Konzentriert mustert Thomas Wallner das kleine Stückchen Waldboden. Über ihm das Dach alter Eichen und Buchen. Der Bodenbewuchs ist extrem kurz. Er ist sich vollkommen sicher, hier und heute zum vereinbarten Termin findet er im Stadtwald am Waldkugelweg fränkische Trüffel. Es handelt sich um den Sommer- oder Burgundertrüffel. Da, er erkennt den kleinen Riss in der bemoosten Erde. „Da ist einer drunter“, sagt er bestimmt. Doch er muss nicht erst graben. Wenige Schritte weiter spitzen die Delikatess-Pilze schon sichtbar an die Oberfläche. Für ihn keine Sensation. Thomas Wallner, Programmier von Beruf, ist Pilzsucher aus Leidenschaft und arbeitet wissenschaftlich für die Deutsche Gesellschaft für Mykologie. Er vermutet riesige Mengen Trüffel unter fränkischer Erde.
Mit der Meinung ist er ganz und gar nicht allein. Mit von der Partie bei diesem Ortstermin ist auch Christian Gold mit seinem Straßenhund Winnie, jetzt natürlich auch ausgebildeter Trüffelhund. Der frühere Gymnasiallehrer aus Würzburg ist vor einiger Zeit offenbar von Pilzsporen infiziert worden und lebt heute gewissermaßen vom fränkischen Trüffel. Denn als geprüfter Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie arbeitet auch er wissenschaftlich für die Bayerische Mykologische Gesellschaft an der Kartierung von Trüffelvorkommen in Deutschland. Weil das aber finanziell nicht ganz zum Überleben reicht, hat er, man höre und staune, eine Trüffelhund-Schule gegründet und bietet regelmäßig mehrtägige Kurse an, hauptsächlich im Bereich von Leinach.
Seinen Kunden will er ja ein Erfolgserlebnis bieten. Deshalb weiß er genau, wovon er spricht, wenn er sagt, die meisten aus kulinarischer Sicht interessanten Trüffel sind kalkliebend. Wer sich mit Geologie und Bodenkunde beschäftigt, der weiß, dass Gebiete wie Mainfranken rund um Würzburg oder auch die Schwäbische Alb in der Hinsicht bestens versorgt sind. Hier wachsen Trüffel in Mengen. Nur ist es verboten, sie auszugraben oder gar damit zu handeln.
An dem Punkt wird Christian Gold deutlich. „In unseren Wäldern verrotten Millionenbeträge“, sagt er. Dann rechnet er. Für 500 Euro wird ein Kilo dieser Trüffel gehandelt. Weil das Sammeln hier verboten ist, importiert Deutschland jährlich 40 Tonnen allein aus Italien. Ein Wert von 20 Millionen Euro.
Da kommt zwangsläufig die Naturschutzfrage, weshalb auch das Sammelverbot besteht. Da sind sich die Pilz-Spezialisten Wallner und Gold absolut einig. Es werden nicht Heerscharen von Bürgern die Wälder nach Trüffeln durchwühlen. Da müssen schon Spezialisten am Werk sein. Schließlich gibt es hier in unseren Wäldern rund 300 Trüffelarten und die wenigsten sind wirklich genießbar. Und wenn, mag sie nicht einmal jeder essen. Wenn doch sich jemand in die Materie vertieft und die Pilzknollen ernten würde, dann kann er keinen großen Schaden anrichten. Er erntet mit der schwarzen Knolle nur die Früchte und nicht das unterirdische Netz des Pilzes zur Fortpflanzung. Jedenfalls ist Thomas Wallner überzeugt, Pilze sterben nicht aus, wenn man den Fruchtkörper nimmt. Das passiert nur, wenn man beispielsweise das Umfeld trocken legt.
So können sich an den wertvollen Trüffeln weiterhin beispielsweise Hunde ernähren. Christian Gold meint, fast jeder Hund hat eine Trüffel-Nase, die man auch ausbilden kann. Da wundert sich mancher Hundebesitzer, warum sein Tier so intensiv den Rasen beschnüffelt und gräbt. Der sucht nicht immer eine Maus. Der Grund könnte in jedem Hausgarten auch Trüffel sein. Die Verteilung der Trüffel-Sporen ist vielfältig. Vögel, die Maden aus alten Trüffeln picken, Mäuse und Eichhörnchen, die diese Knolle lieben, könnten die Verteiler sein. Schweine sind legendär bekannt für ihren Trüffel-Sinn. Sie wurden auch schon seit Jahrhunderten für die Trüffelsuche eingesetzt. Nur haben sie die Eigenschaft, dass sie alles was sie finden auch sofort fressen. Deshalb sind Trüffelhunde besser.
Die beiden Pilz-Spezialisten haben sich natürlich nicht nur auf den Trüffel spezialisiert. Der nahe Waldfriedhof ist für sie geradezu ein Eldorado sowohl für ihre professionelle Arbeit, als auch für das Hobby. Beim Gang durch den Friedhof, der parkartige Züge hat, ist auch Ludwig, Sohn von Thomas Wallner, mit dabei. Durch das Jahre lang gemeinsam geübte Hobby ist er firm wie der Vater.
Man braucht vom Haupteingang nur wenige Meter, da sticht ihnen der Mehlräsling schon ins Auge, der eigentlich ein guter Speisepilz ist, den aber ein zweifelnder Sammler ebenso wenig schneiden würde wie den Bitter- oder Gallenröhrling, der hier in großen Mengen wächst. Die Experten können den Satansröhrling zeigen oder den Spei-Täubling, dessen Name schon alles sagt. Dann wurde problemlos die Netzstielige Hexenröhre gefunden, die man laut Wallner nur ohne Alkohol essen darf und dann auch zwei Tage darauf keinen Alkohol mehr trinken sollte. Macht also auch nicht gerade Appetit. Natürlich ist auch der Kartoffelbovist zuhauf vertreten, dazu Prachtexemplare vom Kiefern-Braunporling.
Das Pilz-Angebot ist nicht für alle einladend, weshalb viele Friedhofsbesucher die Prachtexemplare besonderer Pilzarten rücksichtslos zertreten oder mit dem Fuß wegschnippen. Für die wissenschaftliche Arbeit sind sie wertvoll, weshalb zumindest in diesen Wochen einige Bereiche für die Forscher abgegrenzt wurden. Schließlich hatte es am 25. August so richtig satt geregnet. Das sind für fast alle Pilzarten beste Voraussetzungen. Natürlich auch für die heiße Knolle des Trüffels.