Bratwürste, blaue Zipfel und Schäufele, Karpfen gebacken oder blau serviert: Bei Fisch und Fleisch beweist die fränkische Küche Vielfalt. Die klassische fränkische Beilage zum Braten: natürlich die Klöße! Gemüse spielt eher eine Nebenrolle, und wenn es auf den Tisch kommt, ist es häufig Kraut oder Kohl in Variation: Sauerkraut, Weißkraut oder Blaukraut, Wirsing oder Kohlrabi.
Was sind typische fränkische Gerichte und wer kocht sie heute noch? Wie wahrt man die kulinarischen Traditionen und was kam früher an Heiligabend auf den Tisch? Ein Gespräch mit Christine Jaeger, ehemalige Eigentümerin und Küchenchefin des Gasthaus zum Falken in Mainbernheim (Lkr. Kitzingen), und Wolfgang Mainka, bekannt als Würzburger Nachtwächter, der ein Buch über fränkische Küche geschrieben hat.
Wolfgang Mainka: Bei uns gab es traditionell schlesisches Essen. Zuerst wurde gebetet. Der erste Gang war eine Karpfensuppe, der Hauptgang gebackener Karpfen mit süßlichem Weißkohl und die Nachspeise Kirsch- oder Aprikosenkompott.
Christine Jaeger: In früheren Jahren war die Erschöpfung nach einer erfolgreichen Vorweihnachtszeit so groß, dass wir uns mit einer kalten Brotzeit begnügt haben. Traditionelle Weihnachtsgerichte in Franken sind Ente oder Gans gefüllt mit Kloß und Blaukraut, aber auch Bratwürste mit Kartoffelsalat, blaue Zipfel oder Karpfen blau.
Jaeger: Bei uns gab es oft das fränkische Hochzeitsessen, also Rindfleisch und Meerrettich-Gemüse serviert mit Preiselbeeren und breiten Nudeln. Das wird bei uns auch heute noch gekocht und gegessen. Natürlich gab es auch fränkischen Sauerbraten mit einer kräftigen dunklen Lebkuchensoße, Kloß und Blaukraut oder Schäufele mit Wirsinggemüse. Meine Großmutter hat auch gerne saure Nierli mit Kartoffelbrei gekocht.
Jaeger: Das ist gar nicht schwer. Einfach die Nieren vom Innenleben befreien oder gleich vom Metzger machen lassen, denn das ist eine Beschäftigung, die nicht jeder gerne mag. Die Nieren zuerst etwa ein bis zwei Stunden wässern, dann in Milch einlegen – auch gut zwei Stunden – das ist sehr wichtig. Dann das Fleisch kleinschneiden und kräftig anbraten, Zwiebeln dazugeben und einen Schuss Essig. Mit Salz und Pfeffer würzen, wer mag kann gerne eine kleinen Schuss Sahne zugeben.
Wolfgang Mainka: Meine Eltern stammen aus Oberschlesien. Da gab es eine ganze Menge toller Gerichte. Zum Beispiel Schlesisches Himmelreich, bei dem geräucherter Schweinebauch zusammen mit Dörrobst und Zitronenschale gekocht wird, oder Karpfen in polnischer Soße. An diesem Gericht sieht man, dass die schlesische Küche viele Parallelen zur fränkischen Küche hat. Denn der Karpfen wird auch mit einer Art Lebkuchensoße serviert, ähnlich wie beim fränkischen Sauerbraten. Und die Knödel oder Klöße gibt es in beiden Küchen.
Mainka: Kochen ist für mich ein produktiver Akt. Er beginnt im Kopf, wenn ich mir überlege, was auf den Tisch kommen soll, und darüber Gedanken mache, wo ich die Zutaten einkaufe. Und damit, mir mit der Hand eine Einkaufsliste zu schreiben. Dann folgt das Einkochen und schließlich das Kochen an sich, das Schneiden, Dünsten, Braten, Abschmecken, Anrichten. Das alles braucht viel Zeit. Manche Leute wollen sich diese Zeit nicht nehmen.
Mainka: Heute – so mein Eindruck – ist das Wichtigste nicht mehr das Kochen, sondern die Küche. Moderne Küchen gleichen heute eher einem OP-Saal. Alles ist klinisch sauber. Ein Dunstabzug sorgt dafür, dass es auch nicht mehr nach Essen riecht. Kochen steht dabei nicht im Vordergrund.
Jaeger: Viele, auch jüngere Menschen, machen sich wieder mehr Gedanken ums Essen. Und Kochen ist heute mehr ein Event denn Notwendigkeit. Die Möglichkeiten der Essensbeschaffung sind ja deutlich vielfältiger geworden als in früheren Zeiten. To go, Lieferdienste, das gab es früher alles nicht. Was oft auf der Strecke bleibt, ist, nach meiner Erfahrung, eine gute Soße.
