Wer beim Waldspaziergang mit offenen Augen unterwegs ist, kann sie auch im Winter entdecken: Tierspuren. Doch wie liest man diese Spuren und interpretiert sie richtig? Rund um den Tierpark Sommerhausen haben sich Kinder auf Spurensuche gemacht.
Fünf Köpfe beugen sich eifrig über den Tisch in der Umweltstation des Parks. Dort findet sich ein buntes Sammelsurium an Fundstücken aus der Natur: ein kleiner Tierschädel, ein Geweih, eine Schlangenhaut, eine getrocknete Blindschleiche, Federn, angenagte Haselnüsse und Tannenzapfen. „Tierspuren sind weit mehr als bloße Fußabdrücke“, sagt Andrea Fahmer, während sie die einzelnen Stücke unter den Kindern herumgehen lässt. Die Ökologin leitet das Angebot des Tierparks im Rahmen des Ferienprogramms und sorgt mit ihrer Erklärung für das erste Aha-Erlebnis des Tages: Unter Tierspuren versteht man alles, was Tiere hinterlassen.
Getrocknete Blindschleichen und Katzenschädel
Nicht immer ist die naheliegende Lösung die richtige, so die zweite Erkenntnis. Wer hat in die Haselnüsse ein Loch geknabbert? Da waren Eichhörnchen am Werk, sind sich die Kinder sofort einig. Fahmer schüttelt den Kopf. „Erfahrene Eichhörnchen knacken Haselnüsse, sie spalten sie in der Mitte auf.“ Die Nüsse müssen also von einem kleineren Tier bearbeitet worden sein, das diese Technik nicht beherrscht – etwa eine Waldmaus.
Die schwarz-weiße Feder stammt von einem Specht, eine Feder mit blauer Färbung vom Eichelhäher – das alles finden die Kinder heraus, indem sie die Fundstücke auf dem Tisch mit Bildern aus Büchern über Tierspuren abgleichen. Für Faszination und Grusel gleichermaßen sorgt die getrocknete Blindschleiche: „Ich hab' gedacht, die ist aus Plastik!“, staunt der siebenjährige Andreas und reicht das Tier schnell weiter.
Beim nächsten Fundstück, Tierhaare in einem durchsichtigen Tütchen, „muss man Detektiv sein“, kündigt Fahmer an und verteilt Vergrößerungsgläser. Nach ausgiebigem Begutachten und Raten hilft die Ökologin weiter: Es handelt sich um die Haare eines Säugetieres, genauer, die ihrer eigenen Katze. Den kleinen Tierschädel wiederum hat Fahmer in einer Hecke gefunden, die Kinder sollen anhand der Zähne herausfinden, ob es sich dabei um ein Raubtier oder einen Pflanzenfresser gehandelt hat. Große und spitze Eckzähne lassen auf ersteres schließen – und bald steht fest: Es ist ein Katzenschädel.
Die Gruppe der Kinder, die sich an diesem Morgen im Tierpark eingefunden haben, ist klein – die Aufmerksamkeit und das Interesse der Grundschüler für das Thema dafür umso größer. Beim Ratespiel „Wer bin ich?“ schlüpft jedes der Kinder in die Rolle eines Tieres.
Mit geschickten Fragen versuchen die Sieben- und Achtjährigen herauszufinden, wer sie sind: „Habe ich Hufe?“, „Stinke ich manchmal?“ Auch während der Frühstückspause bleiben die Schüler beim Thema: Bei Tee und belegten Broten wird darüber gefachsimpelt, wie Eichelbohrer denn eigentlich ihre Eier in Eicheln legen.
Ehe es in den frisch eingeschneiten Wald geht, gibt es letzte Trockenübungen in der Umweltstation: Anhand von Stempeln machen sich die Kinder mit den Spuren von Fuchs, Wildschwein, Luchs, Reh, Marder und Krähe vertraut. „Den Luchs findet man hier aber nur sehr selten“, erklärt Niklas fachmännisch, während er konzentriert Luchs-Spuren auf ein Blatt Papier stempelt. „Im bayerischen Wald wird der Luchs seit zehn bis 15 Jahren gesichtet“, weiß Fahmer und gibt den kleinen Forschern einen Tipp: Wer im Wald Tiere beobachten möchte, sollte sich am besten verstecken und ganz still sitzen – im Winter keine verlockende Vorstellung. „Traut Ihr Euch bei dem Wetter überhaupt raus?“ Die Frage der Ökologin geht im einhelligen „Jaaa!“ der Kinder unter.
Im Energiesparmodus durch den Schnee
Dick eingepackt geht es in den Wald. Schon bald tauchen die ersten Spuren im frischen Schnee auf – und sorgen für helle Aufregung. Fahmer kreist sie mit einem Stock ein, und schnell wird klar, dass es sich um einen Hund gehandelt haben muss. Anhand des Abdrucks können die Spurensucher bestimmen, in welche Richtung das Tier gelaufen ist, und ob es gerannt oder gehüpft ist.
Den Blick fest auf den Boden gerichtet geht es weiter; hinter der nächsten Weggabelung wartet die nächste Spur. „Ein Wolf!“, sind sich die aufgeregten Kinder sicher. „Ich denke eher, das war ein zweiter Hund“, relativiert Fahmer. Dass die Tierspur etwas verwischt wirkt, erklärt sie mit dem „Energiesparmodus“, in dem sich manche Tiere durch den Schnee bewegten. „Tiere tragen keine Schuhe, für sie ist Laufen im Schnee beschwerlich“, so Fahmer. Deswegen setzen sie ihren Hinterfuß exakt in die Spur vom Vorderfuß – und sparen so Energie. Der Schneespaziergang endet mit der Erkenntnis: Ob Hund oder Wolf – eine Spurensuche im Wald schärft den Blick und ist bei jedem Wetter spannend.