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Würzburg
Verwandt mit der ganzen Welt
Der Schauspieler Rainer Appel (links) unterhält sich mit Bürgermeisterin Judith Jörg und Dr. Josef Schuster, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Würzburg und des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Foto: Daniel Peter | Der Schauspieler Rainer Appel (links) unterhält sich mit Bürgermeisterin Judith Jörg und Dr. Josef Schuster, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Würzburg und des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 20.07.2021 02:15 Uhr

Eine "selbstbestimmte Frau", ja gar eine "Naturgewalt" wurde die Hauptfigur von Max Mohrs Roman "Frau ohne Reue" beim Festakt der Aktionswoche "Würzburg liest ein Buch" genannt. Dieser Lesemarathon startete im großen Saal von "Shalom Europa" am Donnerstag in seine dichteste Phase, und zwar mit einem Treffen von Mohrs Verlegern mit seinem Enkel.

Die drei führten ein bewegtes und bewegendes Expertengespräch über den vor 130 Jahren in Würzburg geborenen Autor und Arzt Max Mohr, an dessen Wiederentdeckung vor 30 Jahren das Bonner Verlegerpaar Barbara und Stefan Weidle Anteil hatte. Wobei die Büchermacher bei Recherchen zu Alma Mahler-Werfels Familiengeschichten auf den Würzburger stießen. Der hatte Kontakt zu etlichen Größen seiner Zeit.

Mohr ließ sich in den 1920er-Jahren in einem Weiler bei Rottach-Egern nieder, hängte seinen Arztkittel an den Nagel, verfasste Theaterstücke und Romane – und betreute quasi nebenberuflich den tuberkulösen Kollegen D. H. Lawrence. Mit Thomas Mann und Oskar Maria Graf korrespondierte er. 1934, ein Jahr nach der Veröffentlichung von "Frau ohne Reue", emigrierte er nach Shanghai, wo er noch drei Jahre lang als Arzt praktizierte und dann an einem Herzinfarkt starb. Mitglieder seiner Familie wurden in Konzentrationslagern ermordet, andere wanderten in die USA aus. Die Nazis verbrannten die Bücher Mohrs, der laut Nicolas Humbert "einen starken Reflex gegen alle Massenbewegungen und Großsysteme hatte".

Ehrengast: Nicolas Humbert, Max Mohrs Enkel.
Foto: Daniel Peter | Ehrengast: Nicolas Humbert, Max Mohrs Enkel.

Humbert, Max Mohrs Enkel, lebt und arbeitet heute zeitweise im Rottach-Egerner Weiler Wolfsgrub. Zu den vielen verschlungenen Wegen in Max Mohrs Leben konnte er eine Geschichte aus dessen Nachleben beitragen. So habe er eines Tages einen Brief des US-amerikanischen Schriftstellers Frederick Reuss erhalten, der an einem Buch über Max Mohr arbeitete und wissen wollte, ob der deutsche Filmemacher Humbert der gleichnamige enge Verwandte seines Helden sei, auf den er bei seinen Recherchen gestoßen war. Das konnte Nicolas Humbert bestätigen, man traf sich und "es war so, als würden wir uns schon ein Leben lang kennen". Tatsächlich stellte sich heraus, dass die beiden Künstler miteinander verschwägert sind. Humbert und die Weidles begleiten in den nächsten Tagen noch ein paar Veranstaltungen der Aktionswoche (www.wuerzburg-liest.de).

Der locker-launige Moderator des Abends, Schauspieler Rainer Appel, sprach mit Bürgermeisterin Judith Jörg über die Rolle der Frau, ob mit oder ohne Reue, und mit Josef Schuster – Mediziner und Hausherr des Festsaals – über Max Mohrs 15-jährige Berufspause. Jörg und Schuster teilten sich die Schirmherrschaft.

Vier Schulen hatten Figuren und Themen der "Frau ohne Reue" kreativ weiterentwickelt, als Spiel, typografisches Kunstwerk, Charaktermodell. Auszeichnungen dafür nahmen Vertretende von Siebold-, Röntgen-, Riemenschneider- und Johann-Schöner-Gymnasium entgegen. Mit-Organisator Jörg Nellen bedauerte, dass heuer coronabedingt keine Mittel- und Realschulen am Kreativ-Teil von "Würzburg liest ein Buch" teilgenommen hätten. Wie zum Ausgleich war zum ersten Mal eine Landkreis-Schule dabei.

 
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