Mit einem Lachen im Gesicht pflügt Magdalena Neuner zwischen den Tannenbäumen durch den Schnee. Verausgaben muss sich die ehemalige Biathletin nicht, ist ihr Radius doch begrenzt. Genauer gesagt, er hat den Umfang einer Torte.
Darauf steht Magdalena Neuner nämlich – und in diesem Fall darf man ungestraft sagen: Sie ist zuckersüß. Ihr Körper besteht ganz und gar aus Zuckermasse, die Tanja Döhler aus Simmershofen mit viel Fingerspitzengefühl und einem guten Auge zu einer Neuner-Figur modelliert hat. „Das war eine echte Herausforderung“, bekennt die 38-jährige Tortendesignerin. Erleichtertes Aufatmen bei ihr, als die Figur, die sie Stück für Stück zusammenfügte, endlich auf ihren Skiern – und auf der Torte steht.
Ihre Torten sind wahre Kunstwerke. Viele sind zwar klassisch rund, doch manche Buttercremetorte wird zur Flasche, zum Glas, Hufeisen oder Auto. „Fast alles ist möglich“, meint sie. Und alles ist Handarbeit, natürlich auch die Buttercreme selbst. Schon als Jugendliche backte sie gerne. Sie besitzt das handgeschriebene Rezeptbuch ihrer Oma, das sie wie einen Schatz hütet und in Ehren hält. Wie auch ihre Oma selbst, deren Bild über ihrem Arbeitsplatz hängt und ihr bei ihren Kreationen sozusagen über die Schultern blickt.
Bei den Motiven richtet sie sich nach den Wünschen ihrer Kunden, auch bei dem, „was drauf soll“. Sie backt aber nicht so einfach „drauflos“, sondern skizziert das Motiv auf einem Block, das dann aus der Torte herausgeschnitten wird. Das ist meist der einfachere Teil der Geschichte. Zuvor benötigt sie nämlich den fertigen „Aufbau“ aus Figuren oder anderem Zierwerk. „Das kann schon einige Wochen dauern“, weiß sie aus Erfahrung. Die Zuckermasse muss gut durchtrocknen, bevor wieder ein Stück mit Zuckerkleber angesetzt werden kann. Auch Marzipan kommt zum Einsatz, aber „Figuren aus Zuckermasse halten für die Ewigkeit“, erklärt die Tortendesignerin.
Die Beispiele in ihren zwei Vitrinen belegen dies. Schneemänner in einer Winterlandschaft, Brautpaare, Babys krabbelnd, sitzend oder in der Wiege liegend, ein Jäger im Wald mit Hochstand, Fuchs und Frischling – alles lebensecht aus selbst hergestellter Zuckermasse modelliert. Wenn es einen wundert, warum ihre Orchideen nicht nur am hellen Fenster, sondern auch in einer dunkleren Ecke ihres Arbeitsraumes prächtig gedeihen – richtig, sie sind aus Zucker. Auch eine ihrer exotischen Gewächse am Fenster hat eine zusätzliche Zuckerblüte bekommen, was aber nur mit wirklich gutem Auge zu erkennen ist. Natürlich ist die leuchtend rote Rose auch nicht echt. „Die ist ganz einfach herzustellen“, lacht die 38-Jährige und holt Zuckermasse aus dem Kühlschrank. Mit roter Lebensmittelfarbe färbt sie die Masse ein, trennt ein kleines Stück ab, rollt es mit dem Nudelholz aus und sticht mit einem Förmchen ein Blatt heraus. Das kommt auf einen Stiel, den sie vorher an einem Ende mit der Masse umwickelt hat. Eine Silikonform gibt dem Blütenblatt Struktur und mit einem zahntechnischen Gerät – sie ist gelernte Zahntechnikerin – wellt Tanja Döhler das Blatt am Rand auf. Mit Lebensmittelpuderfarbe bekommt es einen frischen Farbton. Blatt für Blatt entsteht die Rosenblüte, für die sie rund eineinhalb Stunden benötigt.
„Vor zwölf oder 13 Jahren hat es angefangen“, erzählt sie. „Ich bekam ein Motiv-Tortenbuch in die Finger und war total fasziniert“, erinnert sie sich. Sie kreierte Torten – und verschenkte sie, bis eine Freundin ihr riet, sich selbstständig zu machen. Doch laut Handwerkskammer hätte sie Meisterin sein müssen. Auch der spätere Abschluss an der Hauswirtschaftsschule verschaffte ihr keine Ausnahmegenehmigung. Einige Zeit verging und sie unternahm einen weiteren Anlauf. Die Dame bei der Handwerkskammer, mit der sie diesmal sprach, hatte eine Lösung für sie.
Sie darf nur Kuchen und Torten backen und sie designen – und sie absolvierte einen Facheignungstest, den sie sehr gut bestand. Seit Juli vergangenen Jahres ist sie offiziell in die Handwerkerrolle eingetragen. Sie strahlt, denn ihren Traum hat sie nun verwirklicht.
„Mir macht das Spaß, das ist meine Erfüllung“, freut sich Tanja Döhler. Jede Torte sei für sie eine neue Herausforderung, keine sei gleich. „Das macht den Reiz aus!“. Nichts verlässt ihren Arbeitsraum, was ihr nicht selbst gefällt. Deshalb stand Magdalena Neuner nicht allein auf der Torte, sondern durfte durch eine winterliche Landschaft fahren. Das anatomische Modellieren der jeweiligen Figuren bereitet ihr besonderen Spaß.
„Da hilft mir mein früherer Beruf als Zahntechnikerin“, lacht die 38-Jährige. Das Nachbilden von Personen komme immer mehr in Mode. „Das stammt aus England“, erzählt Döhler, deren nächster Traum es ist, dort entsprechende Kurse zu besuchen. „Denn damit stehe ich noch ganz am Anfang“, gibt sie zu und wendet sich dem nächsten Tannenbaum für die Neuner-Landschaft zu, bevor dann ein BMW aus der Buttercreme fahren darf.