
„Obwohl ich jeden Morgen die Zeitung gelesen habe, wusste er oft mehr über Würzburg als ich.“ Horst Rahner staunt noch heute, wenn er über seinen Freund Günter Herold erzählt. Der ist mit 18 Jahren aus Grombühl in die USA ausgewandert und las jeden Tag die Main-Post im Internet. Jetzt ist der querschnittsgelähmte Vietnam-Veteran mit 73 Jahren an Krebs gestorben.
1955 besuchen Rahner und Herold dieselbe Abschlussklasse der Pestalozzischule in Grombühl. Die Buben werden auch zusammen konfirmiert und verbringen viel Freizeit gemeinsam. 1958 trennen sich ihre Wege – Günter Herold wandert in die USA aus. „Die Verhältnisse in Deutschland waren damals nicht gut“, berichtet Horst Rahner, „Günters fünf Jahre ältere Schwester war bereits nach Amerika gezogen und erzählte ihm von den besseren Lebensbedingungen dort. Da fiel ihm die Entscheidung nicht schwer.“
Also zieht Herold nach Chicago, um dort in einer Brotfabrik zu arbeiten. Später macht er sich in seinem ursprünglichen Beruf als Konditor selbstständig und fertigt von nun an Hochzeitstorten. Dann geht Herold zur US-Army, die ihn auch nach Vietnam schickt. In dieser Zeit hat er einen schlimmen Unfall und er landet querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Was genau passiert ist, kann Rahner nicht erzählen – er weiß es selbst nicht. „Günter hat nie über seinen Unfall gesprochen“, zuckt er mit den Schultern.
Über viele andere Dinge sprechen die beiden aber regelmäßig. „Wegen der Zeitverschiebung hat er mich immer am Abend angerufen“, erklärt Rahner. Nach seiner Genesung zieht Herold nach Florida um.
Trotz seiner Behinderung treibt er viel Sport. Ski, Wasserski, Eishockey, Diskuswerfen, Bowling, Paragliding – stolz zeigt Rahner die Fotos, die seinen Freund bei vielfältigen Aktivitäten zeigen: „Er hat jede Art von Sport gemacht!“
Auf einem der Bilder ist Günter Herold er mit einem Sexsymbol der 80er Jahre zu sehen: „Das ist Günter mit Bo Derek!“, sagt Rahner begeistert. Die Schauspielerin trifft Herold bei einer Veranstaltung für Veteranen der Armee.
Alle drei bis vier Jahre kommt Herold in die alte Heimat Würzburg zurück, häufig auch zu Klassentreffen. „Er wollte immer alles sehen: Die Residenz, die Festung, Grombühl, wo wir unsere Kindheit verbrachten – einfach alles“, erinnert sich Rahner, „Ich musste ihn überall herumfahren.“
In Florida besucht hat Horst Rahner seinen Freund nie, trotz vieler Einladungen: „Ich wollte ihm nicht zur Last fallen. Außerdem habe ich vorm Fliegen Angst.“ Als er den anderen Klassenkameraden vom Tod Herolds erzählte, waren alle zutiefst getroffen, denn er war unter den Grombühler Jungs immer sehr beliebt.
Vergessen wird Rahner die Zeit mit seinem besten Freund nie: „Ich denke immer daran, wie er mitten auf der Straße Saltos und Handstände gemacht hat.“