zurück
Würzburg
Tod eines Demenzkranken: Frau und Sohn des Toten freigesprochen
Ein 51-Jähriger aus dem Landkreis Würzburg war an Demenz erkrankt und verhungert. Seine Familie musste sich dafür vor Gericht rechtfertigen.
Für den Tod eines Demenzkranken mussten sich dessen Frau und Sohn vor dem Amtsgericht Würzburg verantworten. Beide waren der fahrlässigen Tötung des Ehemanns beziehungsweise Vaters angeklagt, beide wurden freigesprochen.
Foto: Daniel Karmann, dpa | Für den Tod eines Demenzkranken mussten sich dessen Frau und Sohn vor dem Amtsgericht Würzburg verantworten. Beide waren der fahrlässigen Tötung des Ehemanns beziehungsweise Vaters angeklagt, beide wurden freigesprochen.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.02.2024 19:58 Uhr

Vier Jahre dauerte das Leid des Demenzkranken. Am Ende war der ohnehin schon schlanke frühere Lkw-Fahrer nur noch ein Schatten seiner selbst: Der 51-Jährige wog noch 34 Kilo bei fast 1,80 Meter Größe, als er 2017 starb.

Vier weitere Jahre mussten Frau und Sohn mit einem fruchtbaren Verdacht leben: Waren sie mit der Pflege überfordert und hatten ihn einfach verhungern lassen? Nein, sagten nun die Richter um den Vorsitzenden Jürgen Reiher am Donnerstag. "Das Amtsgericht hat beide freigesprochen", bestätigte Pressesprecher Frank Glöckner.

"Verurteilung wäre Schlag ins Gesicht gewesen"

Der 52 Jahre alten Ehefrau und ihrem 24 Jahre alten Sohn wurde fahrlässige Tötung vorgeworfen.  Dies habe man "nicht mit der zur Verurteilung erforderlichen Sicherheit" nachweisen können, teilte das Gericht mit. "Jede Verurteilung wäre ein Schlag ins Gesicht derjenigen gewesen, die ihre Angehörigen zu Hause liebevoll pflegen", sagte eine der Verteidigerinnen. Sie hatten, wie zuletzt die Staatsanwaltschaft, Freispruch gefordert.

Die Ehefrau sprach im Prozess von Überforderung und ihrer "Unfähigkeit, Hilfe von außen nachhaltig anzufordern". Der Sohn des Verstorbenen aus dem Landkreis Würzburg hatte bei der Pflege geholfen, während sich der Zustand seines Vaters immer weiter verschlechterte. Er habe sich dadurch stark belastet gefühlt, sagte er.

Kein schuldhaftes Unterlassen

Das Gericht fand keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Mann schon Wochen vor seinem Tod nicht mehr ausreichend versorgt worden wäre. Er starb zwar an Unterversorgung, wie der Sprecher des Gerichts erklärte. Und die Familie habe mit der Verständigung der Rettungskräfte gewartet, obwohl der Vater "bereits seit dem vorherigen Monat die Nahrungsaufnahme verweigert hatte". Doch laut Gericht war denkbar, "dass es sich zu dem Zeitpunkt bereits um einen Palliativfall gehandelt hatte und unter Umständen selbst bei einer früheren Alarmierung der Tod des Geschädigten eingetreten wäre", machte der Vorsitzende deutlich.

Gutachten der Rechtsmedizin war Grundlage für den Freispruch

Das Gericht konnte sich auf ein Gutachten des Chefs der Würzburger Rechtsmedizin stützen. Professor Michael Bohnert hatte betont: "Der Tod bei einem Demenzkranken tritt in der Regel durch Verhungern ein." Dies deckte sich mit den Schilderungen der Angehörigen. Der Familienvater sei nur noch "Haut und Knochen" gewesen, schilderte ein Arzt im Prozess. 

Da der Sohn des Toten 2017 noch nicht 21 Jahre alt war, fand der Prozess am Jugendschöffengericht statt – teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der heute 24-Jährige galt damals als Heranwachsender. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Manfred Schweidler
Angehörige
Demenz
Demenzkranke
Familien
Professoren
Rechtsmedizin
Söhne
Tote
Verstorbene
Ärzte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top