Für die einen ist Homöopathienichts weiter als Hokuspokus oder zumindest eine Behandlungsmethode aus vorwissenschaftlicher Zeit. Für andere ist sie eine segensreiche Therapieform, die die moderne Medizin ergänzt oder ihr sogar vorzuziehen ist. Die Diskussion über das Für und Wider der über 200 Jahre alten Heilmethode wird meist jedenfalls sehr emotional geführt. Jetzt sollen in Bayern die Zusatzbezeichnung "Homöopathie" und sämtliche Aus- und Fortbildungen für Ärzte gestrichen werden. Das würde bedeuten, dass ein niedergelassener Arzt sich nicht mehr zusätzlich "Homöopath" nennen darf und dass keinerlei geregelte Weiterbildungen mehr angeboten würden.
Unterschiedliche Situation in einzelnen Bundesländern
So sieht es zumindest ein Antrag vor, den das Präsidium der Landesärztekammer aktuell berät und über den die Delegierten voraussichtlich beim bayerischen Ärztetag im Oktober in Hof abstimmen sollen. Einige Bundesländer wie Hessen und Rheinland-Pfalz haben der Homöopathie bereits die Anerkennung entzogen. Andere wie Baden-Württemberg und Thüringen halten dagegen an der Zusatzbezeichnung und offiziellen, geregelten Fortbildungen fest.
Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen
Die Diskussion sei im Zuge der neuen Weiterbildungsordnung in Gang gekommen, sagt Dagmar Nedbal, Leiterin der Pressestelle der Bayerischen Landesärztekammer. Angestrebt werde eine bundeseinheitliche Regelung, der Prozess der Meinungsbildung sei innerhalb der bayerischen Ärzteschaft noch nicht abgeschlossen.
Der Nürnberger Internist und Notfallmediziner Dr. Philipp Gotthardt begründet seinen Antrag, die Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung für die Ärzte in Bayern zu streichen, mit dem fehlenden Nachweis der Wirksamkeit. Bei keinem einzigen Krankheitsbild könne die Wirksamkeit der Behandlungsform klinisch relevant belegt werden, so Gotthardt. "Die Homöopathie als Gegenstand ärztlicher Weiterbildung mit der Autorität von Ärztekammern entbehrt von daher einer validen Grundlage."
Dr. Christian Potrawa, Vorsitzender des ärztlichen Bezirksverband Unterfranken, erwartet eine harte und kontroverse Diskussion beim Ärztetag: "Es gibt sowohl Hardliner als auch gute Argumente auf beiden Seiten." Der Ausgang sei offen, viele Delegierte wüssten noch gar nichts von dem Antrag, so Potrawa.
Ulf Riker spricht von einer "Anti-Homöopathie-Kampagne"
Der Vorstand des Landesverbands homöopathischer Ärzte in Bayern, Dr. Ulf Riker, spricht von einer "Anti-Homöopathie-Kampagne". Die weltweite Skeptiker-Bewegung wolle alle aus ihrer Sicht pseudowissenschaftlichen Themen eliminieren, wobei Aberglaube und Alternativmedizin in einem Atemzug genannt würden. Der Münchner Mediziner hält das auch für die Folge einer zunehmend positivistischen und an der reinen Materie ausgerichteten Weltsicht.
Die Anti-Homöopathie-Kampagne berufe sich dabei auf die evidenzbasierte Medizin, die auf wissenschaftlicher Evidenz aus Studien, den Erfahrungen der Ärzte und den Wünschen der Patienten basiere. In Sachen Homöopathie berufe man sich nur auf die wissenschaftliche Evidenz von Studien, so Riker.
Zunächst werde die Abschaffung der Zusatzbezeichnung den Patienten gar nicht auffallen, sagt die praktische Ärztin und Homöopathin Dr. Petra Paling aus Würzburg. Wenn aber die jetzige Generation der homöopathischen Ärzte in Ruhestand gehe, könnten ihre Praxen nicht weitergeführt werden. Mangels Ausbildung gebe es dann immer weniger Mediziner, die Homöopathie anbieten könnten. Homöopathie werde als therapeutische Möglichkeit zunehmend verschlossen oder nur noch von Heilpraktikern angeboten werden können, befürchtet Paling.
