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Zellerau
Vom Normalbürger zur Maschine des Schreckens: Der König in Gelb im Theater Ensemble
Ursula Düring
 |  aktualisiert: 09.10.2023 02:57 Uhr

Gemütlich sieht es aus, geradezu banal. Bücherstapel, Kerzen und Laternen, bequeme Sessel, Grammophon und Staffelei. Im Ofen mit dem langen Ofenrohr ein wärmendes Feuer, vor den Fenstern sieht und hört man Dauerregen. In dieser mit viel Liebe zum Detail gestalteten Kulisse lebt eine Künstler-WG. Das Leben der jungen Leute scheint in sich geschlossen, friedlich und normal: Geneviève lebt sich im Tanz aus, Tessie malt an einem ihrer Bilder, das auf der Staffel steht. Die jungen Männer Jack und Hildred lesen, rauchen, pokern oder proben eine Szene aus "Macbeth". Diese Idylle wird durch einen Fliegeralarm unterbrochen, danach geht der Alltag weiter. Doch alles ändert sich, als Fallowby eine Kiste alter Bücher vorbeibringt.

Die Premiere von "Der König in Gelb" nach Robert W. Chambers hält die Zuschauerinnen und Zuschauer im voll besetzten Theater Ensemble in Würzburg zweieinhalb Stunden lang in Atem. Die Theateradaption des Horrorstücks, das nach dem Cthulhu-Mythos des US-amerikanischen Schriftstellers H. P. Lovecraft abläuft, erzählt vom Gelben König und seiner besonderen Rolle im Horrorkosmos. Dieser König, ein Monster, scheint gottgleiche Macht, scheint unsterblich zu sein.

Gelb steht für Gier und Gewalt

"Der König in Gelb" war erst das zweite Buch, das der Amerikaner Chamber veröffentlicht hat. Es ist ein Geheimtipp der frühen Horrorliteratur und im Jahr 1895 entstanden, die erste Übersetzung ins Deutsche erst neunzig Jahre später. Die Farbe Gelb steht für Gier und Gewalt. In einer elenden, kranken Welt verkörpert der König in Gelb Ängste und Arroganz, Lüge, Laster, Neid und Missgunst.

Sich mit dieser Problematik, dem Zustand einer kaputten Welt, szenisch auseinanderzusetzen, erfordert Mut und Leidenschaft. Beides beweist das Team auf der Bühne (Johannes Lukas Kern, Linus Schläger, Jelka Lotta Dirksen, Annika Moucha, Jonas Gründler und Norbert Bertheau als gesichtsloser König) um den Regisseur Tobias Schmidt. Nachdem das gelbe Buch aufgetaucht ist, ist es vorbei mit einem Leben voller Zukunftshoffnungen und Pläne, pathologische Verhaltensweisen, Krisen, Exzesse folgen – starker Tobak für starke Nerven.

Die Verwandlung der jungen Menschen vom harmlosen Bürger zu Maschinen des Schreckens geschieht abrupt, Grausamkeiten und abartige Szenarien überfallen die Zuschauer ohne Übergang, aber auch die Akteure auf der Bühne. Hier hätte man sich eine nachvollziehbare Darstellung der Verwandlung gewünscht, der gespensterhaft auftauchende König ist nicht genug. Doch das ändert nichts an der gewaltigen Leistung eines Teams, das den stürmischen Beifall verdient hat.

Das Stück ist bis 31. Oktober im Theater Ensemble im Bürgerbräugelände zu sehen, Infos und Karten: theater-ensemble.net

 
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