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Würzburg
Nach Stalking: Landgericht Würzburg verurteilt Ex-Staatsanwalt - ohne Bewährung
Am Ende ging es um Sachbeschädigung. Nach zehn Stunden Verhandlung mit etlichen Zeugen stand das Urteil fest: Ein 36-jähriger Jurist muss in Haft.
Der frühere Staatsanwalt auf dem Weg zur Anklagebank. Er hatte einer früheren Kollegin nachgestellt, Autos angezündet oder sie mit Farbe überschüttet.
Foto: Manfred Schweidler | Der frühere Staatsanwalt auf dem Weg zur Anklagebank. Er hatte einer früheren Kollegin nachgestellt, Autos angezündet oder sie mit Farbe überschüttet.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:13 Uhr

Als Ankläger hat er einst selbst harte Strafen für Verdächtige gefordert. Jetzt kam ein früher in Schweinfurt und Würzburg tätiger Staatsanwalt selbst auf die Anklagebank – wegen fragwürdiger  "Liebesbeweise": Der 36-Jährige soll einer Juristin, die im Jahr 2013 seine Gefühle nicht erwidert hatte, nicht nur nachgestellt haben. Mehrfach demolierte der Jurist deshalb laut Anklage die Autos von Menschen aus dem Umfeld seiner Bekannten. Schon zweimal stand er deshalb vor Gericht. An diesem Dienstag nun gab es im dritten Verfahren vor dem Landgericht ein Urteil ohne Bewährung. 

Taten hatten Asperger-Syndrom offenbart

Der frühere Staatsanwalt in Würzburg und Schweinfurt galt laut Zeugen privat als schwieriger Außenseiter. Erst durch die Straftaten war herausgekommen, dass er am Asperger-Syndrom leidet. Einer Erkrankung, die Betroffene zu Außenseitern macht, weil sie sich schwer tun, soziale Kontakte aufzunehmen. Schuldunfähig ist er deshalb aber nach Auffassung eines Experten nicht.

In erster Instanz hatte bereits im Dezember 2019 das Amtsgericht Würzburg den Angeklagten für schuldig befunden. Das Landgericht bot ihm nun ein mildes Urteil an, wenn er auf eine erneute langwierige Verhandlung angesichts der feststehenden Beweise verzichten würde. Doch der Jurist bestand auf einer Berufung. Für ihn sei die Anklage keineswegs bewiesen. 

Geringer Sachschaden, große Angst - und viele Zeugen in der Verhandlung

Also musste die Juristin, die mit ihm bekannt gewesen war, erneut in den Zeugenstand, außerdem ihre geschädigte Schwester, ihr Kollege, dessen Auto ebenfalls mit Farbe übergossen worden war, eine Nachbarin, die einen Mann in Frauenkleidung um das Auto hatte herumschleichen sehen, der Vater des Angeklagten und die Ermittlerin der Polizei. Zwei Gutachter referierten über die benutzte Farbe und die Psyche des Angeklagten. 

Nach zehnstündiger Verhandlung stand für die Strafkammer um die Vorsitzende Susanne Krischer fest: Der aus dem Staatsdienst ausgeschiedene Mann, der unter Betreuung seiner Eltern von seinen Ersparnissen lebt, hat das Auto eines Kanzleikollegen der Juristin mit Farbe übergossen. Außerdem den Wagen ihrer Schwester in München, deren Adresse er ausgespäht hatte.

Der Angeklagte bezichtigte Staatsanwalt und Polizei, nicht sorgfältig ermittelt zu haben. Dabei stellte er immer wieder Beweisanträge, deren Sinn sich dem Gericht nicht erschloss. Selbst mit seinem Verteidiger geriet er über die richtige Strategie so über Kreuz, dass dieser das Mandat niederlegen wollte - was dem Angeklagten aber auch nicht recht war. 

Der Vater des Angeklagten wich im Zeugenstand auch auf hartnäckige Fragen der Antwort aus, ob sein Sohn ihm gegenüber die Taten zugegeben habe. Verächtlich nannte er das Opfer "die andere Seite", die in dem Bemühen nicht nachlasse, "unsere Familie zu vernichten".

