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Treffpunkt Onkel-Erwin-Laden
Würzburg Erwin Schmollinger hat nicht nur Zigaretten, Zeitschriften und Schulhefte verkauft. Seine Kunden bekamen dazu Zuspruch und Wärme. Nach 41 Jahren hat er sein Schreibwarengeschäft, für seine Kunden auch eine Art "Sozialstation", in der Gartenstadt-Keesburg, abgegeben.
Von unserem Redaktionsmitglied Holger Welsch
 |  aktualisiert: 17.10.2017 15:51 Uhr
"Herr Schmollinger, Sie können doch nicht einfach aufhören, Sie gehören doch dazu." Carmen Laumer freut sich, Erwin Schmollinger im Geschäft in der Hans-Löffler-Straße zu treffen. Seit vier Wochen ist er nur noch Gast, aber ein gern gesehener. "Hier hab' ich meinen ersten Kaugummi und mein erstes Micky-Maus-Heft gekauft", erinnert sich Frau Laumer. Jetzt holt sich ihre Tochter Schulhefte.

"Zu mir kamen mehrere Generationen einer Familie", erzählt Schmollinger. Seine Kundschaft: Vom Knirps bis zur Oma. Der 62-Jährige hat das Geschäft nicht ganz freiwillig in die Hände von Heidemarie Mangold gegeben. "Gesundheitliche Gründe", sagt er und man merkt, dass er noch nicht so richtig loslassen kann. Muss er auch nicht. Denn mit Gattin Ingrid, die ihm 33 Jahre im Laden zur Seite stand, wohnt er über dem Geschäft. "Ich darf jederzeit in den Laden." Das hat ihm seine Nachfolgerin zugesichert. Schmollinger macht von diesem Angebot fast täglich Gebrauch.

"Ich hatte die nettesten Kunden der Welt", erzählt er. Und die wussten, was sie an ihm hatten. Wenn jemand vor der verschlossenen Wohnungstür stand, weil er den Schlüssel vergessen hatte, kam Schmollinger mit dem Dietrich. Oder er kletterte übers Dachfenster. Er reparierte Fahrradreifen, pumpte Bälle auf. Wenn die Prüfung daneben ging, hatte Schmollinger ein tröstendes Wort und Gummibärchen für die Studenten. Und nahm seine Kunden auch mal in den Arm. "Ich habe immer versucht, Wärme in den Laden zu bringen." Dazu gehörte auch die Rolle als Geburtshelfer. "Die hochschwangere Frau kam in den Laden, fragte nicht lange und sagte nur, dass es losgeht." Schmollinger ging los, holte sein Auto und ab in die Klinik.

"Institution mit Herz" und "Sozialstation" nennt Paul Löhlein, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Keesburg, das menschliche Miteinander zwischen Lottoscheinen und Zigaretten. Dabei hatte der 22-jährige Schmollinger 1965 ganz andere Pläne, als das fünf Jahre zuvor gegründete Geschäft (damals noch eine Reinigungs-Annahmestelle) seiner Mutter Victoria zu übernehmen. Der Kaufhof-Angestellte wollte eigentlich Personalchef werden. Die Entscheidung hat er aber nie bereut. "Hier bin ich glücklich geworden."

Das will er auch im Ruhestand bleiben, der ein solcher nicht ist. Schmollinger organisiert nach wie vor die Würzburger Münzen-, Geldscheine- und Ansichtskartenbörse, will einen Notgeld-Katalog herausbringen, sich verstärkt um die Enkel Marcella und Patrice kümmern.

Heidelinde Mangold ist froh, "ein gut eingeführtes Geschäft übernommen" zu haben. Und Schmollinger wird öfters im Laden vorbeischauen, wo Gattin Ingrid ab und zu aushilft. So behält die Gartenstadt-Keesburg ihren "Onkel-Erwin-Laden". Was auch Reinhilde Lesch freut, die gerade eingekauft hat. "Der Herr Schmollinger ist ein sehr lieber Mensch", sagt sie.

 
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