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WÜRZBURG
Vor 150 Jahren wurde der Würzburger Biologe Theodor Boveri geboren
Von unserer Mitarbeiterin Pat Christ
 |  aktualisiert: 06.09.2012 12:03 Uhr

Die Schlüsselfrage lautete: Wie entsteht aus dem „elterlichen Zeugungsstoff“ ein neues Individuum mit ganz bestimmten Eigenschaften? Das gesamte wissenschaftliche Werk Theodor Boveris war dieser Frage gewidmet. Seit 1893 forschte der vor 150 Jahren in Bamberg geborene Pionier der Entwicklungsbiologie als Professor in Würzburg. Heute erinnert ein Weg am Hubland sowie das Theodor-Boveri-Institut für Biowissenschaften der Uni an den verdienstvollen Wissenschaftler.

Lange Zeit konnte nur darüber spekuliert werden, wie Chromosomen aufgebaut sind und wie sie genau funktionieren. Etliche Forscher untersuchten um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die unterschiedlichen Formen der Erbinformationsträger und ihr Verhalten bei der Teilung von Zellen. 1904 schließlich formulierte Theodor Boveri in Würzburg die Chromosomentheorie der Vererbung. Die besagt, dass die Erbanlagen an die Chromosomen gebunden sind.

Als Erster wies Boveri darauf hin, dass die damals neuen zytologischen und entwicklungsbiologischen Befunde mit den Vererbungsregeln von „Genetik-Vater“ Gregor Mendel übereinstimmen.

In jenem Jahr 1904 startete in Großbritannien die Bewegung der Suffragetten. Radikal kämpften diese für die Rechte der Frauen. Um die war es damals noch schlecht bestellt. So durften Frauen bis 1900 in keinem deutschen Teilstaat studieren. Umso bemerkenswerter war, dass Theodor Boveri mit Marcella O'Grady eine Akademikerin heiratete.

1885 legte die Tochter irischer Einwanderer als erste Frau am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ihr Examen in Biologie ab. Als sie ein Jahr später nach Würzburg kam, um ihre Forschungen in der Zytologie fortzusetzen, war sie die erste offiziell zugelassene Hörerin an der hiesigen Universität.

In jener Zeit, in der Theodor Boveri die Übereinstimmung der Regel Mendels mit neuen Befunden aus der Zelllehre nachwies, war Marcella Boveri allerdings schon wieder aus dem akademischen Geschäft heraus. Als am 14. August 1900 ihre Tochter Magret, später eine berühmte Journalistin, zur Welt kam, gab sie ihre Karriere auf. Margret studierte 1929 an der Hochschule für Politik in Berlin. Zu diesem Zeitpunkt war es schon nicht mehr ganz verpönt, dass Frauen studieren. Auch in Würzburg war deren Immatrikulation seit 1903 erlaubt. „Heute studieren bei uns deutlich mehr Frauen als Männer Biologie“, sagt Boveri-Nachfolger Professor Markus Engstler.

Als verdienstvoller Forscher hätte Theodor Boveri nicht in Würzburg bleiben müssen. So wäre ihm die Ehre zuteil geworden, das neue Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin-Dahlem zu leiten. Doch Boveri lehnte ab, er blieb bis zu einem Tod 1915 auf dem Würzburger Lehrstuhl für Zoologie und vergleichende Anatomie. „Ich glaube, dies ist auf seine Bescheidenheit zurückzuführen“, mutmaßt Engstler. Andererseits hatte Würzburg damals auch „ein perfektes, weltweit führendes Institut“. Noch nicht gesichtete Briefe Boveris an seinen Kollegen Wilhelm Conrad Röntgen sollen bald nähere Auskunft geben, warum Boveri letztlich in Würzburg blieb.

Neben seinen wissenschaftlichen Vorhaben, die sich um das Problem der in Afrika gefürchteten Schlafkrankheit drehen, kümmert sich Engstler derzeit um die Aufarbeitung von Boveris Nachlass.

Gedenksymposium im Oktober

Außerdem organisiert der Zell- und Entwicklungsbiologe, der seit drei Jahren den Lehrstuhl für Zoologie I im Theodor-Boveri-Institut leitet, ein Boveri-Gedenksymposium. Am 17. Oktober werden „Weltstars“ der Entwicklungsbiologie nach Würzburg kommen, um die wissenschaftliche Lebensleistung des mit 53 Jahren viel zu früh verstorbenen Forschers Theodor Boveri zu würdigen.

Mit dem Amerikaner David Page soll sogar ein heißer Nobelpreiskandidat erscheinen.

Theodor Boveri

Jugend: Theodor Heinrich Boveri wurde am 12. Oktober 1862 in Bamberg geboren. Als er 13 Jahre alt war, klärte der Naturwissenschaftler Oscar Hertwig den Mechanismus der Befruchtung auf.

 

Karriere: Seine eigene wissenschaftliche Karriere als Biologe begann Boveri 1881 als Student in München. 1887 sorgte er durch den Nachweis der Chromosomenindividualität für Aufsehen.

 

Forschungsobjekt: Sechs Jahre später begann Boveri seine Zellen-Studien in Würzburg. Objekt seiner Forschungen war der Pferdespulwurm Ascaris Megalocephala. 1905 und 1906 fungierte Boveri als Rektor der Julius-Maximilians-Universität.

 

Tod: Theodor Boveri starb am 15. Oktober 1915. Text: Pat

Ans Licht gebracht: Bisher lagerte der Nachlass von Theodor Boveri in einem Keller der Universität. Professor Markus Engstler richtete mit einigen ausgegrabenen Exponaten kürzlich eine kleine Gedächtnisausstellung im Theodor-Boveri-Institut ein.
Foto: Pat Christ | Ans Licht gebracht: Bisher lagerte der Nachlass von Theodor Boveri in einem Keller der Universität. Professor Markus Engstler richtete mit einigen ausgegrabenen Exponaten kürzlich eine kleine Gedächtnisausstellung im ...
 
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