Bundesweit hatten sich Autohändler im vergangenen Jahr über das Interesse an teuren Fahrzeugen gefreut: Die vermeintlichen Kunden erwiesen sich als Angehörige einer russischen Bande, die bei Probefahrten ungestört die elektronischen Daten der Fahrzeuge "auslasen" und dann einige Nächte später die Wägen vom jeweiligen Firmengelände stahlen. Die "Wegfahr-Sperre" ließ sich durch den erstellten elektronischen "Zweitschlüssel" lösen, nur das Zylinderschloss an der Fahrertür musste noch gewaltsam entfernt werden
Zwei Männer aus Russland waren jetzt am Landgericht Würzburg angeklagt - für zwei Fälle am Stadtrand von Würzburg und in Baden-Baden, die laut Kripo nur "die Spitze eines Eisbergs" gewesen waren. Die Große Strafkammer des Landgerichts verurteilte sie in dieser Woche zu Freiheitsstrafen von je vier Jahren und zwei Monaten wegen schweren Bandendiebstahls.
Der Mannes, der für die Probefahrten zuständig war, wird noch mit internationalem Haftbefehl gesucht. Er hatte sich den Ermittlern zufolge mit gefälschten Personaldokumenten aus Lettland bei den Händlern ausgewiesen.
Fahrzeuge teils über 80.000 Euro wert
Warum die beiden Angeklagten in Würzburg festgenommen worden waren? Die Polizei hatte kurz vor Weihnachten 2021 im Gewerbegebiet an der Nürnberger Straße ein abgestelltes Fahrzeug mit russischem Kennzeichen observiert und drei Männer beim Ein- und Aussteigen beobachtet. Im Kofferraum fanden die Polizisten unter anderem gefälschte russische Pkw-Kennzeichen und gefälschte Papiere für Luxus-Fahrzeuge.
Der Audi, der in Würzburg vom Betriebsgelände eines Autohändlers entwendet worden war, hatte einen Wert von 55.5o0 Euro. Ein in Baden-Baden gestohlener Luxus-Wagen gleicher Marke kostete zur Tatzeit 80.888 Euro.
Geständnisse - ohne Angaben zu den Auftraggebern
Die beiden 34 Jahre alten Angeklagten bestritten, einer Bande anzugehören. Sie seien in Deutschland auf der Suche nach legaler Arbeit gewesen. Von Landsleuten sei ihnen ein Gelegenheitsjob angeboten worden. Für jedes Fahrzeug, an dessen Diebstahl sie beteiligt waren, hatten sie offenbar 1500 Euro erhalten.
Vor Gericht gestanden sie nun nur die beiden Fälle in Würzburg und Baden-Baden - ohne Angaben zu Hintermännern und Auftraggebern zu machen. Ihre Schulden schätzten beide auf etwa 20.000 Euro. Einer der beiden Männer kündigte an, nach seiner Entlassung aus der Haft auf keinen Fall nach Russland zurückkehren zu wollen. Ohne Geständnis wären die beiden Angeklagten zu Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren verurteilt worden, sagte der Vorsitzende Richter Konrad Döpfner.
Diebstahl mit elektronischen "Zweitschlüssel": Fälle weiteten sich zur Serie aus
Aus Ermittlerkreisen gab es Kritik daran, dass die Händler nicht unmittelbar vom Lieferanten über die "Masche" mit dem Auslesen elektronischer Daten für einen "Zweitschlüssel" informiert worden waren. Die inzwischen bekannt gewordenen Fälle seien vom Ablauf her nahezu identisch gewesen. Mit einem Hinweis an die Händler hätte verhindert werden können, dass daraus bundesweit eine Serie wurde.
In vielen Fällen waren die gestohlenen Fahrzeuge den Ermittlern zufolge über Tschechien und Polen auf das Gebiet der Russischen Föderation gebracht worden. Eine in Ludwigsburg entwendete Luxus-Limousine war Polen in einer Spezialwerkstatt in Einzelteile zerlegt worden. Als Ersatzteile tauchten sie später im Fachhandel im britischen Manchester auf.
Schon witzig wie da „Vorurteile“ haarklein die Wirklichkeit abbilden.