Seit die in Smartphones verbauten Fotokameras qualitativ immer hochwertiger geworden sind, hat sich der Markt für hochwertige Fotoapparate und Fotozubehör rasant verändert. Die Verkaufszahlen gehen nach unten, während im Handybereich stetige Zuwächse zu verzeichnen sind. Leidtragende sind Hersteller wie die Würzburger Firma Hensel Visit GmbH & Co. KG, die vor allem wegen ihrer hochwertigen professionellen Blitzlichtgeräte ein Top-Player im Marktsegment Fotozubehör ist.
Dennoch musste im Juni Hensel-Geschäftsführer Guido Puttkammer beim Amtsgericht Würzburg den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Als Grund gab die Hensel-Geschäftsführung eine "unbefriedigende Umsatzentwicklung in den letzten Monaten sowie gleichzeitig hohe Investitionen in die Produktentwicklung" an. Inzwischen ist das Insolvenzverfahren eingeleitet. Diese Redaktion hat mit Guido Puttkammer über die Situation bei Hensel Visit und in der Fotobranche gesprochen.
Guido Puttkammer: Die Gründe dafür waren vielschichtig. Schon seit einigen Jahren gibt es in der Fotobranche eine Umsatzentwicklung, die nach unten geht. Das haben wir natürlich auch gespürt. Gleichzeitig haben wir sehr viel Geld für neue Produktentwicklungen in die Hand nehmen müssen. Die Kunden erwarten immer komfortablere Geräte und Innovationen in immer kürzeren Abständen. Bei vielen Produkten muss man eigentlich schon ab dem Moment, in dem sie auf den Markt kommen, an den Nachfolgern arbeiten. Das heißt, man hat ständig Kosten für die Produktentwicklung. Außerdem entstanden hohe Kosten für interne und externe Ingenieure. Der Markt für Ingenieure gerade im Software-Bereich, und unsere Produkte haben inzwischen sehr viel Software, ist so gut wie abgegriffen. Wir hatten in den letzten drei Jahren vier junge Ingenieure, die gerne hier gearbeitet haben, die dann aber so verlockende Angebote von größeren Firmen bekommen haben, dass wir nicht mithalten konnten. Letztlich kamen drei Dinge zusammen: Umsatzrückgänge, explodierende Kosten bei der Produktentwicklung und Personalprobleme.
Puttkammer: Ja, wir haben beispielsweise den TIPA (ein jährlich vergebener Preis für die weltweit besten Fotoprodukte) und den Plus X Award bekommen. Und zwei Tage nachdem wir den Insolvenzantrag gestellt haben, wurde sogar noch eines unserer neuesten Produkte für den German Design Award nominiert. Traditionell baut Hensel sehr langlebige und robuste Werkzeuge für Berufsfotografen. Das ist nicht mehr üblich. Viele Produkte sind sehr kurzlebig, es gibt keinen Service, das sind Wegwerfprodukte. Hensel hat sicher heute eine Alleinstellung im Markt in der Hinsicht, dass wir nach wie vor bei der Konstruktion der Geräte darauf achten, dass sie überhaupt reparabel sind und dass wir sehr lange Zeit Ersatzteile vorrätig haben, was ja auch ein Kostenfaktor ist. Bei Bedarf fertigen wir sogar selbst Ersatzteile an. Wir erlauben uns diesen Luxus, und viele Kunden wissen auch zu schätzen, dass wir Service für Geräte anbieten, die 20 Jahre und älter sind. Die Frage ist aber: Inwieweit sind die Kunden bereit das zu honorieren?
Puttkammer: Das hat auch mit Veränderungen bei unseren Kunden zu tun. Klassischerweise sind das Berufsfotografen - handwerkliche Fotografen mit eigenen Studios, Porträtfotografen oder überregionale große Studios mit industrieller Produktion und mit bis 100 Mitarbeitern. Aber auch bei denen hat der Preisdruck enorm zugenommen. Die müssen in immer kürzerer Zeit immer mehr Bilder für immer weniger Geld herstellen. Das bedeutet: Geräte werden sehr lange genutzt oder wenn etwas nicht mehr reparabel ist oder zusätzlicher Bedarf besteht, werden oft Billigprodukte gekauft. Und die kommen dann häufig aus China. Der Kostendruck bei vielen unserer Kunden ist von Jahr zu Jahr größer geworden, weil sie ihrerseits von ihren Kunden immer weniger bezahlt bekommen.
