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Würzburg/München
Unterfranken benachteiligt: Grüne wollen das Wahlrecht in Bayern fairer machen
Für einen Sitz im Landtag brauchten die Kandidaten aus Unterfranken bei der Wahl 2018 ein Viertel mehr Stimmen als Kandidaten aus Niederbayern. Was die Opposition unternimmt.
Der bayerische Landtag zählt aktuell 205 Abgeordnete statt wie geplant 180. Die 25 Überhang- und Ausgleichsmandate gingen an Politikerinnen und Politiker aus ganz Bayern, nur nicht aus Unterfranken. 
Foto: Matthias Balk, dpa | Der bayerische Landtag zählt aktuell 205 Abgeordnete statt wie geplant 180. Die 25 Überhang- und Ausgleichsmandate gingen an Politikerinnen und Politiker aus ganz Bayern, nur nicht aus Unterfranken. 
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:04 Uhr

Die Opposition im Bayerischen Landtag will das Wahlrecht für die nächsten Landtagswahlen  "fairer" gestalten. Diskutiert werden unter anderem eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, eine Reduzierung der Stimmkreise sowie Veränderungen am Verfahren zur Berechnung von Ausgleichsmandaten. Gemeinsam mit SPD und FDP habe man jetzt im Rechtsausschuss eine Sachverständigenanhörung zur "Verbesserung des Landtagswahlverfahrens" durchgesetzt, sagt der Rechtsexperte der Grünen, Toni Schuberl.

25 Überhang- und Ausgleichsmandate 

Aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten zählt der Bayerische Landtag seit der Wahl im Herbst 2018 insgesamt 205 statt der gesetzlich vorgeschrieben 180 Sitze. Die 25 zusätzlichen Abgeordneten kommen aus ganz Bayern, nur nicht aus Unterfranken. Entsprechend hat sich das Stimmgewicht verschoben: Um ein Mandat zu erringen, mussten unterfränkische Kandidatinnen und Kandidaten im Schnitt 70 000 Stimmen gewinnen, das sind rund 25 Prozent mehr als beispielsweise in Niederbayern, wo pro Sitz nur 56 000 Stimmen erforderlich waren. Betrachtet man einzelne Parteien, sind die Unterschiede noch größer: Während die FDP in Schwaben 88 000 Stimmen für ein Mandat benötigte, reichten für die SPD in Niederbayern knapp 41 000 Stimmen.

Eine Popularklage gegen die Regelungen des Landtagswahlrechts, die für diese vermeintliche Benachteiligung Unterfrankens verantwortlich sind, war Anfang dieses Jahres gescheitert. Die Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof sahen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit. Die Verteilung von Überhang- und Ausgleichsmandaten, jeweils auf Bezirksebene, sei mit der Verfassung kompatibel. Es sei im Übrigen nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, "Überlegungen für die Perfektionierung des Landeswahlrechts anzustellen". 

Grüne: Wahlrecht schwächt ländlichen Raum 

Die Grünen, die die Popularklage maßgeblich getragen hatten, sehen nun den Gesetzgeber gefordert - und sind sich dabei mit FDP und SPD in vielen Punkten einig. Eine Möglichkeit, den Zuwachs bei Überhang- und Ausgleichsmandaten einzudämmen, wäre die Reduzierung der derzeit 91 Stimmkreise. Ein Lösungsvorschlag, gegen den sich vor allem die CSU wehrt, schließlich gehören ihr fast alle direkt gewählten Volkvertreterinnen und -vertreter in Bayern an. Zudem beklagt die Opposition die unterschiedliche Größe der Stimmkreise im Freistaat. "Das schwächt tendenziell den ländlichen Raum", so Schuberl. 

Die Sachverständigen-Anhörung, die im März 2022 geplant ist, soll aufzeigen, welche Veränderungen am Wahlrecht denkbar sind - und welche Konsequenzen sie auf die Sitzverteilung hätten. Anhand der Erkenntnisse wollen die Grünen dann einen Vorschlag zu einer Wahlrechtsreform im Landtag einbringen. Rechtsexperte Schuberl sagt: "Wir müssen ein faires Verfahren entwickeln, unabhängig von Einzelinteressen der Parteien." 

 
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    Machen wir es doch wie all unsere Nachbarn, nur noch Direktmandate und schon ist das Problem gelöst. Können ja pro Wahlkreis 2 Mandate sein, hätten dann keine weiteren Überhangmandate und alles wäre gut. Der Wähler kann dann bestimmten wer in Bundes oder Landtag einzieht, die Mauschelrei in den Hinterzimmer der Parteien wäre dann vorbei!
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  • D. E.
    Das das nicht funktioniert, sieht man sehr eindrucksvoll in Amerika

    https://www.sueddeutsche.de/wissen/usa-demokratie-wahlforschung-1.3845180

    Man überlässt dem politischen Gegner einige Bezirke, in denen dieser mit überwältigender Mehrheit siegt, mit 70, 80 oder mehr als 90 Prozent der Stimmen. Gleichzeitig sorgt man dafür, dass die eigene Partei in möglichst vielen weiteren Bezirken mit knapper Mehrheit gewinnt. Im Extremfall kann es dann sein, dass der politische Gegner den "popular vote" gewinnt, also die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen im gesamten Wahlgebiet, aber weniger Abgeordnete ins Parlament entsenden darf.
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  • H. S.
    Die einfachste und billigste Lösung wäre 1 Abgeordneter je Wahlkreis.
    Wer von den Wählern die meisten Stimmen bekommt vertritt den Wahlkreis, macht er gute Arbeit -für den Wahlkreis- wird er wiedergewählt, wenn nicht fliegt er raus.
    Jetzt wählen viele mit der Erststimme den Kandidaten den sie schätzen, die Zweitstimme bekommt eine andere Partei und damit oft jemand ins Parlament der sich durch Parteiarbeit "hochgedient" hat.
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  • L. W.
    @ rasputin

    Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben aus gutem Grund ein Verhältniswahlrecht in Deutschland gewollt.

    Nach Ihrem Vorschlag kann eine Partei mit relativ wenigen Prozent alle Mandate einstecken. Dann wäre die Mehrheit im Parlament nicht repräsentiert.

    Meiner Meinung nach geht das gar nicht.
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    Wenn eine Partei nicht in der Lage ist auch nur 1 Direktmandat zu gewinnen hat sie im Parlament nichts verloren! Die Parteien wären dann gezwungen fähige Leute auf zu stellen, Parteisoldaten gehen dann eben leer aus!
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  • L. W.
    @ kluespies

    Das sehe ich anders. Nach Ihrer Definition wäre die FDP schon vor Jahrzehnten untergegangen und damit hätte die deutsche Demokratie einen ganz anderen (negativen) Verlauf genommen.

    Die Partei mit fast allen durchgesetzten Direktkandidaren in Bayern hätte ohne Opposition seit Jahrzehnten machen können was sie will.

    Wäre das gut gewesen: FJS ohne Opposition? Ich glaube nicht.
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