Alles ist wie immer. Der „Amorbacher Klosterchor“ soll einer der Höhepunkte werden in der Prunksitzung des Rüdenauer Carneval-Clubs „Klammhörnli“ im Landkreis Miltenberg. Sakrale Klänge. Höllenrotes Licht. Nebelschwaden. In diese mystische Stimmung hinein schreiten die Klosterbrüder in ihren weinroten Kutten durch den Hintereingang in die Halle. Die vier Musiker des Chores waren bereits seitlich auf die Bühne gestiegen und hatten ihre Plätze eingenommen.
Auch Volker Krug, der Schlagzeuger. Seit fünf Jahren gehört er zum Klosterchor, sie haben ihn „Bruder Rhythmus“ getauft, er gibt den Takt vor. Der Auftritt in Rüdenau vor eineinhalb Wochen sollte eine Probe werden für „Fastnacht in Franken“ an diesem Freitag, 2. Februar. Der Klosterchor wird dort erstmals in der Fernseh-Prunksitzung zu sehen sein.
Herzattacke auf der Bühne
Als die Mönche die Bühne erreichen, gibt es plötzlich einen Schlag. Volker Krug liegt am Boden. „Ich habe erst gedacht, er ist einfach von seinem Hocker gefallen“, erinnert sich Ulli Etzel, so eine Art Manager des Chors. Sie nennen Etzel „Bruder Amadeus“ wegen seiner Falco-Imitationen. Etzel dachte an eine Unachtsamkeit. Aber der Schlagzeuger ist nicht einfach so vom Hocker gefallen. Volker Krug ist tot. Der Schlagzeuger erlitt auf der Bühne eine schwere Herzattacke, und obwohl sehr schnell Ersthelfer und Ärzte zur Stelle waren, konnte der 56-Jährige nicht mehr gerettet werden. „Die Hilfe hätte nicht besser sein können“, sagt Etzel. Doch Bruder Rhythmus war verstummt. Die Sitzung wurde abgebrochen.
Der Begriff Tragödie wird viel zu oft und viel zu leichtfertig verwendet für die Banalitäten des Lebens, aber an diesem Abend in der Halle der „Klammhörnli“ gibt es kein passenderes Wort für das Geschehen. „Noch am Nachmittag war er bei einer von seinen beiden Töchtern zum Kaffeetrinken gewesen“, erzählt Etzel, „dort hat er geschwärmt von Veitshöchheim. Der Auftritt bei der Franken-Fastnacht im Fernsehen sei der Ritterschlag für den Chor, hat er gesagt. Er hat sich so sehr darauf gefreut, für ihn war es das Größte überhaupt“.
Schock sitzt noch tief
Eigentlich kann Ulli Etzel noch immer nicht fassen, was passiert ist: „Er war topfit, hat nicht geraucht“, erzählt Etzel, „und ich habe selten einen so positiven, lebenslustigen Menschen wie ihn gesehen. Mit ihm konnte man den größten Spaß seines Lebens haben“. Der Schlagzeuger habe ausgesehen wie der britische Sänger Rod Stewart. „Mensch“, sagt Etzel, „was haben wir mit ihm zusammen gelacht“. Wie die „Faust aufs Auge hat der Volker zu unserer Gruppe gepasst“.
Und jetzt, jetzt muss es weitergehen, ohne den Bruder Rhythmus. Es werde schwer werden für die 18 Mitglieder des Chores, sagt Etzel, und dann fällt ihm ein, dass die Zahl nicht mehr stimmt. „Eigentlich 18.“
Der „Amorbacher Klosterchor“ ist seit über 30 Jahren fester Bestandteil der Faschelnacht, wie der Fasching hier im bayerischen Odenwald heißt. Die Sangesbrüder mit ihren hintersinnig-witzigen Liedern waren Fastnachts-Präsident Bernhard Schlereth schon länger aufgefallen, im vergangenen Jahr lud er sie zu einem Casting nach Veitshöchheim ein. „Das war schon eine Ehre für uns, mal in den heiligen Hallen der Mainfrankensäle zu stehen“, erinnert sich Ulli Etzel. Der Chor überzeugte und wurde für 2018 zur „Fastnacht in Franken“ eingeladen.
Familie fällt klare Entscheidung
Mit ein paar Tagen Abstand ist Ulli Etzel noch immer tief berührt, aber er sagt auch: „Wir ziehen das in Veitshöchheim jetzt professionell durch.“ Noch in der Nacht nach Krugs Tod hätten sich seine Töchter und auch seine Mutter beim Klosterchor gemeldet und ihn bestärkt darin, den Auftritt nicht abzusagen. Sowohl der Fastnachts-Verband wie auch der Bayerische Rundfunk hatten die Entscheidung dem Chor überlassen. „Gerade Volker hatte sich das doch so gewünscht. Er hat die Fastnacht geliebt“, sagt Etzel, deshalb werden die Sänger am Freitag auf die Bühne steigen.
Der Schlagzeuger der Pavel-Sandorf-Band wird Volker Krugs Part übernehmen, und die Amorbacher Mönche werden in ihren weinroten Kutten singen und für Stimmung sorgen. Doch ihre Gesichter werden Masken sein. Dahinter sieht es anders aus. „Es wird ein schwieriger Abend für uns werden“, sagt Etzel, „aber Volker wird in unseren Liedern und in unseren Herzen dabei sein. Wir machen das für ihn.“
Schon am Samstag wird sich der Chor dann wieder treffen. Zur Beerdigung.