Ein tragischen Unglücksfall im St. Josef-Stift Eisingen (Lkr. Würzburg) war Fall für das Würzburger Amtsgericht: Ein 49-jähriger Betreuer einer Wohngruppe für behinderte Menschen war wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Während seiner Schicht war eine Bewohnerin in der Badewanne zu Tode gekommen. Nach dreieinhalb Stunden Beweisaufnahme wurde das Verfahren am Mittwoch eingestellt: Alle Beteiligten waren sich einig, dass den Betreuer keine oder nur eine sehr geringe Schuld an dem Unfall trifft.
Die Mutter als Nebenklägerin
Bezeichnend für den Prozess, dass sich die Mutter der Verstorbenen und der Angeklagte nach Ende des Verfahrens im Sitzungssaal in die Arme nahmen. Die Mutter war zwar als Nebenklägerin aufgetreten, ihre Vorwürfe richteten sich aber weniger gegen den Heilerziehungspfleger. In erster Linie wollte sie auf die mangelhafte Personalausstattung hinweisen: "Ich bin der Meinung, dass solche Dinge mit einem besseren Personalschlüssel nicht passieren würden."
Dies hatte die Nebenklägerin während der Beweisaufnahme durch ihre Fragen an den Wohnbereichsleiter des St. Josef-Stifts deutlich gemacht. Unter anderem wollte sie wissen, warum in der Wohngruppe ihrer Tochter außer am frühen Morgen nur ein Betreuer für zehn Bewohner anwesend gewesen war. So auch an jenem Mai-Abend vor zwei Jahren, als der Angeklagte die Frau, die aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Einschränkungen Unterstützung bei der Körperpflege benötigte, gegen 17 Uhr aufforderte, sich zum Duschen ins Badezimmer der Wohngruppe zu begeben.
Zehn oder zwölf Minuten im Badezimmer alleine gewesen
Dass er sie dort etwa zehn bis zwölf Minuten unbeaufsichtigt gelassen hatte, um Rührei für einen anderen Bewohner zuzubereiten, bezeichnete die Leiterin der Wohngruppe als völlig normalen Vorgang. Die Bewohnerin habe immer relativ lange gebraucht, um sich zu entkleiden: "Wir kannten ihr Tempo. Es war mit Sicherheit nicht damit zu rechnen, dass alles so schnell vor sich geht", sagte die 59-Jährige.
Nachdem er von einem Bewohner der WG alarmiert worden war, hatte der Betreuer die Frau nicht wie erwartet unter der Dusche gefunden - sondern leblos im mehr als 50 Grad heißen Wasser der Badewanne. Seine Wiederbelebungsversuche waren erfolglos, auch der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen.
Verbrühungen im heißen Wasser: Tod durch Kreislaufversagen
Laut Anklage hatte die Bewohnerin Verbrühungen erlitten und war an Kreislaufversagen gestorben. Anders als bei der Dusche mit Mischbatterie hatte die Badewanne keine Vorrichtung, um die Wassertemperatur auf maximal 45 Grad Celsius zu halten.
Die Anklage ging davon aus, dass der 49-Jährige die Frau in der Wanne alleine gelassen und dadurch seine Aufsichtspflichten verletzt hatte. Davon blieb nach der Beweisaufnahme nicht viel übrig – unter anderem deshalb, weil die Leiterin der Wohngruppe es für ausgeschlossen hält, dass der Angeklagte seinen Schützling in die Badewanne ließ, ohne vorher selbst Wasser in der richtigen Temperatur einzulassen.
Damit bestätigte sie die Version ihres Kollegen. Der Angeklagte habe die Bewohnerin lediglich, wie jeden Tag üblich, zum Duschen aufgefordert und dann das Bad verlassen, während die Frau sich entkleidet habe, so Verteidiger Hanjo Schrepfer: "Er ging davon aus, dass sie wie jeden Tag ihre Dusche nimmt."
4,25 Vollzeitstellen für zehn Bewohner
Das sah auch der Vorsitzende so, der die Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld anregte: "Der Ablauf des Geschehens war vollkommen untypisch und kaum vorhersehbar." Der Anklagevertreter stimmte der Einstellung sofort zu. "Ich beneide keinen der Beteiligten um die Vorgaben und Zwänge, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit umgehen müssen", so Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh.
Nach Angaben des Wohnbereichsleiters hat die Wohngruppe 4,25 Vollzeitstellen für zehn Bewohner, die auf sechs Mitarbeiter aufgeteilt sind: "Wir legen unseren Personalschlüssel nach bestem Wissen und Gewissen fest. Es war ein schrecklicher Unfall, den wir in unserer Risikoplanung nicht vorhergesehen haben."