Jaeger: Die Grundlage für jede Soße ist eine Jus oder der Sud, in dem man sein Fleisch geschmort oder gekocht hat. Für eine gute Jus röste ich Knochen, gerne auch mit Fleisch, Wurzelgemüse, Zwiebeln, Pfefferkörner und einem Lorbeerblatt im Bräter zunächst kräftig an, gieße das Ganze mit leichter Fleischbrühe oder Wasser auf und stelle es für mindestens drei Stunden in den Ofen. Das sind alles Dinge, die Zeit kosten. Doch die Jus ist die Grundlage für alle guten dunklen Soßen.
Mainka: Der kulinarische Kniefall des Frankens vor seinem Wein ist die Mostsuppe. Das ist eine typisch mainfränkische Spezialität. Die Krönung der Suppe sind für die Franken die Bröggeli: in Butter braun geröstete Weißbrotwürfel mit Zimt bestäubt.
Jaeger: Auch die blauen Zipfel sind etwas typisch Fränkisches. Dazu wird die grobe fränkische Bratwurst in Frankenwein und Essig mit feingeschnittenem Gemüse wie Zwiebeln, Porree und gelben Rübli mit Pfeffer- und Senfkörnern, Wachholderbeeren und einem Lorbeerblatt kurz angekocht. Dann sollte man das Ganze mindestens 30 Minuten ziehen lassen.
Jaeger: Karthäuser Klöß mit Weinschaumsoße, manche nennen das auch Arme Ritter. Dabei von altbackenen Brötchen die Rinde mit einer Reibe abreiben und in einer Mischung aus Milch, Eiern und Vanillezucker gut durchziehen lassen. Die durchgezogenen Brötchen werden mit der abgeriebenen Rinde "paniert" und in Butterschmalz gebacken. Serviert werden die Karthäuser Klöß mit Zucker, Zimt und einer Weinschaumsoße.
Mainka: Ohne Zweifel gehören die "Versoffenen Jungfern" zu den klassischen Süßspeisen der alten fränkischen Küche. Dem Aufwand nach gehören sie zur Speisefolge festlicher Tage und werden vorzugsweise im Winter gegessen. Man bereitet diese originelle Speise aus einer locker geschlagenen Eiweißmasse zu, sticht davon kleine Klößchen ab und lässt sie in heißem Fett ausbacken. Übergießt man die ausgebackenen Klößchen mit einer gewürzten Rotweinsoße, dann "erröten" sie darin und erinnern damit an die durch Alkoholgenuss geröteten Wangen junger Mädchen.
Mainka: Der Ochsenmaulsalat durfte früher in keinem Metzgerladen fehlen. Dazu wird ein Stück Kopffleisch vom Rind mit Suppengrün, Zwiebeln und Gewürzen wie Pfefferkörnern, Nelke und Lorbeerblatt über zwei Stunden gekocht. Für den Salat liegt das fein geschnittene Fleisch dann in einer Marinade aus Zwiebeln, Essig, Öl, Zucker, Salz und Pfeffer. Auch Brotsuppe ist etwas, das heute kaum mehr gekocht wird.
Jaeger: Kalbszunge in heller Soße, das ist auch so ein Gericht, dass man nicht mehr oft auf den Speisekarten findet. Sie wird schön eineinhalb Stunden mit Wurzelgemüse gekocht. Dann herausnehmen, etwas abkühlen lassen und die ledrige Haut abziehen und in Scheiben schneiden. Für die Soße die Butter in einem kleinen Topf zerlaufen lassen, Mehl darüber stäuben und gut verrühren - bis sich alles vom Topfboden löst. Jetzt die Brühe und einen Schuss Weißwein zugeben, nochmals abschmecken und die Zunge wieder zugeben. Auch Kapern passen gut dazu.
Mainka: Bei Slowfood ist der eigentliche Grundgedanke, dass Tiere möglichst vollständig verarbeitet werden - Nose to Tail, also von der Nase bis zum Schwanz. Hirn und Kuddeln, also Schnickerli, oder Milz sind heute richtig verpönt. Bei uns zu Hause gab es noch Herz- und Lungenhaschee. Für mich ist ein gekochtes Schweineschwänzchen mit Erbsenpüree eine Delikatesse.
Jaeger: Bei uns gibt es mittlerweile seit einigen Jahren Miesmuscheln in Weißweinsoße und ein schönes Weißbrot dazu – nicht fränkisch, aber lecker.
Mainka: Die letzten Jahre haben meine Frau und ich immer in Wien verbracht. Und weil an Heiligabend kaum ein Lokal geöffnet hat, haben wir uns an Bitzingers Würstelstand vor der Albertina immer Käsekrainer mit Senf und eine Flasche Bier gegönnt.