Paling leitet eine praktische Weiterbildungsgruppe zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Homöopathie", die von der Landesärztekammer klar geregelt ist. Im ersten Halbjahr 2021 hätten sich acht Ärzte aus Nordbayern, Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen angemeldet - doppelt so viele wie 2020. Die Würzburger Ärztin führt dies auf die drohende Eliminierung zurück, einige wollten die Ausbildung vorher noch abschließen. Wehmütig blickt sie auf frühere Zeiten zurück: Mitte der 1990er Jahre habe es allein aus Nordbayern 30 bis 40 Teilnehmer bei derartigen Kursen gegeben.
Was die Wirksamkeit der Homöopathie betrifft, verweist Paling auf eine Zusammenfassung der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie zum aktuellen Stand der Forschung. Darin werde durchaus ein therapeutischer Nutzen belegt. Doch es gebe einen Unterschied zur traditionellen Arzneimittelforschung: "Während die konventionelle Entwicklung von Medikamenten auf Forschung beruht, die sich dann der medizinischen Praxis stellen muss, ist die Homöopathie in erster Linie eine erfolgreiche medizinische Praxis, die sich der wissenschaftlichen Forschung stellen muss."
Der Würzburger Allgemeinmediziner Dr. Christian Potrawa, der als unterfränkischer Bezirksvorsitzender der Ärztekammer und Delegierter im Herbst mit abstimmen wird, ist zwiegespalten. In der Tat gebe es keine evidenzbasierten Studien zur Wirksamkeit der Homöopathie, sagt Potrawa. Aber er würde sie auch nicht als Hokuspokus abtun. Großer Vorteil sei die Zuwendung zum Patienten. Dieser wesentliche Bestandteil von Heilung komme in einer zunehmend ökonomisierten Medizin oft zu kurz.
Potrawa erwartet eine heftige Diskussion um die Frage, ob man als Ärztekammer das Feld der Homöopathie allein Heilpraktikern überlassen solle. Für die gebe es keinerlei geregelte Ausbildung, für Patienten sei das letztlich auch eine Haftungsfrage. Denn Ärzte würden, auch wenn sie homöopathisch behandelten, der ärztlichen Sorgfaltspflicht unterliegen und könnten bei Behandlungsfehlern haftbar gemacht werden.
Dr. Christian Pfeiffer, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Unterfranken, verweist auf die Zuständigkeit der Landesärztekammer in allen Ausbildungsfragen. Problem der Homöopathie sei, dass keine wissenschaftlich fundierten Studien die Wirksamkeit bestätigten, meint auch er. Aber Pfeiffer sagt auch: "Ob nun Homöopathie oder auch Osteopathie - als Hausarzt sage ich meinen Patienten immer: Jegliche Leistung, die ihnen nicht schadet, können sie gerne machen. Ob es hilft, kann ich ihnen aber nicht garantieren."
Krankenkassen können Kosten übernehmen
Natürlich müsse für die Frage der Kassenleistung und der Weiterbildung die wissenschaftliche Anerkennung immer wieder hinterfragt werden. Auf der anderen Seite hätten die Krankenkassen vom Gesetzgeber einen gewissen Spielraum, Leistungen wie freiwillige Impfungen, Osteopathie oder eben Homöopathie zu übernehmen, so der unterfränkische KV-Vorsitzende. Dem Vorstand des Landesverbands homöopathischer Ärzte in Bayern zufolge übernehmen zwei Drittel aller gesetzlichen Kassen ärztliche homöopathische Leistungen im Rahmen von Selektivverträgen.
Und die wissen nicht, was Placebo ist!
(vgl. https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/homoeopathie-wieso-es-einen-placeboeffekt-bei-tieren-gibt-a-974333.html))
(*nicht über über den Placebo-Effekt hinaus)