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WÜRZBURG
Tropenmedizin geht vom Missio an die Uniklinik: Was hinter der Verschiebung steckt
Wechselt von der Missioklinik an das Universitätsklinikum und baut dort die Abteilung Tropenmedizin neu auf: Infektiologe Prof. August Stich.
Foto: Ulises Ruiz Diaz | Wechselt von der Missioklinik an das Universitätsklinikum und baut dort die Abteilung Tropenmedizin neu auf: Infektiologe Prof. August Stich.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 13.11.2023 02:48 Uhr

Es ist neben München eines von nur zwei Tropeninstituten in Bayern und hat in Würzburg eine lange Tradition. Nun aber gibt die Missioklinik unter dem Dach des Klinikums Würzburg Mitte (KWM) ihre Abteilung für Tropenmedizin auf. Sie wird überführt an das Universitätsklinikum.

Der bisherige Chefarzt der Tropenmedizin, August Stich, wechselt zum 1. Februar 2024 vom Missio als Professor für Infektiologie an die Uniklinik und soll dort den Bereich neu aufbauen.

Am Missio bleibt die Abteilung zunächst bestehen, unter anderem mit Impfungen und Gesundheitsberatung für Fernreisende. Schrittweise soll das Angebot aber zurückgefahren werden, so KWM-Geschäftsführer Dominik Landeck auf Anfrage. Die medizinische Betreuung von Flüchtlingen bleibe dagegen dauerhaft bei der Missioklinik angesiedelt.

Wirtschaftlicher Druck und Perspektive für „Nischenfach“

Hintergrund der Verlagerung ist zum einen die wirtschaftlich schwierige Situation des Würzburger Klinikums. Das KWM kämpft wie die meisten Krankenhäuser derzeit mit jährlichen Millionendefiziten aufgrund unzureichender staatlicher Finanzierung. Gestopft werden die Löcher beim KWM aus Rücklagen der Stiftung Juliusspital als Hauptgesellschafter. 2017 waren das Missio und das Juliusspital zum Klinikum Würzburg Mitte fusioniert.

Dass die Tropenmedizin nur mit einem Defizit zu betreiben ist – daraus macht Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor der Stiftung Juliusspital, keinen Hehl. Auf einen mittleren sechsstelligen Betrag soll sich das jährliche Minus belaufen. Man müsse alle Sparmöglichkeiten im Klinikbetrieb ausloten, sagt Herberth. Er sei froh, dass mit der Uni eine Perspektive für die Tropenmedizin entwickelt werden konnte. In die Gespräche seien auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Münchner Ministerien eingebunden gewesen.

Dass die Tropenmedizin für den Standort Würzburg gesichert wird, ist Hauptantrieb für August Stich. Der Infektiologe spricht von Win-Win-Situation: „Ich begleite den Prozess mit einem guten Gefühl.“ Unter dem Dach der Uni habe „das wichtige Nischenfach Tropenmedizin“ mehr Zukunft als im KWM unter den aktuellen Gegebenheiten. „Es gäbe sonst keine Tropenmedizin mehr in ganz Nordbayern.“

Neben der finanziellen Entlastung des KWM sieht der Mediziner einen fachlichen Gewinn: „Die Tropenmedizin gehört näher an Forschung und Lehre.“ Und die Uniklinik könne ihre Infektiologie damit gut verstärken. Derzeit ist ein Lehrstuhl vakant, der nun mit Stich besetzt werden soll.

Der 62-Jährige – im Februar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet – ist seit 2004 Chefarzt der Tropenmedizin am Missio und seit 2008 auch Vorsitzender von „Medmissio“, dem früheren, vor über 100 Jahren gegründeten Missionsärztlichen Institut. Dieses hält als Gesellschafterin derzeit knapp ein Viertel der Anteile am KWM. Für die Missioklinik ist das Ende der eigenständigen Tropenmedizin ein symbolträchtiger Einschnitt. Sie war für Patienten und Reisende von weither eine renommierte Anlaufstelle. Von hier aus wurden weltweit Gesundheitsprojekte unterstützt. Künftig sollen Uniklinikum und Medmissio auf dem Feld der globalen Gesundheit zusammenarbeiten, sagt August Stich.

Während der Corona-Pandemie hatte der Tropenmediziner wiederholt auf die globale Verantwortung für die Gesundheit von Menschen hingewiesen: „Wir müssen unsere Lebensweise ändern“, mahnte er. Er selbst hat sich aus einer christlichen Haltung heraus Menschen in Not verschrieben – sei es in Afrika oder in Unterfranken in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge.

Kein weiterer Abbau am Klinikum geplant

Am KWM und speziell an der Missioklinik könnte das schrittweise Ende der Tropenmedizin Angst vor weiterem Abbau wecken. Dem tritt Oberpflegamtsdirektor Herberth entgegen. Aus heutiger Sicht sei der Standort Missio sicher. Er sei unverändert erforderlich für die verbleibenden Bereiche Gynäkologie/Geburtshilfe, Kinderklinik, Pulmologie, Thoraxchirurgie und Urologie.

„Weitere Abgaben an die Uni oder gar die Aufgabe von Bereichen sind nicht geplant“, versichert Herberth. Dies gelte auch für den Standort Juliusspital. Die Palliativabteilung etwa hält er für ein „Identitätsmerkmal“ der Stiftung. Das KWM sei systemrelevant. Dies müsse auch die Politik anerkennen und die Kliniken schnellstmöglich wieder kostendeckend finanzieren.

Seit knapp sieben Jahren gehört die Missioklinik als Standort zum fusionierten Klinikum Würzburg Mitte. Ein weiterer Abbau sei nicht geplant, heißt es von der Führung.
Foto: Silvia Gralla | Seit knapp sieben Jahren gehört die Missioklinik als Standort zum fusionierten Klinikum Würzburg Mitte. Ein weiterer Abbau sei nicht geplant, heißt es von der Führung.
 
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