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HÖCHBERG
Verbrannt, aber nicht vergessen
Feuersprüche: Rolf Ebert beim Vortragen mit Musikbegleitung von Peter Schäbler.
Foto: Matthias Ernst | Feuersprüche: Rolf Ebert beim Vortragen mit Musikbegleitung von Peter Schäbler.
Von unserem Mitarbeiter Matthias Ernst
 |  aktualisiert: 12.05.2013 14:50 Uhr

Am 10. Mai 1933 fand in vielen deutschen Städten die von den Nationalsozialisten initiierte Bücherverbrennung statt. Es wurden die Bücher von 131 Autoren öffentlich verbrannt, so auch auf dem Residenzplatz in Würzburg. Aus diesem Anlass veranstaltete die Höchberger Gemeindebibliothek einen Gedenkabend mit Werken der damals verbotenen Künstler.

Bürgermeister Peter Stichler nannte die Veranstaltung ein deutliches Zeichen für Demokratie und Toleranz. Gut 100 Menschen waren gekommen, sei es aus Neugier, sei es aus Verantwortungsbewusstsein, sei es aus Wissen. Bibliotheksleiterin Martha Maucher hatte eine reiche und abwechslungsreiche Auswahl an Autoren getroffen.

Auszüge aus ihren Werken, vorgetragen von Angelika Waltinger, Sarah Braunreuter, Rolf Ebert und Gunter Schunk, wechselten sich mit Lebensläufen, historischen Begebenheiten und musikalischer Untermalung durch die Gitarrenmusik von Peter Schäbler ab. So wirkten Wort und Musik und ließen eine außergewöhnliche Stimmung entstehen. Sie schwankte zwischen tiefer Trauer und Betroffenheit bis hin zu fröhlichem Lachen.

Dies zeigte auch die Vielfalt der Literatur, die von den Nationalsozialisten als undeutsch verdammt worden war. Mit den ersten Feuersprüchen des nationaldeutschen Studentenbundes: ich übergebe den Flammen die Werke von. . . zog echtes Gänsehautgefühl im Dachgeschoss der Bibliothek ein. Mit dazu trug sicher auch die Vortragsweise von Gunter Schunk und Rolf Ebert bei, die von leiser Gitarrenmusik begleitet wurde.

Es wurden Werke von Erich Kästner, der bei der Verbrennung am heutigen Bebelplatz in Berlin dabei war und auch danach in Deutschland blieb, Heinrich Walfisch, der in einem französischen Internierungslager war und das autobiografische Werk „Wir haben in Gurs Theater gespielt“ verfasste, Kurt Tucholsky, der im schwedischen Exil an der Trennung von der Heimat zerbrach, Bertolt Brecht, der seine bekanntesten Werke im Exil schrieb, Oskar Maria Graf, der durch seine öffentlichen Bekenntnisse zum Pazifismus zu der zweifelhaften Ehre einer Sonderverbrennung seiner Werke kam, Mascha Kaléko, heute als wichtigste Lyrikerin des 20. Jahrhunderts verehrt, Hans Sahl, der nach der Rückkehr aus dem Exil in Deutschland nie mehr Fuß fassen konnte, Leonhard Frank, jedem Würzburger ein Begriff, Heinrich Vogeler, der nach Russland floh und nach dem Einmarsch der deutschen Armee nach Kasachstan zwangsumgesiedelt wurde, wo er 1942 starb, Stefan Zweig, der in seiner Exilheimat Brasilien Selbstmord verübte, und Franz Werfel, der trotz aller Niedergeschlagenheit fröhliche und Mut machende Gedichte verfasste.

Damit wurde nur ein kleiner Teil der verbotenen Schriftsteller abgedeckt, doch Martha Maucher empfand den Gedenktag auch als einen Grund zur Freude, denn durch die Veranstaltungen werden die Werke der vergessenen oder noch bekannten Künstler wieder neu entdeckt. Sie seien auch heute noch hochaktuell und gehörten zu Deutschland einfach dazu. Mit einem Gedicht von Mascha Kaléko und dem Schlusssatz „ich freue mich, dass ich mich freue“ gab es noch ein versöhnliches Ende dieser Gedenkveranstaltung gegen das Vergessen.

 
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