Die Diakonie Bayern hat daher in diesem Jahr den Schwerpunkt ihres Spendenaufrufes zur Frühjahrssammlung vom 28. März bis 3. April auf die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA) gelegt und macht auf das Thema "Verdeckte Armut" aufmerksam bei einem Infostand am 1. April am Sternplatz in Würzburg. Folgender Text ist einer Pressemitteilung des Diakonisches Werk des Evang.-Luth. Dekanatsbezirks Würzburg entnommen:
„Wenn die anderen Kinder in der schulischen Mittagsbetreuung ihre warme Mahlzeit einnehmen, muss mein Kind zuschauen“, berichtet Andrea Dehler von Familien in der Diakonie-Sozialberatungsstelle. „Und das ist kein Einzelfall“. Warum das geschieht und wie aufwändig es ist, hier gegenzusteuern, davon wissen die Berater:innen in der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA) einiges zu berichten. Mit Zahlen und Fakten, mit Rückmeldungen von Betroffenen, aber auch mit einem Glücksrad und einer Spaßspendentrommel wollen sie am 1. April den ganzen Tag am Sternplatz auf verdeckte Armut aufmerksam machen. Diese betrifft bei Weitem nicht nur Obdachlose und Langzeiterwerbslose. Sie plagt auch Rentner, Frauen, Familien mit Kindern und Erwerbstätige im Niedriglohnsegment.
Oft hangeln sich Klienten von Job zu Job
Der Schuh drückt an vielen Stellen. Nicht immer fehlt es dabei an einer grundsätzlichen Leistungsberechtigung, in vielen Fällen gibt es Anrechte auf finanzielle Hilfen. Doch bis sie greifen, kann es zu lange dauern für die nächste Miete, die Stromrechnung oder auch nur das Pausenbrot für die Kinder. „Wir haben Klienten, die uns ganz offen sagen, dass sie ihr Kind schon in der Schule ,krank' gemeldet haben, weil sie ihm nichts zu essen mitgeben konnten“, so Andrea Dehler aus der KASA.
Was begünstigt solche Vorkommnisse? Schwierig ist es vor allem für Menschen, die kein regelmäßiges Einkommen haben, sondern sich von Job zu Job hangeln müssen oder im Rahmen einer Beschäftigung mal über dem Arbeitslosengeld II-Satz und mal darunterliegen. Dann muss ständig neu beantragt, neu nachgewiesen und neu berechnet werden. Zwar gebe es Pauschbeträge, aber nicht selten komme es nach Monaten zu erheblichen Rückzahlungsverpflichtungen, die dann aber mit einem kärglichen Einkommen nicht mehr bedient werden können oder irgendwann auch gar nicht mehr überblickt werden. Dazu braucht es keine Sprachschwierigkeiten, es passiert schnell.
Schwierigkeiten mit behördlichen Unterlagen
Ähnliche Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn vorgelegte Unterlagen vor der eigentlichen Bearbeitung erst außerhalb des Behördenortes in Scanzentren digitalisiert werden. Wenn Antragsteller Originale abgegeben haben, kommen sie an diese kaum mehr heran, da zum Beispiel ein Jobcenter – anders als etwa ein Finanzamt – Originale in aller Regel nicht zurückgeschickt. Zwar werden Antragsteller darauf hingewiesen, dass oder in welchen Fällen Kopien ausreichen. „Leider haben aber nicht alle die Möglichkeit zu kopieren; manche denken auch, die Behörde habe ja das Original auf jeden Fall noch“, berichtet Dehler.
Es sind viele kleinteilige Dinge, die am Ende dazu führen, dass Hilfen nicht rechtzeitig oder gar nicht fließen. Ein großer Hemmschuh für Vieles liegt aber immer wieder darin, dass es anstelle von persönlichen Ansprechpartnern in weiten Bereichen nur noch „Ihr Serviceteam“ gebe. Dadurch verwischen Verantwortlichkeiten in der Bearbeitung.
„Außenstehende wie wir als Beratungspersonen oder auch die Antragstellenden selbst kommen dadurch immer weniger zu greifbaren Aussagen, was als nächstes an wen zu geben sei und wann es weitergehe. Dies zermürbt auf Dauer und lässt manchen resignieren“, weiß auch Cathrin Holland von der Beratungsstelle. Dinge blieben dann auch bei den Klienten selbst „bis es nicht mehr geht“ liegen, in der Zwischenzeit veralteten dann Gehaltsnachweise und Kontoauszüge, so gehe die Sache dann immer wieder von vorne los, ein Teufelskreis.
Coorna-Pandemie hat tiefe Spuren hinterlassen
Obendrein hat die Corona-Pandemie tiefe Spuren hinterlassen. Nach Feststellungen der Diakonie Bayern zur diesjährigen Frühjahrssammlung haben Vereinsamung, Ängste und Verunsicherung bis hin zu sozialer Isolation spürbar zugenommen. Auch gesundheitliche Folgen wie Essstörungen, Mediensucht und psychische Erkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen träten vermehrt auf. Hinzu kämen in allen Bevölkerungsgruppen immer mehr Menschen, die unter der Krankheit „Long-Covid“ leiden. Dies mache auch vor Menschen in prekären Lebenslagen nicht Halt und verschlimmere deren Lebenssituation. Es gelte daher, ein Hoffnungszeichen zu setzen und ein würdevolles Leben durch soziale Teilhabe zu ermöglichen.
Der Stand am 1. April am Sternplatz soll laut Dehler informieren aber auch zeigen, „dass es Wege aus der Spirale der Resignation gebe: Professionelle Hilfe und die Solidarität von uns allen!“