Aus Verzweiflung und als Hilferuf habe er Ende Februar in Würzburg ein Auto angezündet: "Ich wollte damit erreichen, dass mir geholfen wird", sagte der Angeklagte am Dienstag vor dem Würzburger Landgericht. Die 1. Strafkammer verurteilte den 27-Jährigen, der an einer unheilbaren Muskelerkrankung leidet, frühverrentet und cannabisabhängig ist, wegen Brandstiftung zu elf Monaten Gefängnis.
Vor Gericht war der 27-Jährige zwar ohne Hilfsmittel erschienen. Aufgrund seiner Erkrankung ist er aber in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt und teilweise auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Drogen konsumiert er nach eigenen Angaben seit rund zehn Jahren, zahlreiche Entgiftungs- und Therapieversuche hat er bereits hinter sich. Im Februar endete ein weiterer solcher Versuch, als der Angeklagte gegen seinen Willen aus dem Zentrum für Seelische Gesundheit am Würzburger König-Ludwig-Haus entlassen wurde.
An der Tankstelle Spiritus, Schwamm und Feuerzeug besorgt
Nur wenige Stunden später wurde der Frührentner zum Brandstifter – um in die Psychiatrie eingewiesen zu werden: "Ich wollte damit zeigen, wie verzweifelt ich bin." Der 27-jährige packte eine Eisenstange ein, kaufte sich an einer Tankstelle Brennspiritus, Schwamm und Feuerzeug und fuhr im Rollstuhl damit weiter in den Würzburger Elferweg. Dort schlug er die Seitenscheibe an einem älteren Ford Fiesta ein, bespritzte den Fahrersitz mit Spiritus und warf den brennenden Schwamm ins Auto.
Fahrzeug bewusst ausgesucht
Er habe niemanden verletzen oder gefährden wollen und sich deshalb bewusst ein Fahrzeug an einer einsamen Stelle ausgesucht, wo das Feuer nicht auf andere Autos oder Gebäude überspringen konnte, so der Angeklagte. Bei Fahrzeugbesitzerin entschuldigte er sich in einem Brief und auch im Sitzungssaal. Die 21-jährige Studentin zeigte Verständnis für die schwierige Situation des Brandstifters: "Ich wünsche dir, dass du klar kommst."
Ein Video des brennenden Autos hatte der Angeklagte vom Tatort aus an seinen Vater und seine Ex-Freundin geschickt. Der Vater informierte die Polizei, die den 27-Jährigen am selben Abend in der elterlichen Wohnung fand. "Er wohnte immer noch in seinem spärlich eingerichteten Jugendzimmer", berichtete ein Kriminalbeamter im Zeugenstand. "Ich hatte den Eindruck, dass er mit sich und der Welt hadert."
Fünf Monate lang in der Psychiatrie
Durch die Brandstiftung hatte der Frührentner sein Ziel erreicht: Die vergangenen fünf Monate war er im Bezirkskrankenhaus in Lohr untergebracht. "Ich bin zum ersten Mal seit fast einem halben Jahr clean", sagte er am Dienstag. "Ich werde niemals wieder irgendetwas anzünden." Dem psychiatrischen Sachverständige zufolge handelte es sich bei der Tat "primär um einen Hilferuf" angesichts einer depressiven Verstimmung in Kombination mit Drogensucht.
Weil nach Auffassung der Strafkammer die Voraussetzungen für eine dauerhafte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht vorliegen, konnte der 27-Jährige das Gericht zunächst als freier Mann verlassen. Sobald das Urteil rechtskräftig wird, muss er die verbleibenden rund sechs Monate seiner Freiheitsstrafe absitzen – falls er bis dahin keinen Therapieplatz gefunden hat. "Es liegt in ihrer Hand, wie sie sich in Zukunft verhalten", sagte der Vorsitzende Richter.