Volkmar Halbleib duscht kalt. Eisig kalt. Dienstag früh, kurz vor vier, braucht es diesen erfrischenden Kreislaufschub, um in die Gänge zu kommen. Eine Stunde später steht der Landtagsabgeordnete am Ochsenfurter Bahnhof und steigt in den Zug nach Treuchtlingen, mit Weiterfahrt nach München. Auf dem kleinen Tischchen im Abteil werden Papierstapel verteilt, Blätter sortiert, Akten überflogen, Wichtiges vom Unwichtigem getrennt. Nachmittags tagt der Haushaltsausschuss in München, dessen stellvertretender Vorsitzender Halbleib ist. An solchen Tagen sind die Stapel besonders groß.
Kurz vor acht am Münchner Hauptbahnhof. Halbleib hetzt in die S-Bahn. Zwei Stationen sind es bis zum Marienplatz. Hier trifft er sich mit Münchens Oberbürgermeister Christian Ude – dem SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im September – und anderen im Prälatenstüberl des Ratskellers. Es duftet nach frischen Brezeln und Kaffee. Halbleib ist einer der ersten. Nur eine Parteifreundin aus der Oberpfalz ist schon da. Sie lädt den Ochsenfurter nach Weiden ein. Dort soll er über die bayerische Finanzpolitik sprechen. „Du musst damit rechnen, dass ich auch komme“, sagt Halbleib. Die Kollegin verspricht ihm einen „Rundum-Service“ als Dankeschön.
Dann kommt der Spitzenkandidat. Journalisten dürfen eigentlich nicht dabei sein, wenn sich die Runde um Christian Ude im „Allerheiligsten“ trifft. Gerade zehn Minuten sind erlaubt. Dann heißt es draußen warten, während hinter der verschlossenen Tür Strategien und andere geheime Dinge besprochen werden.
Ude gibt viel auf die, wie er sagt, kompetente Meinung des Unterfranken. Gerade in finanzpolitischen Fragen. Deswegen will er den Ochsenfurter, sollte es einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten geben, als Finanzminister in seinem Kabinett haben. Auch Halbleibs Parteifreunde könnten sich das gut vorstellen.
Halbleib ist kein Hinterbänkler mehr im Landtag. Mittlerweile sitzt er in der zweiten Reihe, auf Platz Nummer 19 im Maximilianeum. Ein guter Platz für Zwischenrufe, mit denen er gerne Landtagsdebatten anreichert. Und auch in der bayerischen Sozialdemokratie gehört der Mann aus Ochsenfurt inzwischen zu den führenden Köpfen. „Volkmar Halbleib ist ein toller Typ, ein guter Freund. Ein Politiker ganz ohne Bohei“, lobt SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. Die Kollegen im Haushaltsausschuss finden, dass er „hervorragend“ als Finanzminister geeignet sei. Was sollen sie auch sonst sagen.
Mit ihnen sitzt Halbleib an diesem Nachmittag im Bayernzimmer der Landtagskantine zusammen. Viel Zeit fürs Essen bleibt nicht. Die Aktenberge warten. Eine Beschwerde über das Würzburger Finanzamt ist darunter und eine Petition aus Veitshöchheim. Halbleib ist ein Schaffer. Und ein Rechner. Schnell multipliziert er im Kopf zusammen, was 7,50 Euro mehr Kleidungszuschuss für Bayerns Polizisten für den Staatshaushalt bedeuten können. Ohne zu werten, ob er das Ansinnen für gut oder schlecht hält. „Es muss dann eben an anderer Stelle wieder vernünftig eingespart werden“, sagt er kühl. So hat er auch die Wahlprogramme der zur Landtagswahl antretenden Parteien durchgerechnet. „Ich weiß, was die einzelnen Baustellen kosten.“
Halbleib ist ein gefragter Mann an diesem Tag. Nachrichtenagenturen suchen das Hintergrund-Gespräch mit ihm, weil sie gewisse finanzpolitische Zusammenhänge nicht verstehen. Halbleib versucht als finanzpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, komplizierte Dinge begreiflich zu machen: Nachtragshaushalt, Schuldentilgung, Landesbank-Debakel – „alles ist miteinander verknüpft“, sagt er. „Finanzpolitische Zusammenhänge zu erklären ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass politische Aussagen auch ankommen.“ Aber er weiß auch, dass es nicht gerade zu seinen Stärken gehört, Dinge zu vereinfachen oder sie gar zu polarisieren.