Gericht zum Angeklagten: "Sie müssen gestoppt werden"

Der Sachschaden an den Autos war gering. Das Gericht bezog in seine Entscheidung aber ein, dass die betroffene Frau durch die Nachstellungen in großer Angst war. "Wir glauben nicht, dass sie in Zukunft keine Straftaten mehr begehen werden", machte das Gericht dem Angeklagten am Ende deutlich. "Sie müssen gestoppt werden." Bei der Durchsuchung seiner Wohnung waren unter seinem Bett ein Kampfmesser und eine Knochensäge gefunden worden.

Verteidiger Hanjo Schrepfer hatte dafür plädiert, dem Angeklagten nun die richtige Therapie zu ermöglichen, statt ihn in Haft zu nehmen. Er wies auf das Risiko eines Suizids bei einer Haftstrafe hin - und auf mögliche Folgen für seinen Mandanten, wenn andere Häftlinge dessen beruflichen Hintergrund erfahren würden.   

Richterin: "Tragisch, was Sie aus Ihrem Leben gemacht haben"

Aber das Gericht schloss sich der Auffassung von Oberstaatsanwalt Armin Zuber an und verurteilte den früheren Staatsanwalt zu einer Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung. Das bringt ihn bei Widerruf einer Vorstrafe (für Brandstiftung an weiteren Autos) zwei Jahre ins Gefängnis. "Es ist tragisch, was Sie aus Ihrem Leben gemacht haben", sagte die Vorsitzende. Und mit Blick auf Aussagen des Vaters im Zeugenstand: "Sie haben offenbar auch in Ihrem Elternhaus nicht die Unterstützung gehabt, die Ihnen die Augen geöffnet hätte."

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

 
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  • B. F.
    eine Therapie für den Messerstecher??? Unfassbar, wie viele Chancen hatte er denn schon??? Suizid gefährdet.....interessiert das jemanden, wie viele Menschen im Land suizidgefährdet sind, aber keine Mörder sind???
    Ist deshalb Deutschland so beliebt, bei den Einwanderern, weil man sich hier so richtig austoben kann, ohne dass man eingesperrt wird, bzw. schnell wieder auf freiem Fuß ist???
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  • J. B.
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  • A. B.
    Es wundert immer wieder, wie man aus den wenigen Zeilen eines Zeitungsartikels so viel heraus lesen kann, dass man ein zweites..drittes...viertes Urteil zu fällen vermag.
    Das Einzige, was man dazu sagen kann: menschliches Scheitern ist immer eine Tragödie und zwar für jeden der Beteiligten.
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  • B. F.
    genau........jede Straftat, egal welcher Art ist natürlich "menschliches Versagen", hoffentlich trifft es Sie nicht irgendwann, ob sie dann auch noch diesen Schwachsinn von sich geben??
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  • W. B.
    Abgesehen davon, dass es sich um verwerfliche Taten handelt, vermisse ich hier die sonst immer offenbarte Diskretion. Bei Menschen mit nicht weißer Hautfarbe, Migrationshintergrund und sonstigen Berufen ist diese überdimensioniert. Selbst bei Fahndungsaufrufen ist die Zurückhaltung sehr groß. Warum kommt der Polizist, Staatsanwalt, Richter oder sonstige Staatsdiener groß in die Überschrift?
    Das ist m.E. auch Diskriminierung!
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  • H. G.
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  • U. S.
    ich frage mich wie so jemand überhaupt JEMALS Staatsanwalt werden konnte? Hallo? Es kann mir keiner erzählen, dass dieser Mann früher ganz normale soziale Fähigkeiten hatte....
    Offensichtlicher ist wohl eher, dass bei der Einstellung nach Sozialkompetenz nie - auch nur im Ansatz - gefragt wurde.
    Den Aspekt könnte man mal überdenken...
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  • H. S.
    "Verteidiger Hanjo Schrepfer hatte zwar dafür plädiert, dem Angeklagten nun die richtige Therapie zu ermöglichen, statt ihn einzusperren. Er wies auf das Risiko eines Suizids bei einer Haftstrafe hin - und auf die Gefahr, wenn andere Häftlinge erfahren, welchem Beruf der neue Mitinsasse früher nachging."

    Alle sind gleich...nur manche eben gleicher.....
    War ja klar, dass Herr Schröpfer wieder Freispruch für sein Mandant will...wie kann man so unmoralisch und gewissenlos sein?
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  • U. L.
    Sie verkennen völlig die Pflichten und Aufgaben von Strafverteidigern.

