Im Winter 1989, die Mauer war erst vor wenigen Wochen gefallen, klingelte das Telefon im Wohnzimmer von Klaus Hünlein in Remlingen. Am anderen Ende der Leitung ist ein Vertreter der WVV. So oder so ähnlich könnte es vor 30 Jahren gewesen sein. Genau kann sich der Busunternehmer nicht mehr erinnern. Eines weiß er aber ganz sicher: "Sie haben mich gefragt und ich wollte unbedingt dabei sein", erinnert sich Hünlein, der damals 31 Jahre alt war. Die Rede ist von einer Bustour, die er als Fahrer übernehmen sollte. Doch es ging nicht um irgendeine Tour, sondern um die erste Buslinie von Würzburg in die ehemalige DDR. "Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen" sagt Hünlein.
Zur besonderen Ehre kam der Busunternehmer, da er bereits häufiger Strecken für die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs GmbH übernommen hatte. Nun, nachdem die Grenze zwischen Ost und West geöffnet hatte, durfte er das Steuer einer historischen Buslinie übernehmen. Die Linie von Würzburg ins thüringische Suhl. Diese Strecke war laut Hünlein nicht nur die erste Fahrt nach Suhl, sondern gleichzeitig die erste Bustour, die nach dem Mauerfall überhaupt von West nach Ost führte. "Wir fuhren mit zwei Bussen. In meinem waren vor allem wichtige Politiker", sagt der heute 61-Jährige stolz.
Hin- und Rückfahrt kostete 20 Deutsche Mark
Los ging es am 20. Dezember 1989 um 7 Uhr morgens. Die Hin- und Rückfahrt kostete 20 Mark. Videoaufnahmen von damals zeigen einen vollbesetzten Bus. Es ist vom "ersten Linienbus BRD-DDR" die Rede. Hünlein strahlt, als er den 30 Jahre alten "TV Touring"-Beitrag ansieht. "Das war schon eine ganz besondere Atmosphäre", erinnert er sich. Vereinbart war damals zum ersten Mal ein Besuch von Suhler Bürgern in der Partnerstadt Würzburg und umgekehrt. Kurz vor Mellrichstadt, erinnert sich Hünlein, "kam uns dann der Bus aus Suhl entgegen". Wenig später erreichte Hünlein mit seinem Bus Eußenhausen. Der Ort liegt am Fuße der Rhön unmittelbar an der Landesgrenze zu Thüringen. "Hier war dann erstmal Schluss", sagt Hünlein.
Die Grenzbeamten, so der Busunternehmer, wussten nichts von der Ausnahmegenehmigung, ohne Visa in die DDR einreisen zu dürfen. Kurz zuvor war ein Visum noch Pflicht. Nach einigen Telefonaten und etwa einer Stunde Wartezeit sei aber alles geklärt gewesen und "wir konnten unsere Fahrt nach Suhl fortsetzen."
Herzlicher Empfang in Suhl
Und dann wurde es emotional. "In allen Orten entlang der Straße von Meiningen nach Suhl standen Menschen mit Fähnchen in der Hand und winkten uns zu", sagt Hünlein. In Suhl sei ihm und den Fahrgästen ein herzlicher Empfang im Bankettsaal "Kaluga" bereitet worden. "Es war ein bis heute unvergesslicher Tag", sagt Hünlein ergriffen. Im Videobeitrag sind Fahrgäste zu sehen, die glücklich strahlen. "Es ist ein ganz besonderes Ereignis und ich wollte unbedingt dabei sein", sagte damals eine Frau in die Kamera.
"Wochen zuvor war das noch undenkbar und dann fahren wir plötzlich mit dem Bus in die DDR", sagt Hünlein. Das habe man nie für möglich gehalten. Der Ausflug sei deshalb für ihn ein unbeschreibliches Erlebnis gewesen. Bevor sich die Würzburger an dem denkwürdigen Tag wieder auf die Rückreise machten, überreichte ein WVV-Mitarbeiter den Suhler Stadtvertretern noch einen fränkischen Bocksbeutel. Am Abend war die Reisegesellschaft dann wieder in Würzburg angelangt. Die Linie Würzburg-Suhl gibt es schon lange nicht mehr. Die Erinnerungen aber bleiben für Klaus Hünlein unvergessen. Noch heute fühlt er sich dem Osten Deutschlands, wie er betont, ganz besonders verbunden.