Was viele an Halbleib mögen, ist, dass er sich um alles und jeden kümmert. Niemanden lässt er im Regen stehen. Viele Probleme aus der Region trägt er nach München und sucht dort Lösungen. Für die Mitarbeiter seines Büros ist dies mit viel Arbeit verbunden. Und manchmal auch ziemlich nervenaufreibend, stöhnen sie. Was sie aber eigentlich nervt ist das ständig leere Naschglas im Regal. Ihr Chef kann einfach seine Finger nicht von den süßen Versuchungen lassen. Er ist eben mittlerweile ein politisches Schwergewicht.
Kandidaten-Check
Die drei wichtigsten Themen der Region in der nächsten Legislaturperiode?
Ausbau der Wissenschafts-, Gesundheits- und Bildungsregion Mainfranken; Stärkung des ländlichen Raums (Schulen vor Ort, Breitband, Busanbindung); Energiewende sozial gestalten und für die regionale Wertschöpfung nutzen
Ein Politiker, den Sie bewundern?
Helmut Schmidt
Wie weckt man bei jungen Menschen Interesse an Politik?
Klartext reden statt Herumschwurbeln! Beteiligen statt bevormunden!
Wie überzeugen Sie einen Nichtwähler?
Wer nicht wählen geht, lässt andere über sich bestimmen.
Woher kommt Politikverdrossenheit?
Da gibt es viele Ursachen, z. B. aktuell die Verwandtschaftsaffäre im Landtag. Die Hauptursache: Dass Reden und Handeln in der Politik häufig nicht zusammenpassen.
Ein politischer Gegner, den Sie besonders schätzen?
Hans Maier, ehemaliger Bayerischer Kultusminister
Sie machen Politik, weil . . .
. . . es eine tolle Aufgabe ist, sich für die Region und ihre Menschen einzusetzen.
Heimat ist für Sie . . .
Stadt, Land, Fluss und die Menschen im Maindreieck
Drei Dinge, die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Neben meiner Frau einen Radio, die Bibel als unerschöpfliche Lektüre und einen guten Bocksbeutel
Ihr schönster Moment bislang in diesem Jahr?
Politisch die Abschaffung der Studiengebühren, privat die Fertigstellung unseres Gartens.
Was können Sie richtig gut?
Ziele mit langem Atem verfolgen
Was sollten Sie besser lassen?
Kulinarische Verführungen
Wo findet man Sie im Urlaub?
Meist auf Städtereisen in Deutschland oder in Berg- und Seenähe.
Biografisches
Alter: 49
Beruf: Jurist
Ausbildung: Studium der Rechtswissenschaft, Staatsexamen
Familienstand: Verheiratet
Geburtsort: Ochsenfurt
Wohnort: Ochsenfurt
In der SPD seit: 25 Jahre
Politische Ämter: MdL, Stv. Vorsitzender des Haushaltsausschuss im Landtag, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion Landkreis Würzburg, Stadtrat in Ochsenfurt, Stv. Vorsitzender UnterfrankenSPD
Lieblingsessen: Kartoffeln mit Kräuterquark Lieblingsmusik: Das reicht von symphonischer Blasmusik über Mozart bis Bob Dylan
Lieblingsbuch: Harry Mulisch: „Die Entdeckung des Himmels“
Lieblingsfilm: „Eine Komödie im Mai“ von Louis Malle
Lieblingsplatz in der Region: von den Hängen des Maintals den Blick schweifen lassen (Kleinochsenfurter Berg, Würzburger Stein, Erlabrunner Volkenbergen und, und, und)
Lieblingssport: Fußball
Lebensmotto: Es gibt nichts gutes, außer man tut es!
Wenn Sie die Wahl hätten…
Weißwurst oder Blaue Zipfel
Münchner Bier oder Frankenwein
FC Bayern oder „Der Glubb“
Karl Valentin oder Erwin Pelzig
Neuschwanstein oder Residenz
Für einen echten Mainfranken sind das ja fast ehrenrührige Fragen . . . Natürlich immer die fränkische Variante!