Als OP-Schwester kannte Annette H. (44) typische Kennzeichen eines Herzinfarktes. Was atypische Beteiligungen oder Kommandit-Beteiligungen sind, wusste die Frau aus Bad Staffelstein nicht. Ihr Einkommen war zu klein für Geschäfte, mit denen man alles verlieren kann. „Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Frankonia-Gruppe Kunden mit kleinem Einkommen über den Tisch zog“, sagt in Bamberg Anwalt Udo Ostermann. „Sie wollte eine sichere Geldanlage zur Altersabsicherung – das wurde ihr versprochen, aber nicht gehalten.“
Bei Ostermann und Hunderten von Anwälten quer durch Deutschland suchen jetzt Kunden der insolventen Firmen der Frankonia-Gruppe Rat. Auch Maschinenschlosser Hubert L. (51) gehört zu den 25 000 Geschädigten, die 2003 in Würzburg, Bamberg oder Schweinfurt redegewandten Vermittlern im Auftrag der Frankonia-Finanzgruppe glaubten. Beide investierten in Vorläufer der CSA 4-Fonds – für ihre Rente in 21 oder 13 Jahren. Fünfstellige Anzahlung und Monatsraten von 208 oder 315 Euro sollten samt Zinsen mit 65 Jahren ausbezahlt werden.
Sie, die bei Thomas und Michael Gerull sowie Slobodan Cvetkovic investiert hatten, verfolgen fassungslos den Strafprozess gegen die drei in Würzburg. Vom sauer Ersparten der OP-Schwester und anderer kaufte sich ein Manager ein Boot für 75 000 Euro. Ein anderer leistete sich einen Maserati als Dienstwagen. Ein dritter ließ sich sein Haus bezahlen. Fünfstellige Beträge, die sich Krankenschwester und Maschinenschlosser vom Mund abgespart hatten, sind weg, die Firmen insolvent, die Verantwortlichen auf der Anklagebank.
Die Manager hatten offenbar kein gutes Händchen fürs Geldanlegen: Die Frankonia investierte bei der Systracom AG, der Körber Kunststoff AG, der Cargolifter AG und der WCM AG. Alle meldeten später Insolvenz an.
Doch Pech ist nicht das Schlimmste, was den Frankonia-Finanzberatern vorgeworfen wird. Ein Großteil der Kundengelder wurde gar nicht investiert. Den Verantwortlichen war „von Beginn an klar, dass Renditen und Gewinne niemals erwirtschaftet werden könnten“, heißt es in der Anklage.
„Die Angeklagten zogen Geld aus den Anlagegesellschaften, gewährten sich auf Kosten der Anleger Darlehen, deren Rückzahlung weder möglich noch geplant war, und zogen Anlegergelder aus den Gesellschaften“, heißt es jetzt vor Gericht.
Schon 2010 dämmerte Annette H, dass es mit der Zusatzrente nichts werden würde. Erst kamen keine Abrechnungen mehr, dann ging niemand ans Telefon, um Auskunft zu geben. Da waren schon 36 000 Euro von der Krankenschwester weg. Statt Jahre lang weiter zu zahlen, ging sie zum Anwalt. „Vor Gericht erreichten wir 2014, dass sie aussteigen konnte und 9500 Euro zurückgezahlt wurden“, sagt Anwalt Ostermann. Bedingung für den Kompromiss: Sie unterschrieb eine Schweigeklausel über die außergerichtliche Einigung.
Damals verloren Tausende das Vertrauen, kein Wunder: Die Tochterfirma Deltoton und die CSA-Fonds wiesen bis 2009 schon 150 Millionen Euro Verluste aus – für die die Anleger geradestehen mussten.
Anwälten wie Ostermann schildern Mandanten: Keiner habe ihnen gesagt, dass das Geschäftsmodell ein hohes Risiko bis zum Totalverlust bedeuten kann. „Man kann Vermittler nun wegen Falschberatung haftbar machen, wenn man sie zu fassen kriegt“, sagt der Anwalt. Dabei stellt sich aber die Frage der Verjährung. Er hat Klage eingereicht und macht nun Forderungen geltend.
Ermittler sicherten bei den Angeklagten Vermögenswerte in zweistelliger Millionenhöhe. Auch nicht angeklagte Geschäftsfreunde, die bei Frankonia mit profitierten, müssen mit Forderungen rechnen – etwa solche, die Beraterhonorar ohne nennenswerte Gegenleistung kassierten.
Insolvenzverwalter Markus Schädler ist entschlossen: „Es ist jetzt meine Aufgabe, im Sinne der Gläubiger bei den Angeklagten Schadenersatz-Forderungen geltend zu machen.“ Je nachdem, was er an Geld eintreiben kann, hoffen manche Anleger, zumindest einen Teil ihres Geldes wiederzusehen. Andere, die etwa für ihre Einmalzahlungen in der Vergangenheit schon Ausschüttungen kassiert haben, bekamen gerade Post: Sie sollen den Gewinn zurückzahlen.