Wir entnahmen das Bild von Elly Beinhorn ihren 2007 erschienenen Memoiren „Alleinflug. Mein Leben“.
| Legendäre Fliegerin: Wir entnahmen das Bild von Elly Beinhorn ihren 2007 erschienenen Memoiren „Alleinflug. Mein Leben“.
Schiefe Ebene: Die Fliegerschule und die Flugzeughallen am Hubland von der Rottendorfer Straße aus (um 1930).
Foto: Archiv Hubert Greim | Schiefe Ebene: Die Fliegerschule und die Flugzeughallen am Hubland von der Rottendorfer Straße aus (um 1930).
In Reih und Glied:  Der Maschinenpark der Fliegerschule am Hubland. Der Blick geht zur Festung.
Foto: Archiv Hubert Greim | In Reih und Glied: Der Maschinenpark der Fliegerschule am Hubland. Der Blick geht zur Festung.
 
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