Irgendwann hatte Florian Feichtinger keine Lust mehr. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Würzburger Fachhochschule hatte ihn zwar anfangs sogar interessiert. „Doch ich konnte mir dann doch nicht vorstellen, bis zu meinem 50. Lebensjahr irgendwo als BWLer zu arbeiten“, sagt der 29-Jährige. Büro und Schreibtisch sind im Grunde auch gar nicht seins. So beschloss Feichtinger, umzusatteln: In Unterpleichfeld fand er eine Lehrstelle als Anlagenmechaniker.
Ganz so einfach war das allerdings nicht. Als Florian Feichtinger klar geworden war, dass er mit seinem BWL-Studium aufs falsche Pferd gesetzt hatte, wusste er zunächst nicht, wie es weitergehen könnte. „Ich habe mich auf der Homepage meiner Hochschule umgeschaut, ob es da Tipps gibt“, so der aus Bad Kissingen stammende Twen. Im Internet stieß er auf eine Person, die ihm entscheidend weiterhalf: Christina Huck vom Karriereprogramm für Studienaussteiger der Handwerkskammer für Unterfranken (HWK).
Lieber eine Handwerkslehre in einem technischen Beruf.
Huck forderte den jungen Mann auf, ihr seinen Lebenslauf zu schicken, und lud ihn in die HWK ein. An Feichtingers Ja zum Studienabbruch gab es da schon nichts mehr zu rütteln: „Ich konnte mir aber inzwischen eine Handwerkslehre in einem technischen Beruf vorstellen.“ Dies fand auch Christina Huck eine gute Idee, denn aus Feichtingers Lebenslauf ging hervor, dass er handwerklich geschickt war. Auch hatte Feichtinger keine Vorbehalte gegen eine Ausbildung, bei der man sich die Hände schmutzig macht.
„Ich hab mich schließlich auf 15 verschiedene Stellen beworben“, so Feichtinger. Einige Bewerbungen blieben unbeantwortet, bei einigen Chefs spürte er Skepsis gegenüber ihm als „halbakademischen“ Lehrling. Doch bei Johannes Berthel von der Firma H + B Heizung GmbH in Unterpleichfeld wurde er sofort genommen. Berthel zufolge erfüllte Feichtinger alle Kriterien, die ein guter Einsteiger in eine Lehre in seinen Augen zu erfüllen hat: „Er wusste genau, was er will, und zeigte echtes Interesse am Beruf des Anlagenmechanikers für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik.“
Lernen, was nötig ist, um Bäder zu gestalten und umzubauen.
Im September 2016 begann Feichtinger seine verkürzte Ausbildung. In den nächsten zwei Jahren wird er bei seinem Meister Johannes Berthel sowie in der Berufsschule alles lernen, was nötig ist, um Bäder zu gestalten und umzubauen, Heizkessel auszutauschen und Solaranlagen zu installieren. Jeder Tag wirft neue Fragen auf, täglich lernt er etwas Interessantes. Die trockenen Informationen aus der Berufsschule werden vor Ort mit Leben gefüllt, das macht die Ausbildung für Feichtinger so spannend.
Die Vorträge und Seminare an der Hochschule vermisst er kein bisschen. Sein Spaß und sein Interesse am neuen Beruf scheitern auch nicht an womöglich mangelnder Akzeptanz der anderen „Stifte“, die er im Betrieb oder in der Schule trifft: „Ich fühle mich völlig akzeptiert.“ Selbst der große Altersunterschied vermittelt Feichtinger nicht das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Dass sein Chef Johannes Berthels nur vier Jahre älter ist als er, findet er mit Blick auf die ähnlichen Lebenswelten, in denen sich beide bewegen, „prima“.
Aber erst mal die Lehre durchziehen.
Am „Karriereprogramm Handwerk“ beteiligten sich seit Projektstart vor fünf Jahren unterfrankenweit inzwischen 94 Studienaussteiger, 50 davon schlossen ihre Ausbildung ab.
Wie es in zwei Jahren weitergeht, weiß er noch nicht. Die Lehre eröffnet ihm die Chance, den Techniker und den Meister aufzusatteln und vielleicht selbst einmal einen Betrieb zu eröffnen. Vielleicht bleibt er auch noch eine Weile bei Johannes Berthel. Mal schauen. Aber erst mal die Lehre durchziehen.
Karriereprogramm Handwerk
Das „Karriereprogramm Handwerk – Studienanschluss statt Studienabbruch“ der Handwerkskammer für Unterfranken startete 2012 als bundesweit einzigartiges Pilotprojekt.
Inzwischen gibt es das Programm in ähnlicher Form bei vielen Handwerkskammern in Deutschland. Es will Studienabbrechern durch eine verkürzte Ausbildung eine Perspektive für eine Handwerkskarriere bieten: Die Teilnehmer können bereits nach zwei Jahren die Gesellenprüfung ablegen und nach drei Jahren ihren Meister machen. Gleichzeitig sollen Fach- und Führungskräfte für Handwerksbetriebe in der Region gewonnen werden.
Die bisher 94 Teilnehmer kommen aus den Naturwissenschaften, aus geisteswissenschaftlichen Fächern, Ingenieurstudiengängen, der Fachrichtung Betriebswirtschaft oder aus Lehramtsstudiengängen. Die Handwerksberufe, für die sie sich bisher entschieden haben, spiegeln die Bandbreite des Handwerks wider. Die Teilnehmer absolvieren ihre Ausbildung in Berufen des Nahrungsmittelhandwerks, in Bau- und Ausbauberufen, im Gesundheits- und Kraftfahrzeuggewerbe, aber auch in kaufmännischen Berufen des Handwerks.
Kooperationspartner des Programms sind die Würzburger Universität sowie die beiden Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und Aschaffenburg. An allen drei Hochschulstandorten bietet eine Karriereberaterin offene Sprechstunden für Studienabbrecher an. In der Woche vom 27. bis 31. März 2017 findet eine bundesweite Aktionswoche zum Programm statt. pat