Es gibt zwar keine Zweifel daran, dass die Gemeinde Estenfeld Abwasser in die Kürnach eingeleitet und damit drei Fischsterben ausgelöst hat – aber strafrechtliche Konsequenzen gegen Bürgermeister Michael Weber und Gemeindemitarbeiter folgen nicht: Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat die Ermittlungen wegen Gewässerverunreinigung eingestellt. Jetzt prüft das Landratsamt, ob die Beschuldigten Ordnungswidrigkeiten begangen haben.
„Konkrete Punkte für einen individuellen Schuldvorwurf können nicht gemacht werden“, begründet der Würzburger Leitende Oberstaatsanwalt Dietrich Geuder die Entscheidung seiner Behörde.
Ausgelöst wurden die Fischsterben in der Kürnach in den Jahren 2011, 2012 und 2013 durch Regenüberlaufbecken der Gemeinde, die nicht funktioniert haben. Diese Becken halten starken Regen auf, der die Kläranlage überfordern würde. Die Mischung aus Regenwasser und Abwasser wird dann dosiert in den Kanal und in den Bach abgeben. Damit das funktioniert, müssen Kommunen die Becken regelmäßig und nach jedem stärkeren Regen kontrollieren.
Das hat Estenfeld nicht getan – sagt das Landratsamt Würzburg. Nachdem der Estenfelder Umweltskandal immer wieder Schlagzeilen gemacht hatte, erklärte das Landratsamt, dass für die Fischsterben „Mängel in der Eigenüberwachung der Gemeinde Estenfeld ursächlich sind“.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass im April 2013 Kloake in den Bach lief, weil eine Störung des Estenfelder Beckens tagelang nicht bemerkt wurde, obwohl die Störungsmeldungen an Gemeindemitarbeiter per SMS weitergeleitet werden sollten. Doch da die Polizei nicht ermitteln konnte, auf wessen Handy die SMS eingegangen war, gibt es keinen Verantwortlichen. In einem früheren Fall hat ein Gemeindemitarbeiter das Becken nicht ordentlich kontrolliert. Weil ihm niemand gesagt hat, wie es geht, trifft ihn laut Staatsanwaltschaft nur eine geringe Schuld an der Gewässerverunreinigung, die dadurch ausgelöst wurde.
Geschult oder fachgerecht in die Kontrollen eingewiesen wurden die zuständigen Mitarbeiter ohnehin nicht. Hätten das nicht Vorgesetzte und Bürgermeister tun müssen? Genauso wie dafür zu sorgen, dass Betriebstagebücher geführt, Genehmigungen für die Abwassereinleitung beantragt und verbotene Einläufe in die Kürnach geschlossen werden?
Laut Oberstaatsanwalt Geuder lässt sich aus keinem dieser Punkte ein strafbares „Organisationsversagen“ von Bürgermeister Weber ableiten. „Denn die verschiedenen Schadensereignisse hatten jeweils andere Ursachen. Zudem waren Schutzmaßnahmen ergriffen worden.“ Diese hatte das Landratsamt nach den ersten beiden Fischsterben angeordnet.
Empört reagiert Bachpächter Matthias Hampl, der die Fischsterben angezeigt hatte, auf die Einstellung der Ermittlungen: „Der Bach wurde dreimal getötet und jetzt wird niemand dafür verantwortlich gemacht.“ Er ist von der Justiz enttäuscht: „Ich habe nicht geglaubt, dass Umweltskandale in heutiger Zeit noch unter den Tisch gekehrt werden können.“
„Es gibt zahlreiche Indizien, die zeigen, dass die Gemeinde und vor allem der Bürgermeister ihrer Pflicht zur Überwachung der Anlagen nicht nachgekommen sind“, sagt der Würzburger Rechtsanwalt Konrad Abelmann-Brockmann, der Hampl vertritt. Der Anwalt fragt sich, wie die Staatsanwaltschaft diese Indizien bewerten würde, wenn sie nicht gegen eine Gemeinde, sondern gegen ein privates Unternehmen ermittelt hätte. „Was darf sich eine Gemeinde erlauben, ohne bei Umweltschädigungen Verantwortung übernehmen zu müssen?“, fragt sich die Vorsitzende des Lengfelder Bürgervereins Andrea Angenvoort-Baier. Die Einstellung der Ermittlungen seien „für alle Bürgermeister und Gemeinden ein Signal, dass sie ungestraft die Umwelt verschmutzen dürfen“.
Ob die Gewässerverschmutzung mit Ordnungsstrafen geahndet wird, prüft jetzt das Landratsamt. „Zunächst wird mit den beteiligten Personen eine Anhörung erfolgen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären“, sagt Eva von Vietinghoff-Scheel, Leiterin des Umweltamtes. Geprüft werde, ob Bürgermeister und Gemeindemitarbeiter gegen das Wasserhaushaltsgesetz und die Eigenüberwachungsverordnung verstoßen haben. Im Gemeinderat Estenfeld ist die Einstellung der Ermittlungen kürzlich mit zwei Sätzen bekannt gegeben und mit erleichtertem Raunen begrüßt worden.