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Würzburg
Unerfüllter Kinderwunsch: Was Paare tun können und wie eine Behandlung an der Uniklinik Würzburg aussieht
In Deutschland hat inzwischen jedes sechste Paar Schwierigkeiten, Kinder zu bekommen. Was tun? Das sagen die Verantwortlichen am Kinderwunschzentrum der Uni-Frauenklinik.
Dr. Michael Schwab und Dr. Claudia Staib behandeln am Kinderwunschzentrum der Uniklinik in Würzburg Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.
Foto: Silvia Gralla | Dr. Michael Schwab und Dr. Claudia Staib behandeln am Kinderwunschzentrum der Uniklinik in Würzburg Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:25 Uhr

Bei etwa jedem sechsten Paar in Deutschland bleibt der Kinderwunsch ohne medizinische Hilfe unerfüllt. Und die Tendenz ist steigend, die Fälle von unterfülltem Kinderwunsch nehmen zu. Allein am Uniklinikum Würzburg werden jährlich 750 Patientinnen und Patienten behandelt. 

Wer kommt für eine Kinderwunschbehandlung infrage? Wie hoch sind die Kosten? Wie verläuft die Behandlung? Antworten geben Dr. Michael Schwab, der Ärztliche Leiter des Kinderwunschzentrums an der Uni-Frauenklinik, und Laborleiterin Dr. Claudia Staib.

Frage: Warum sind immer mehr Paare, die Kinder haben möchten, auf medizinische Hilfe angewiesen?

Dr. Michael Schwab: Das Alter spielt eine entscheidende Rolle, da sowohl Frauen als auch Männer heutzutage immer später im Leben ihr erstes Kind bekommen. Viele Paare beginnen erst mit Ende 30 mit der Familienplanung. Bei einem Erstgespräch für eine Kinderwunschbehandlung liegt das Durchschnittsalter der Patientinnen oft bei über 36 Jahren.

Warum ist es so schwierig, wenn man sich erst spät für ein Kind entscheidet?

Schwab: Mit zunehmendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft und Geburt deutlich ab. Bei Männern wiederum lässt mit steigendem Alter die Qualität der Spermien nach. In einigen Fällen sind zu wenige Spermien im Ejakulat vorhanden, entweder aufgrund einer beeinträchtigten Produktion oder eines unzureichenden Transports der Samenzellen.

Liegt die Unfruchtbarkeit eher an den Frauen oder an den Männern?

Schwab: Die Ursachen können beim Mann oder der Frau liegen – aber auch bei beiden. Es lässt sich jedoch klar feststellen, dass die Qualität der Spermien bei Männern abnimmt. Eine aktuelle Studie aus Israel zeigt auch, dass die Spermienkonzentration in den letzten 50 Jahren um mehr als die Hälfte gesunken ist. Die genauen Ursachen dafür sind noch nicht bekannt.

Laborleiterin Dr. Claudia Staib und Mediziner Dr. Michael Schwab beobachten die Entwicklung einer befruchteten Eizelle im speziellen 'Time Laps Inkubator'.
Foto: Silvia Gralla | Laborleiterin Dr. Claudia Staib und Mediziner Dr. Michael Schwab beobachten die Entwicklung einer befruchteten Eizelle im speziellen "Time Laps Inkubator".
Was sind die Gründe für Unfruchtbarkeit bei Frauen?

Schwab: Es gibt viele Gründe: Dazu zählen überstandene onkologische Erkrankungen oder das fortschreitende Lebensalter. Besonders herausfordernd gestaltet sich eine Schwangerschaft bei Endometriose. Bei dieser Erkrankung wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, an ungewöhnlichen Stellen im Körper. Das Gewebe blutet monatlich ähnlich wie die Gebärmutterschleimhaut und verursacht starke Schmerzen. Oftmals führt diese Erkrankung zu Unfruchtbarkeit. Eine Operation oder eine medikamentöse Behandlung können hier helfen.

Welche Behandlungen bei unerfülltem Kinderwunsch machen Sie an der Uniklinik?

Schwab:  In der Regel beginnen wir mit Hormonbehandlungen bei der Frau, um die Reifung der Eizellen zu stimulieren. Wenn die Spermienqualität nicht stark beeinträchtigt ist, kann man eine Samenübertragung erwägen. Dabei werden aufbereitete Spermien kurz vor dem Eisprung in die Gebärmutter eingeführt, um eine natürliche Befruchtung zu ermöglichen. In einigen Fällen ist jedoch eine künstliche Befruchtung die einzige Option.

Wie funktioniert eine künstliche Befruchtung?

Schwab: Bei einer In-vitro-Fertilisation werden Eizellen der Frau entnommen und im Labor mit Spermien des Partners oder eines Spenders befruchtet. Die befruchtete Eizelle durchläuft die ersten Teilungsschritte im Labor und wird nach drei bis fünf Tagen in die Gebärmutter übertragen. Bei der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion wird ein einzelnes Spermium mithilfe einer feinen Nadel in die Eizelle eingeführt. Diese Methode wird angewendet, wenn die Qualität der Spermien eher schlecht ist. Der Embryo wird anschließend in die Gebärmutter übertragen.

Was passiert im Labor des Kinderwunschzentrums?

