Von der „Anstalt“ bis zu einer modernen pädagogischen Einrichtung war es ein langer Weg: Seit den Anfängen der katholischen Kindertagesstätte St. Laurentius hat sich viel verändert. Grund zum Feiern hat die Einrichtung allemal, denn sie ist heuer 150 Jahre alt. Mit ihr feiert ganz Zell – schließlich hatte nahezu jeder Zeller schon mit dem Kindergarten zu tun. 1866 begann die Kinderbetreuung in der Marktgemeinde. Dieses eher seltene Jubiläum will der St. Laurentius Verein von Freitag, 7. bis Sonntag, 9. Juli angemessen feiern.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren die meisten Zeller Männer bei der Druckmaschinenfabrik Koenig & Bauer beschäftigt. Wegen ihres Zwölf-Stunden-Tages war kaum Zeit für Arbeit in den Weinbergen und auf den Äckern. Die landwirtschaftliche Arbeit betrieben die Frauen – zusätzlich zum Haushalt. Und genau in dieser Zeit wurde der Ruf nach einer Kinderbewahranstalt immer lauter, wie aus der Chronik "150 Jahre Kindergarten Zell am Main" hervorgeht.
Hohe Geldsumme gespendet
Am 11. Juni 1866 war es so weit: Zusammen mit Pfarrer Johann Baptist Kestler gründete Fanny Koenig die „Kleinkinderbewahranstalt“, die zunächst als „Privatanstalt“ in Unterzell eröffnete. Die Fabrikbesitzersgattin (Koenig & Bauer) spendete dafür eine für die damalige Zeit hohe Geldsumme. In der Einrichtung sollten die noch nicht schulpflichtigen Kinder ab zwei Jahren – vorrangig die der ärmeren Familien – versorgt und behütet werden.
Die Bemühungen der beiden sozial denkenden Initiatoren standen also unter dem Eindruck einer mutmaßlich drohenden oder tatsächlich vorhandenen Verwahrlosung der kleinen Kinder. Wer sich in Unterzell zunächst um die Kinder kümmerte, ist nicht überliefert. Von Juni 1886 bis Mai 1950 waren es die Schwestern des Maria-Stern-Ordens aus Augsburg.
Der Ausbruch des Deutschen Krieges zwischen Österreich-Bayern und Preußen im Sommer 1866 zwang zur kurzfristigen Schließung der Anstalt. Die Gemeinde musste bis Oktober jenen Jahres über 2000 preußische Soldaten unterbringen. Man verlegte die Anstalt kurzerhand in das gerade leerstehende sogenannte Schäfersche Haus Nr. 246, die heutige Hauptstraße 163, das die Gemeinde damals erwerben konnte.
Auch im Schäferschen Haus sollte die Anstalt, wie sie im Volksmund hieß, nicht lange bleiben. Kaum zwei Jahre später zog sie in die Kirchgasse 32, ehemals Hausnummer 128, um. An diesem dritten Standort fand die Einrichtung für die kommenden 100 Jahre einen langfristig, auch finanziell gesicherten Platz im Ort. Möglich wurde dies durch die Gründung der „Klinger‘schen Stiftung für die Kleinkinderbewahranstalt Zell“.
Namensgeber der Stiftung war Michael Klinger, der sein Anwesen der Stiftung mit Auflagen überließ. Mit großem finanziellen Aufwand ließ Fanny Koenig das Gebäude umbauen. Der Trägerverein der heutigen Kindertagesstätte St. Laurentius ist der direkte Rechtsnachfolger der „Klinger‘schen Stiftung“.
Modernisierung nach dem Krieg
Bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 verfügte der Kindergarten mit zwei Aufsichtspersonen über 80 Plätze, wovon 60 belegt wurden. Zwar wurde 1935 oder 1941 die Verwaltung der Klinger‘schen Stiftung der Gemeindeverwaltung unterstellt, doch blieb die Kinderbewahranstalt von einer unter dem totalitären Nazi-Regime üblichen parteilichen Einmischung und ideologischen Gleichschaltung verschont.
Nach dem Krieg war eine Modernisierung des in die Jahre gekommenen Kindergartens fällig. Zwischen 1958 und 1962 wurde das Gebäude in der Kirchgasse rundum erneuert und war damit „praktischer und schöner“ geworden, wie es in der Chronik heißt. Mit dem Bau des neuen Kindergartens im ehemaligen Krautgarten des Klosters Unterzell durch die katholische Kirchenstiftung konnten die Kinder im Jahr 1968 in neue, größere Räumlichkeiten umziehen. Durch den Anbau einer zweigruppigen Kinderkrippe im Jahr 2011 wurde das Betreuungsangebot erweitert.