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Würzburg
Urteil mit zwölf Jahren Verspätung: Angeklagter war Polizisten 2010 am ersten Prozesstag entwischt und geflohen
Prozess mit langer Unterbrechung: Ein mutmaßlicher Bandendieb, der 2010 in einer Verhandlungspause entkam, stand nun in Würzburg erneut vor Gericht. In Fußfesseln.
Sprach jetzt am Landgericht Würzburg das Urteil gegen einen mutmaßlichen Serieneinbrecher: Richter Konrad Döpfner.
Foto: Thomas Obermeier (Archivbild) | Sprach jetzt am Landgericht Würzburg das Urteil gegen einen mutmaßlichen Serieneinbrecher: Richter Konrad Döpfner.
Franz Barthel
 |  aktualisiert: 09.02.2024 09:03 Uhr

Skurrile Fortsetzung der Verhandlung: Ein mutmaßlicher Bandendieb war am ersten Tag vor Gericht in der Mittagspause geflohen - und jahrelang in Frankreich untergetaucht.

Die Flucht aus einem Gefängnis oder einem Gericht wird, und wenn sie noch so spektakulär war, nicht bestraft: Daher hat eine Große Strafkammer des Landgerichts Würzburg einen Angeklagten jetzt "nur" wegen zahlreicher Wohnungseinbrüche und Diebstähle zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Nach mehr als 13 Jahren. 

Im Dezember 2010 hatte der Mann aus Osteuropa bereits in Würzburg vor Gericht gestanden. Doch am ersten Verhandlungstag war er entkommen - aus einem besonders gesicherten Transportfahrzeug der Polizei, in der Mittagspause. Die Beamten hatten ihn zum Tanken auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei in Würzburg mitgenommen.

Wie er das damals gemacht hatte, wollte der Vorsitzende Richter Konrad Döpfner jetzt wissen. Nach dem Tanken, so der heute 33-Jährige, seien die beiden Beamten weggegangen, er vermute, "in die Kantine zum Mittagessen". Die Gelegenheit habe er genutzt und sich abgesetzt.

Flucht nach Italien - und Jahre später wieder im Gericht mit Fußfesseln

Ob die Sicherung der Fahrzeug-Türen nicht eingeschaltet war oder ob er - was nach der Fluch diskutiert worden war - mit einem Stück Draht vom Gurt seiner Handfesseln den Sicherungsmechanismus geknackt hatte, dazu sagte der Angeklagte nichts. Auch nicht, wie er 2010 ohne Papiere und Geld nach Italien gekommen war. Die Fortsetzung der Verhandlung jetzt, nach mehr als zwölf Jahren, fand jedenfalls unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Fußfesseln wurden dem Angeklagten im Gerichtssaal nicht abgenommen.

Pensionierter Kriminalpolizist sagt als Zeuge über einen seinen größten Fälle aus

Obwohl international zur Festnahme ausgeschrieben, war der Mann erst 2018 in Frankreich festgenommen worden und nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe dort an die deutschen Behörden ausgeliefert worden. Obwohl die angeklagten Einbrüche im Großraum Würzburg, Kitzingen, Ochsenfurt und Main-Spessart lange zurückliegen, konnte das Gericht den Fall jetzt zügig durchziehen: mit den Akten aus dem Prozess gegen einen 2011 zu acht Jahre Haft verurteilten Mittäter, dem Geständnis des Angeklagten - und den Aussagen des damaligen Sachbearbeiters bei der Würzburger Kriminalpolizei. Der frühere Kommissar, seit zwölf Jahren im Ruhestand, war als Zeuge geladen und hatte  selbst Einzelheiten von einem seiner größten Fälle noch im Gedächtnis.

Chaos und Verwüstung an den Tatorten hinterlassen

Die Blitz-Einbrüche im Oktober und November 2009 hatten überwiegend in der Dämmerung stattgefunden. Und an allen Tatorten, meist Büros, hatte die Bande Chaos und Verwüstung hinterlassen - "weil es schnell gehen musste", so der frühere Kripo-Mann im Zeugenstand. Die Einbrecher hatten alles mitgenommen, was sich zu Geld machen ließ: vom Akku-Schrauber oder Blutdruckmessgerät über Fernseher, Laptop oder Schmuck bis zu Tiefkühlgerichten bei einem Großhändler in Himmelstadt. Wo sie Autoschlüssel fanden, suchten sie nach dem dazu gehörenden Fahrzeug: In Ochsenfurt war das unter anderem ein Porsche.

Ein gestohlenes Handy hatte die Täter "verraten"

Aufgeflogen waren die Einbrecher durch Leichtsinn: Im Landkreis Würzburg hatten sie dem pensionieren Polizisten zufolge bei einem Steuerberater einen kleinen Rucksack gestohlen und dabei ein eingeschaltetes Handy übersehen. Mit damals großem technischen Aufwand konnten die Ermittler die Unterkunft der Einbrecher orten: Sie hatten sich, als Geschäftsleute getarnt, bei Würzburg eine Wohnung gemietet. Der Wert ihrer Beute wurde auf mindestens 180.000 Euro geschätzt, der Sachschaden auf mindestens 60.000 Euro.

Nicht gereicht hat die Beweisaufnahme, um beim Urteil, wie ursprünglich angeklagt, von schwerem Bandendiebstahl auszugehen: Dazu fehlten Namen von Mittätern.

 
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