Na, heute schon geärgert über einen neuen Mückenstich? Die Flugameisen-Invasion vor der Terrassentür verflucht? Oder Ihr Kind nach fiesen Zecken abgesucht? Es ist Sommer, Zeit für aufgekratzte Arme und Beine und für etliche Krabbeltiere, die einem die Freude am Draußensein so richtig vermiesen können. Experte Dieter Mahsberg vom Zoologischen Institut der Uni Würzburg kennt sich aus mit den Plagen. Nicht nur sein fachliches Wissen ist enorm, auch seine persönlichen Erfahrungen können sich sehen lassen.
„Sie lieben mich. Sie kommen am liebsten zu mir. Ich biete der ganzen Familie mit meiner Anwesenheit Schutz vor Stechmücken“, erzählt er lachend und man merkt gleich: Dieser Mann sieht die Sache mit unseren Bonsai-Feinden ganz entspannt. „Wir sind in Unterfranken“, sagt er. Quasi in sicheren Gefilden, denn so trocken wie hier ist es kaum irgendwo im Bundesgebiet. „Okay“, so räumt Mahsberg ein, am Main und an den Seen kann es schon mal unangenehm werden. Doch eine aktive Bekämpfung der Plagegeister seitens der Kommunen brauche man in der Region nicht.
Juckende Einstichstellen
Am Rhein indes sieht das anders aus. Im Mainz etwa ist die Kommunale Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) mit Hubschraubern und etlichen Helfern im Einsatz, um mit einem biologischen Mittel den Insekten Herr zu werden. Die Tiere legen ihre Eier am Ufer und in den Auen ab. Wenn das Wasser steigt und sie überspült, schlüpfen die Larven. Und zwar in solchen Mengen, dass das öffentliche Leben im Freien stark eingeschränkt ist. Von solchen massiven Problemen, sagt Mahsberg, sei man in der hiesigen Region weit entfernt.
Doch das ist ein schwacher Trost für alle Franken, deren Körper gerade von juckenden Einstichstellen übersät ist. Schwellungen, groß wie Tischtennisbälle. Das war doch früher nicht so! Das sind bestimmt die zunehmenden Umweltgifte, oder? „Nein“, antwortet Mahsberg so trocken wie ein Boden in Unterfranken. Dass die Folgen der Stiche in den letzten Jahren schlimmer geworden seien, sei eine gefühlte Beobachtung und wissenschaftlich nicht belegt.
„Wir sind es schon lange nicht mehr gewohnt, mit Fremdsubstanzen umzugehen. Deshalb nehmen Allergien ja auch überall zu.“ Mücken verabreichen beim Stechen mit ihrem Rüssel eine Lokalanästhesie, auf die die Haut dann reagiert. Mahsberg sagt aber auch, wenn ein Stich übermäßig anschwillt oder sich heftig entzündet oder gar Fieber auftritt, sollte man auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen.
„Besonders fies ist bei uns die Kriebelmücke, sie sticht nicht, sie beißt uns kleine Wunden.“ Die unscheinbare, schwarze Kriebelmücke ist gerade mal drei bis vier Millimeter groß. Sie reißt eine Wunde, so dass ein Blutstropfen entsteht und saugt das Blut auf. Vorher gibt sie einen speziellen, leicht betäubend wirkenden Eiweißcocktail in die Wunde ab, damit das Blut nicht so schnell gerinnt. Bis zu zwei Minuten beißt und schleckt sich der Mini-Vampir meist unbemerkt bei uns durch.
Schwäche für rasierte Beine
Wenn später dann noch Dreck in die kleine Wunde gerät, entzündet sich dieser Stich viel schneller und heftiger als der einer „gemeinen Stechmücke“. Ein äußerst passender Name für jenes Viech, das uns gerne Nachts wachhält und sticht – und gezielt in Wohnhäuser fliegt. Ihr Speichel führt zu unangenehmen Quaddeln. Auch der Wadenstecher trägt seinen Namen zu Recht, er lebt auf dem Land, bevorzugt Ställe und Pferdekoppeln und hat eine Schwäche für Menschenbeine.
