
Es dauert noch mehr als eine halbe Stunde, bis das „Luftschloss“ öffnet. Doch die ersten stehen bereits vor der Tür. Die afghanische Mutter braucht Schuhe für ihre Tochter. Der Automechaniker aus Äthiopien will sich nach einer Hose umschauen. Der afghanische Maurer hätte gerne eine Jacke. Die Italienerin, die aus Prinzip nichts Neues kauft, wenn es das, was sie möchte, auch gebraucht gibt, will einfach ein bisschen stöbern. „Unser Laden ist immer voll“, sagt Andrea Kunz, die heute Dienst im Umsonstladen hat.
Über mangelnden Zuspruch kann sich das „Luftschloss“ nicht beklagen. Eine Menge Leute unterstützen den Umsonstladen durch Warenspenden. Eine Menge Menschen bedienen sich. Doch den Laden am Leben zu erhalten, das ist deutlich schwieriger geworden als in der Anfangszeit vor über fünf Jahren, als die damals neue Idee „Luftschloss“ viele Menschen begeistert hat. 15 Aktive gibt es im Augenblick, erzählt Andrea Kunz: „Sechs bis acht übernehmen Schichten.
“ Damit muss jede Freiwillige mindestens einmal im Monat neben Job oder Studium im „Luftschloss“ Spenden annehmen, sortieren und auf Kundenanliegen eingehen.
In die Spendenkasse fließt nicht viel
Noch prekärer ist die finanzielle Situation. Es werden zwar reichlich Klamotten, Teller, Tassen und Haushaltsgeräte gespendet. Doch in die Geldspendenkasse fließt nicht so viel, dass sich das Team bequem zurücklehnen könnte. „Momentan geht es am Ende des Monats immer gerade so auf“, sagt Kunz.
Rund 400 Euro muss der Laden in der Gutenbergstraße 3 jeden Monat aufbringen. Vor allem die Miete belastet das Budget. Über einige Dauerspender sowie über die Würzburger Umwelt- und Naturstiftung kommen regelmäßig 135 Euro herein. Jeden Monat bleibt damit ein Minus von 265 Euro, das gedeckt werden muss. Auf die wöchentlich zwei Öffnungstage umgerechnet, heißt das, dass an jedem Öffnungstag 33 Euro eingenommen werden müssten.
Theoretisch ließe sich das Problem leicht lösen: Nachdem an jedem Samstag und an jedem Donnerstag jeweils zwischen 30 und 40 Menschen kommen, wären die Fixkosten beisammen, würde jeder einen Euro spenden. „Ich mache das auch“, betont der Mann aus Äthiopien, der gerade darauf wartet, das sich die Pforten des „Luftschlosses“ öffnen. Die Frau aus Italien spendet ebenfalls: „Im Durchschnitt zwei Euro monatlich.“ Doch der Mutter aus Afghanistan, die sich um zwei kranke Kinder kümmern muss, täte sogar ein einziger Euro weh. „Ich bin prinzipiell dagegen, dass die Menschen etwas geben müssen, das ist gegen unser ursprüngliches Konzept“, sagt Kunz.
Monatliche Sonderaktion geplant
Momentan ist das auch nicht im Gespräch. Obwohl es Stimmen im Team gibt, die einwerfen, dass ein minimaler Obolus die Wertschätzung für die Waren und für das „Luftschloss“ steigern würde. Die Gruppe überlegt vielmehr, ob sie nicht monatlich eine Sonderaktion organisieren soll. Am 21. Oktober wird ab 14 Uhr eine erste Aktion gestartet, erzählt die 34-jährige Erzieherin: „Dann wollen wir ein Herbstfest feiern.“
Die Aktiven des Umsonstladens backen Kuchen und bieten Kaffee an. Beides wird verkauft, um Geld in die „Luftschloss“-Kasse zu spülen. Gleichzeitig wollen die Teammitglieder mit den Besuchern ins Gespräch kommen. Und zwar darüber, warum es das „Luftschloss“ eigentlich gibt.
Anders als die Tafel oder Kleiderkammern zielt der Umsonstladen in erster Linie nicht darauf ab, Menschen in prekären Lebenssituationen zu unterstützen. „Wir richten uns gegen den Konsum“, sagt Kunz. Gerade, was Klamotten anbelangt, sei es nicht nötig, dermaßen viele Ressourcen zu verschwenden, um Neues zu produzieren: „Es gibt genug gut erhaltenes Gebrauchtes.“ Die Aktiven des „Luftschlosses“ sind dagegen, dass das in den Müll wandert. Der Laden richtet sich also vor allem an Menschen, die umweltbewusst und nachhaltig leben möchten.
„Genau das ist auch mir wichtig“, sagt die Frau aus Italien, die vor 40 Jahren nach Deutschland zog. Sie selbst versucht, so weit wie möglich auf Konsum zu verzichten. Bevor sie in die Boutique geht, schaut sie im „Luftschloss“ nach, welche Kleidungsstücke gerade vorhanden sind. Hat ihr Fahrrad einen Defekt, geht sie in die Selbsthilfewerkstatt „Freirad“, die in das „Luftschloss“ integriert ist. Hier wir an jedem Donnerstag zwischen 17 und 19 Uhr gewerkelt. Auch besuchte sie schon öfter Repair-Cafés: „Wobei ich die Erfahrungen gemacht habe, dass Billigware aus dem Discounter oft nicht zu reparieren ist.“
Das „Luftschloss“ hat donnerstags von 17 bis 19 Uhr und samstags von 12 bis 14 Uhr geöffnet.