Geht das zusammen? Suizid und schräger Spaß? Die Antwort kennt, wer den Bestseller "A long way down" des Kultautors Nick Hornby gelesen hat. Oder das auf seinem Roman fußende Schauspiel gesehen hat, das das Würzburger Theater Chambinzky auf der großen Bühne zeigt. Besser: nach der Premiere im Herbst 2020 und den wenigen Vorstellungen vor dem Corona-Kultur-Lockdown in der ursprünglichen Besetzung und Inszenierung von Regisseurin Cornelia Wagener wieder zeigt – an Silvester sogar gleich zweimal. Wobei Aufführung Nummer eins angesichts der überzeugenden Darsteller durchaus längeren Applaus verdient hätte.
Die Geschichte von vier ganz unterschiedlichen Selbstmordkandidaten beginnt – wie passend - am letzten Abend eines Jahres. Die Elendsfiguren eint, dass sie alle sich vom Leben überfordert, leer, ausgebrannt, gescheitert, enttäuscht, einsam fühlen, und daher beabsichtigen, sich vom Dach eines Hochhauses in London zu stürzen. Aber bitte nicht gemeinsam, nicht vor Zuschauern.
Renommee und Karriere sind ruiniert
Da ist zunächst die bieder-spießig-verhuschte Maureen (ausgezeichnet: Dagmar Schmauß), die sich tagein, tagaus seit knapp zwei Jahrzehnten allein um ihren schwerstbehinderten Sohn kümmert und nach ein bisschen gesellschaftlichem Kontakt sehnt. Höflich, ruhig – "Entschuldigung, brauchen Sie noch lange?" –, wendet sie sich an den Mann, der ebenfalls vor dem Sprung in die Tiefe steht: Martin. Der arrogante Fernseh-Talkmaster (prima besetzt mit Christian Irwin) steht nach Skandal und Gefängnisaufenthalt vor einem Scherbenhaufen. Renommee und Karriere sind ruiniert, die Familie zerbrochen. Was den Unsympathen fast schon wieder sympathisch macht: Er weiß um seine eigene Schuld, fühlt sich als "Drecksack".
Zu Maureen und Martin stößt Jess (temperamentvoll: Adeliya Sagitova), eine überdrehte, vorlaute, respektlose 18-Jährige mit familiären Problemen und aktuellem Liebeskummer. Viel zu jung, um ihrem Leben ein Ende zu setzen, findet das Gespann Maureen-Martin und hält das Mädchen von einer Kurzschlusshandlung ab. In dieser Situation tritt JJ (Nick Danilcenko, sichtbar deprimierter Gegenpol zur flatterhaften, durchgeknallten Jess) auf: "Hat hier jemand Pizza bestellt?" Eine Frage, die allenfalls kurz davon ablenkt, dass der apathische Pizzabote nur "die Lage checken will", wie Jess scharfsinnig erkennt. Gebührt ihm als (angeblich) unheilbar Kranken und, wie sich herausstellen soll, verhindertem Bandmusiker der erste Platz in dem "Wer ist das ärmste Schwein"-Spiel?
Inhomogenes Quartett begibt sich vom Dach
Die Entscheidung und der Sprung werden vertagt. Das inhomogene Quartett begibt sich vom Dach, entwickelt ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl und mutiert zur Selbsthilfegruppe, in der auch über Lebenswünsche gesprochen wird. Was könnte jeden von ihnen vom Suizidvorhaben abhalten? Was wäre, wenn …
Um das herauszufinden, treffen sich die vier einige Wochen später wie verabredet wieder auf dem Dach und sehen schockiert zu, wie ein Mensch seinem Leben tatsächlich ein Ende setzt. Ein Erlebnis, das die Frage aufwirft, "Warum sind wir noch hier?" und sich auf ihre "Deadline" auswirkt …
"A long way down" steht bis 28. Januar auf dem Spielplan des Theaters Chambinzky.
Karten und Info-Tel.: (0931) 51212 oder www.chambinzky.com