„Wir sind dankbar
für jede Stechmücke,
die an uns geschickt wird.“
Doreen Walther, Initiatorin des Mückenatlas
Stechmücken mögen es, wenn die Körper ihrer Opfers warm sind. Und wenn die dann noch schön rasiert sind, hach, perfekt! Mit ihren Sensoren unter den Füßen spüren die Tierchen nämlich genau, wo eine Ader pulsiert und wo die perfekte Einstichstelle ist. „Deshalb klagen wir ja auch oft über Stiche am Handgelenk“, so Mahsberg.
Die meisten Mückenarten, weltweit sind es 3500, lassen sich gut unterscheiden, doch wozu? Stich ist Stich. Zumindest im harmlosen Deutschland. „Ja, das sehen die meisten so“, bestätigt Mahsberg. „Für den Franken sind alle Mückenarten Schnaken, auch jene Tiere, die gar keine Schnaken sind“, erzählt er amüsiert. Die 50 Mückenarten in Deutschland sind laut Experte fast ausnahmslos harmlos. Doch es werden auch gefährliche Mücken importiert, bekanntestes Beispiel: Die Tigermücke. Sie stammt ursprünglich aus Südostasien, ist aber auch schon in Südbayern aufgetaucht. „Die Tigermücke ist gefährlich, sie kann Tropenkrankheiten wie das Dengue-Fieber übertragen.“ Allerdings glaubt Mahsberg nicht, dass diese Mückenart in absehbarer Zeit hier heimisch werden könnte. „Die wenigsten packen unseren harten Winter.“
Forscher erstellen Mückenatlas
Forscher des Leibniz-Zentrums in Brandenburg erstellen aktuell einen Mückenatlas und bitten die Bevölkerung um Mithilfe. „Wir sind dankbar über jede Mücke, die wir geschickt bekommen“, sagt Biologin Doreen Walther, die das Projekt zur flächendeckenden Erfassung von heimischen und exotischen Stechmücken initiiert hat (siehe Infokasten).
Und was kann man tun gegen die Blutsauger? „Es gibt nicht das ultimative Abwehrmittel. Aber wenn man ein paar grundlegende Regeln beachtet, kann man sich schon schützen“, ist Dieter Mahsberg überzeugt. Dazu gehöre in erster Linie, dafür zu sorgen, dass auch kleine offene Wasserstellen in Nähe der Wohnung vermieden werden. Gießkanne ausleeren, leere Blumentöpfe umdrehen, Regentonnen abdecken. Fensternetze anbringen, Moskitonetz übers Bett hängen. Aromatisierte Duftstoffe als Abwehr seien nur bedingt wirksam. Mahsbergs wichtigster Rat: Immer gelassen bleiben. „Die hiesigen Mücken gehören zur Umwelt, die bringen niemanden um!“
Zecken indes machen den Experten vor allem im süddeutschen Raum schon mehr Sorgen, denn sie können definitiv eine lebensbedrohliche Hirnhautentzündung (Meningitis) oder die nervenschädigende Borreliose übertragen. Wer Ersteres ausschließen möchte, kann sich impfen lassen, gegen Borreliose allerdings kann man sich nicht schützen.
Die Zecken (keine Insekten, sondern zu den Milben gehörende Spinnentiere) sind laut Experte Mahsberg heuer wieder sehr aktiv. „Ich hatte auch schon einige. Es geht dabei meist um den gemeinen Holzbock, der Menschen und Tiere befällt.“ Beide Geschlechter müssen Blut saugen, um sich erfolgreich fortpflanzen zu können und können so auch Krankheitserreger weitergeben. Im Raum Würzburg kommt die Lyme-Borreliose häufig vor, jene Bakteriose, gegen die es keine Impfung gibt, die aber mit Antibiotika behandelt werden kann. Zecken holt man sich meist im Gras oder an Büschen, dort streifen sie sich ab. Entgegen landläufiger Meinung lassen sie sich nicht von Bäumen fallen.