    Leseempfehlung: "Die Würde des Menschen ist antastbar" von Ferdinand von Schirach. Vielleicht geht Ihnen dann ein Licht auf.
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  • H. S.
    @vob…..klar macht der Strafverteidiger seinen Job, aber Mann muss nicht jede Gesetzeslücke ausnutzen, Gesetze biegen und beugen um überführte Straftäter vor der Gerechten Strafe zu schützen. Hier in diesem Fall nicht ganz so gravierend, wie er es sonst gerne tut. Ich frage mich, was hat man davon wenn man Verbrecher so verteidigt, dass sie am Ende noch straffrei davon kommen….. ich könnte nicht mehr in den Spiegel sehen. Warten wir mal das Possenspiel mit dem Messerjocke von Würzburg ab….
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  • J. S.
    Nur so viel zum Anwalt! Hat er was erreicht? Nichts! Zwei Jahre hat sein Mandant aufgebrummt bekommen. Das "Star" vor Staranwalt und -Ex-Star-Staatsanwalt hat keinem was genutzt. Der einzige und wirkliche Star war die Richterin. "Die hat´s denen gezeigt!" Und den Ex-Starstaatsanwalt verknackt! Zu recht und echt! Geschieht nicht alle Tage.
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  • S. W.
    Ein Polizist macht unerlaubt und versteckt intime Nacktaufnahmen von Kolleginnen und Freundin. Er hat über 300 Bilder und 74 Videos von missbrauchten Kindern und bekommt ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung.
    Der Staatsanwalt übergießt Autos mit Farbe ohne nennenswerten Schaden. Für das und Stalking bekommt er zwei Jahre ohne Bewährung.
    Ist das Leid der gefilmten Frauen und missbrauchten Kindern weniger strafbar? Sind Autos mehr "wert"?
    Manche Urteile sind im Vergleich für den Laien nur schwer nachvollziehbar.
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  • M. S.
    Mir tut die Frau leid!

    Jemand der wissentlich seine ganze berufliche Karriere in den Sand gesetzt hat wegen solch einer "Frauengeschichte", dem ist alle zuzutrauen. Irgendwann kommt diese Personen auch wieder aus dem Knast raus. Stalking ist keine Kleinigkeit! Jeder der jemanden kennt, der davon betroffen ist wird das bestätigen können. Und oft ist es auch mit einer Strafe nicht vorbei!

    Der Mann muss dringend therapiert werden!
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  • A. F.
    Nur muss man damit rechnen, dass der Verurteilte nach seiner Haftentlassung, sollte er mit dem Stalking weiter machen, mitunter anders agiert, nämlich so, dass er sich juristisch "noch" im Rahmen bewegt.

    Immerhin hat er Jura studiert und er weis, wie weit er (in Zukunft) gehen kann und wie weit nicht.

    Aber dass gibt es auch nicht alle Tage:

    Ein Ex-Staatsanwalt, der selbst als Angeklagter vor dem Richter sitzt ...
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  • D. K.
    Da kann er nur hoffen, dass er in der JVA nicht auf "alte Bekannte" trifft...
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  • H. B.
    Ich fände so konsequente Urteile auch bei Sexual- oder Missbrauchsdelikten sehr angebracht. Nicht nur bei ehemaligen Staatsdienern…..
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  • G. B.
    Missbrauch? Sexualdelikt?
    @haba2908 - Sie haben zwar Recht....aber hier liegt beides nichtvor.
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  • J. S.
    Vor dem Gesetz sind alle gleich, sagt und liest man. Aber bei Gesetzesprofi, wie bei vielen Beamtenberufen sieht das anders aus. Sie müssen Vorbilder sein. Das wissen die Beamten ganz genau. Deshalb können sie mehrfach betraft werden, härteres Urteil, weniger Bewährung und sogar Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nach Strafurteil und Disziplinarverfahren. Das ist okay so! Denn diese Beamten haben einen Diensteid geleistet.
    Der Staatsanwalt hatte sich selber - mehrfach - ins Aus gestellt. Was hatte er sich dabei gedacht? Nichts! Er handelte aus niederen Beweggründen. Jetzt hat er zwei Jahre Zeit zum Nachdenken. Das Urteil ist hart aber fair. Er war verbeamteter Staatsanwalt. Sein Glück und sein "Pech!". Und ein Gentleman war er auch nicht.
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