Manchmal können banale Gründe tödliche Folgen haben: Wenn ein süchtiger Drogenhändler im Gefängnis zum x-ten Mal den Entzug abbricht. Wenn er mit jeder Faser nach Stoff giert, aber keinen kriegt. So wurde seine Wut immer größer auf einen ebenfalls einsitzenden "Kunden", der ihn an die Polizei verriet und für Jahre hinter Gitter brachte.
Schließlich will Chris V. beim Hofgang in der JVA Würzburg einen Killer engagieren – auch wenn er heute sagt, er habe damals "in geistiger Umnachtung" gehandelt. Dafür sitzt der 30-Jährige jetzt vor dem Landgericht Würzburg auf der Anklagebank – wieder einmal.
Für seinen Plan fragt Chris V. einen Mithäftling, der mit dem gleichen Großdealer Geschäfte gemacht hat wie er. Der habe angeblich Beziehungen zum berüchtigten Rockerclub "Hells Angels". Ihm traut der Angeklagte zu, einen Mörder zu finden. V. drückt ihm im November 2019 einen Zettel mit den Daten des Mordopfers in die Hand: "Der muss weg!" Er rät noch, es bei dem Süchtigen wie eine Überdosis aussehen zu lassen – und ihm dann eine Postkarte mit einem Smiley zuschicken als Zeichen dafür, dass der Verräter tot ist.
Der Kontaktmann war ein Spitzel, der die Polizei informierte
Doch schon drei Tage später widerruft der 30-Jährige den Mordbefehl. Der Kontaktmann solle die Mördersuche wieder einstellen, "das wird anders erledigt", lässt V. ausrichten. Da ist es schon zu spät. Denn der Kontaktmann war ein Spitzel, der umgehend die Polizei informiert hatte.
Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster schüttelt bei der Verhandlung verwundert den Kopf über das, was er zu hören bekommt: "Der Fall ist so kurios, der könnte glatt aus einem schlechten Krimi kommen", sagt er. Der Angeklagte, ein sanfter Mann im eleganten Anzug, hat eine lange Drogenvergangenheit: Bereits im Alter von elf Jahren probierte er Cannabis. Mit 14 Jahren konsumierte er das erste Mal Methamphetamin, mit 16 Jahren Kokain. Er hat oft den Entzug abgebrochen. In Bayreuth soll er einmal einem Junkie mit einer Pistole fast den Schädel eingeschlagen haben, um Schulden einzutreiben. Doch als bei allen Beteiligten milieutypischer Gedächtnisverlust einsetzte, wurde das Verfahren eingestellt.
Sachverständige erkennt die Handschrift
Diesmal ist Beweislast eindeutig: Eine Sachverständige vom Landeskriminalamt identifiziert die Handschrift auf einem Zettel mit Anschrift und Daten des Mordopfers als die des Angeklagten. Dieser gesteht das Mordkomplott ohne großes Zögern – und verspricht, er wolle sein Leben ändern.
Staatsanwältin Katja Richter hat nicht viel Mühe mit ihrem Plädoyer. Der halbherzige Versuch von V., den Mordauftrag zu widerrufen, sei im rechtlichen Sinn kein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch der Anstiftung zum Mord. Sie und Verteidiger Norman Jacob sind sich einig, dass vier zusätzliche Jahre Haft für die Suche nach einem Killer angemessen wären.
Verteidiger Norman Jacob regt an, die sechs Jahre wegen Drogenhandels mit der wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren zusammenzuziehen. Ganz so weit geht das Gericht nicht – obwohl es das Geständnis honoriert und auch eingesteht, dass der Fall wegen dringenderer Fälle in der Corona-Zeit lange auf sich warten ließ.
Mit dem Drogenhandel wird eine Gesamtstrafe von siebeneinhalb Jahren gebildet. Der Vorsitzende hofft, dass die Drogentherapie diesmal Erfolg hat: "Das liegt an Ihnen."
Der Angeklagte nahm das Urteil an, damit ist es bereits rechtskräftig.