Puttkammer: Das Thema Smartphone hat natürlich ganz gewaltige Auswirkungen. Unsere Produkte sind jedoch in erster Linie für Leute gedacht, die mit Fotografie Geld verdienen. Ich scheue mich inzwischen, den Begriff "Profi-Fotografen" zu benutzen, denn die meisten, die sich so bezeichnen, sind gar keine Profis. Viele, die echte Profis sind, nennen sich nicht mehr so. Ich würde eher sagen: All die Leute, die mit Bildermachen Geld verdienen. Neudeutsch nennt man die heute Content Creators. Das heißt: Die wenigsten Fotografen fotografieren ausschließlich, die machen alles. Die generieren Inhalte fürs Internet - Fotos, Videos, Texte, Grafik, alles. Das ist unsere wichtigste Kundengruppe. Es gibt daneben noch die Edel-Amateure, die mit System- oder Spiegelreflexkameras arbeiten und oft mit zunehmendem Alter die Zeit finden, sich mehr einem Hobby zu widmen und dann auch ab und zu mal eine Blitzanlage kaufen. Aber das sind echte Ausnahmen.
Puttkammer: Bei den Kameraverkäufen hat es in den letzten Jahren einen dramatischen Einbruch gegeben. Darüber gibt es Statistiken. Man kann ja heutzutage Unmengen von Menschen mit Smartphones knipsen sehen, ich scheue mich das Fotografieren zu nennen. Da ist Bequemlichkeit und Schnelligkeit eindeutig wichtiger als Qualität. Denn die Bilder werden heute ja nicht mehr ins Fotoalbum geklebt, sondern über Facebook oder Instagram gepostet. Und das spricht natürlich für ein Smartphone. Die klassischen digitalen Kompaktkameras, die noch bis vor einigen Jahren in riesigen Stückzahlen verkauft wurden, sind fast vom Markt verschwunden. Das hat den großen Kameraherstellern übel mitgespielt. Diese Entwicklung betrifft aber den gesamten Fotomarkt.
Puttkammer: Es wird auf jeden Fall weitergehen. Da müsste schon ein Wunder geschehen, dass Hensel von der Bildfläche verschwindet. Die Frage ist, wie es weitergeht. Und auch wo. Es laufen im Moment konkrete Gespräche mit Investoren. Da wird sich sicher in absehbarer Zeit etwas klären, auch klären müssen. Aber es ist durchaus denkbar, dass man sich mehr auf die dokumentarische Fotografie konzentriert. Da kann man beispielsweise an Museen denken. Die haben ja nicht nur Papier, das sie digitalisieren müssen, die haben auch dreidimensionale Objekte, die dokumentiert werden müssen. Da ist sicherlich ein Markt, der nicht so umkämpft ist, wo man noch gesündere Margen erzielen kann und wo man wirklich auch Werkzeug wie unsere Geräte verkaufen kann. Auf diesem Markt sind wir schon in relativ kleinem Maßstab aktiv und es könnte ein Trend sein da mehr zu machen bis hin zur Dienstleistung. Denn nicht jedes Unternehmen oder Museum wird sich einen eigenen Dokumentaristen und das dazugehörige Equipment leisten.
Puttkammer: Fifty fifty. Denn ein Investor, der aus der Branche kommt, wird sicher nicht zwei Firmen parallel betreiben, sondern zwei zu einer zusammenlegen.
Puttkammer: Da wird es sicher Änderungen geben. Man muss natürlich heute aufgrund des höheren Kostendrucks rationeller arbeiten. Das liegt vor allem auch in der Hand des Investors oder des neuen Inhabers. Ich hoffe allerdings, dass viele der bewährten Kräfte übernommen werden.