
"Zu Dir oder zu Mir?" Diese richtungsweisende Orientierungsfrage, wo der Höhepunkt des Abends winkt, gehört zum Standartrepertoire aller One-Night-Stand-ler. Die tückischen Stolpersteine, die sich in dieser spätabendlichen Entscheidung verbergen können, hat der Brite Royce Ryton in seiner gleichlautenden Komödie mit spritzigem Humor und deftigen Dialogen markiert. Bei der Premiere im voll besetzten Kellertheater des Chambinzky hatten die Zuschauer ihre helle Freude an dem turbulenten Geschlechterkampf.
Carsten Steuwer, in der Region seit Jahren ein geschätzter Gast, lässt in seiner dynamischen Regiearbeit keine Zweifel aufkommen: Es geht um Sex! Um kompromisslosen, ehrlichen Sex ohne Gefühle, von Liebe keine Spur. Das ist die Leitlinie des Sex-Macho, der nicht mal seinen Namen outet und sich routinemäßig zur nächtlichen Belustigung eine Gespielin aus einer Party herausgepickt und abgeschleppt hat. Das Objekt der Begierde allerdings hat gänzlich andere Vorstellungen vom Sprung in die Kiste. . .
Gierige Lust, Boshaftigkeiten, Naivität und Erotik
Diese höchst unterschiedlichen Zufallsbekannten lässt Regisseur Steuwer aufeinander los zu einem Duell, bei dem die Fetzen fliegen. Der Weiberheld signalisiert gierige Lust, täuscht Zärtlichkeiten vor und ist mit Boshaftigkeiten nicht sparsam. Diese maskulinen Attacken kontert das Weib mit zurückhaltender Distanz, vorgegaukelter Naivität und überraschenden erotischen Finessen.
In diesem expressiven Spannungsfeld laufen beide Protagonisten zur Höchstform auf. Darsteller Miro Nieselt beeindruckt in seiner hoch emotionalen Verwandlung vom souveränen Strippenzieher, schmeichelnden Verführer und wutschnaubenden Sexfreak zum düpierten, unsicheren und von Selbstzweifeln gebeutelten Mannsbild. Seine wuchtige körperliche und stimmliche Präsenz versteckt er zunehmend in friedlicheren Annäherungsversuchen, wird sanfter beim Werben um die Schöne, die er vormals schon mal als "hirntote Junghexe" beschimpft hat.
Außerordentliche Leistung der beiden Darsteller
Darstellerin Silva Schreiner, in die überraschend ordentliche Junggesellenwohnung entführt, spricht zunächst vornehmlich mit den Augen. Aus der zurückhaltenden Besucherin, die sich vorsichtig in die Gedankenwelt ihres Verführers einschleicht, wird eine furiose, überdrehte und chaotische Frau. Sie übernimmt mit weiblichem Charme die erotische Führung und sorgt für eine faustdicke Überraschung. Der intensive Schlussapplaus unterstreicht die außerordentliche Leistung der beiden Namenlosen.
"Zu Dir oder zu Mir?" Auf jeden Fall erstmal ins Chambinzky. Diese Entscheidung ist sicher richtig.