Dr. Claudia Staib: Unsere Aufgabe besteht darin, Spermien, Eizellen und Embryonen in Bezug auf ihr Entwicklungspotenzial zu bewahren, zu unterstützen und zu fördern. Wir gehören zu den wenigen Kliniken in Bayern, die einen speziellen "Time Lapse Inkubator" verwenden. Dort werden die befruchteten Eizellen direkt nach der Befruchtung aufbewahrt. Dank einer Videoüberwachung ist eine schonende Kontrolle möglich, ohne dass die Eizellen aus dem Inkubator entnommen werden müssen.

Dr. Michael Schwab und Dr. Claudia Staib vom Kinderwunschzentrum der Uniklinik in Würzburg. 
Foto: Silvia Gralla | Dr. Michael Schwab und Dr. Claudia Staib vom Kinderwunschzentrum der Uniklinik in Würzburg. 
Was sind die Vorteile dieses Time Lapse Inkubators?

Staib: Damit ist es möglich, den Verlauf der Entwicklungsphasen im Detail zu beobachten und die Qualität der Embryonen präziser zu beurteilen. Die Embryonen fühlen sich wohler, wenn sie selten oder gar nicht aus dem Inkubator herausgenommen werden. Bei der herkömmlichen Beobachtung werden die sich entwickelnden Embryonen in der Regel einmal täglich dem Brutschrank entnommen und unter dem Mikroskop betrachtet. 

Wie viel kostet eine künstliche Befruchtung?

Schwab: Die Kosten für einen In-vitro-Fertilisations-Zyklus belaufen sich auf etwa 1500 Euro pro Behandlungszyklus. Zusätzlich fallen Kosten für die benötigten Medikamente an. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen 50 Prozent der Kosten für drei Behandlungen, vorausgesetzt, das Paar ist verheiratet, die Frau ist zwischen 25 und 40 Jahre alt und der Mann zwischen 25 und 50 Jahre. Die Kosten für eine künstliche Befruchtung ohne Partner werden von den Krankenkassen nicht übernommen und müssen selbst getragen werden.

Das heißt, auch Singlefrauen können an der Uniklinik eine solche Behandlung in Anspruch nehmen? Früher sind viele Singlefrauen für eine künstliche Befruchtung ins Ausland gefahren.

Schwab: Tatsächlich nimmt die Anzahl der Singlefrauen bei den Kinderwunschbehandlungen seit den letzten fünf Jahren kontinuierlich zu. Die Annahme, dass solche Kinderwunschbehandlungen nur im Ausland möglich sind, ist falsch. Einerseits gibt es immer mehr Frauen, die das Social Freezing, also das Einfrieren von eigenen Eizellen nutzen. Andererseits gibt es auch mehr Frauen, die sich ohne Partner künstlich befruchten lassen. Meist suchen sich die Frauen schon vorab aus, von welcher Samenbank sie Samen abrufen möchten.

Online-Veranstaltung zu unerfülltem Kinderwunsch

Zwei Expertinnen des Kinderwunschzentrums geben am Dienstag, 12. März, bei einer kostenlosen Online-Veranstaltung einen Überblick über die aktuellen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. Oberärztin Dr. Saskia-Laureen Herbert und Laborleiterin Dr. Claudia Staib erklären, wie eine künstliche Befruchtung abläuft und welche Zusatzverfahren es gibt.  
Das Kinderwunsch-Webinar ist Teil der Reihe "Abendsprechstunde", die vom Uniklinikum Würzburg und der Mediengruppe Main-Post organisiert wird. Beginn am 12. März ist um 18 Uhr. Genutzt wird die Plattform Zoom. Voraussetzung für die Teilnahme sind Smartphone, Tablet, Laptop oder PC sowie eine Internetverbindung. Anmeldung unter www.ukw.de/selbsthilfe
Quelle: clk

Tipp für Eltern, Großeltern, Familien: Der Newsletter "Familien-Post" der Main-Post kommt zweimal im Monat, immer donnerstags, per E-Mail ins Postfach – gefüllt mit aktuellen Infos und Berichten für Familien mit Kindern in Unterfranken. Mehr Infos unter www.mainpost.de/familie

 
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Kommentare
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  • Simone Mend
    Auf eigenen Wunsch nicht veröffentlicht.
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  • Stefan Krug
    vielleicht möchte sich auch die Natur
    nicht ins Handwerk pfuschen lassen

    um eine Schwangerschaft zum "Wunschtermin"
    stattfinden zu lassen!

    es gibt so viele Kinder ohne Eltern
    oder Eltern können und wollen
    sich nicht um Ihren Nachwuchs kümmern...

    und bei manchen wäre es besser sie hätten keinen Nachwuchs
    da die Kinder eh nur als Prestigeobjekt herhalten müssen
    und die Instastory wichtiger ist wie der eigene Nachwuchs...
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  • Frank Widmaier
    als "Betroffener" kann ich sagen - ich verstehe jeden, der sich Hilfe sucht.

    Am Ende hatten wir aber das Glück, dass alles "normal" ablief und kein KiWuZ beteiligt war
    waren aber dennoch nervöse 38 Wochen ...

    und nein.. unser Sohn ist kein Prestigeobjekt... wir lieben ihn und er liebt uns... UND DAS IST WICHTIG. Zu sehen, wie er neugierig die Welt erkundet... ist viel mehr Wert als alles andere
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  • Matthias Braun
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    • Antworten
  • Matthias Braun
    "...und bei manchen wäre es besser sie hätten keinen Nachwuchs"

    dieser Kommentar ist respektlos für alle Paare die sich nach einem Kind sehnen.

    Viele Grüße
    Matthias Braun
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