Hochzeitstanz der Flugameisen
„Es gibt gegen Stechmücken und Zecken wirksame Mittel, die man aber immer unter Beachtung der Herstellerhinweise einsetzen sollte. Die beste Methode zur Vermeidung von Zeckenerkrankungen ist das Absuchen des Körpers und schnelles Entfernen der Tiere mit Hilfe einer Zeckenpinzette“, rät Mahsberg. In keinem Fall sollten Öl, Kleber oder andere Dinge auf die Zecken tropfen, da dies deren Speichelfluss nur anregt. Zu den größten Plagen des Sommers geheuren heuer auch die Ameisen, besser gesagt die Flugameisen. Sie bevölkern aktuell Balkone und Terrassen und rücken in Schwärmen an. Laut Mahsberg werden die geschlechtsreifen Ameisen sich noch bis Ende August ihrem Hochzeitstanz hingeben, um einen geeigneten Partner zu finden. Nach der Paarung sterben die Männchen, die Weibchen werfen ihre Flügel ab. Der Experte rät dazu, die Fenster geschlossen zu halten. „Sie werden vom Licht angezogen, grundsätzlich haben sie kein Interesse an Wohnungen.“
Nur die allerwenigsten Ameisen würden es schaffen, zu überleben. „Sonst wäre die Erde übersät mit ihnen.“ An manchen Stellen allerdings ist das so. Als Erste Hilfe empfiehlt Fegen und Staubsaugen und das Verschließen von Löchern und Ritzen im Mauerwerk. „Wenn sie kein Nest haben, verschwinden sie nach einigen Tagen oder Wochen von ganz allein. Nur die wenigsten siedeln sich an und machen Probleme, indem sie Holz zerstören.“ Flugameisen seien weder gefährlich noch schädlich, allenfalls ein hygienisches Problem. „Man sollte jetzt nichts Süßes und kein Obst liegen lassen und den Müll gleich rausbringen.“ Mit Essig könne man den Hochzeitstanz zudem erheblich stören.
Forschungsprojekt Mückenatlas
Ein Mückenatlas soll Aufschluss über die Arten und Vorkommen in Deutschland geben. Tausende Briefe und Päckchen landen seit 2012 pro Mückensaison im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg östlich von Berlin. Rund 40 000 Mücken, die bestimmt und kartiert werden, haben die Bürger allein 2016 an die Biologen geschickt. Die Forscher wollen die Mücken flächendeckend erfassen. Bundesweit haben sie an 120 Standorten Fallen aufgestellt. Ziel ist es auch, die Verbreitung der gefährlichen Exoten und Krankheitsüberträger einzuschätzen zu können.
Auch der Würzburger Experte Dieter Mahsberg vom Biozentrum der Uni, empfiehlt die Teilnahme an diesem wichtigen Projekt. „Es kann jeder mitmachen!“ Vor allem aus dünn besiedelten Gegenden benötigten die Kollegen Stechmücken. Am besten fängt man die Tierchen in einem Glas oder Plastikbehälter ein und stellt sie über Nacht ins Tiefkühlfach. Danach kann man sie ans Zalf schicken. Totgeschlagen und zerquetscht nutzen die Mücken dem Forscherteam nichts. Mahsberg warnt zwar grundsätzlich vor Panikmache, doch sei die Gefährlichkeit importierter Mücken nicht zu unterschätzen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Asiatischen Tigermücke, die unter anderem das Gelbfieber-Virus, aber auch das Zika-Virus übertragen kann. 2013 gab es erste Hinweise auf Tigermücken im süddeutschen Raum. Sie sind in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen gesichtet worden. Die Mücken kommen per Schiff von Asien nach Europa und gelangen über den Güterverkehr nach Deutschland. Unter www.mueckenatlas.de kann man sich ein Formular herunterladen und mit den Funden an das Leibniz-Zentrum schicken. MEL