
Der Kunstverein Würzburg stellt auf seinem Schiff Arte Noah im Alten Hafen Malerei von Sebastian Maas aus. Der 40-Jährige war an der Münchner Akademie Meisterschüler von Karin Kneffel, die ein solches Aufbaustudium bei Gerhard Richter absolvierte. Tatsächlich setzt Maas eine Tradition des durchreflektierten Realismus fort. Zugänglicher als die drei Großformate sind die 26 Menschen-Affen-Porträts in Öl auf knapp A4-großen Lkw-Planenstücken. Selbstbildnisse in Frauenrollen wechseln ab mit Tierstudien, an denen auch der zoologische Laie erkennt: Maas hat jedes Mal eine bestimmte Affenart im Sinn, und jedes Exemplar ist in der jeweiligen Situation äußerst präsent. Das steht schonmal in klarem Kontrast zu den queeren Selbstinszenierungen des Künstlers direkt nebenan. Außerdem führt diese Konstellation zu der Frage: Wie sieht es mit den Affen aus? Gleiten da auch die Übergänge zum Menschen hin oder gibt es klare Grenzen?
Bei der Vernissage löste Sebastian Maas die letzte Frage nach der Nähe von Mensch und Tier einfach: "Affen lösen sehr viel im Menschen aus – auch Abstoßung." Verwischte Grenzen und Ambivalenzen beherrschen diese Ausstellung und tragen also zur geistigen Regsamkeit der Betrachterinnen und Betrachter bei. Ein Katalogtext formulierte es 2018 so: "Seine komplexen Werke laden den Betrachter ein, sich an dem hochintellektuellen Spiel zu beteiligen." Und Maas selbst meinte im kleinen Kreis am Rand der – auch von jungem Publikum sehr gut besuchten – Vernissage, er wolle "intellektuell provozieren". Dabei aber Obacht: Der Mann hat vor seinem Kunststudium einen Abschluss in Biologie / Neurowissenschaften gemacht.
Ein weiterer Maas-Ansatz ist die Adaption barocker Motive, bei denen es zum Genuss sicher beiträgt, wenn man einiges kunsthistorische Wissen mit vor die Leinwand bringt. Sebastian Maas zeigt in seiner Rubens-Interpretation an der Stirnwand des Ausstellungsraums aber auch unmittelbar, worauf es ankommt beziehungsweise worauf es Rubens bei seinen fünf Quadratmetern "Der Raub der Töchter des Leukippos" ankam: nicht auf den Inhalt, die Handlung, sondern auf "Komposition und Opulenz". Das ist vielfach noch heute so. Das eine Leukippos-Kind hat zwar einen Waschbrettbauch, dafür bildet ein güldener Riesenphallus das Rückgrat des gesamten Bildaufbaus. Themen überschneiden sich mit der Porträtserie. Die, was man nachtragen sollte, vorherrschend monochrom in Farben alter Fotoabzüge gehalten ist.
Ob das auf den Meister von Maas’ Meisterin Kneffel verweist? Gerhard Richter befreite das Abmalen von Fotos ja von dem Ruch, dabei mache sich ein Künstler die Sache einfach; Richter klopfte mit dem Pinsel in anspruchsvollen Versuchsanordnungen das Verhältnis von Realität und Bild ab. Sein Enkelschüler bekennt nun völlig freimütig, er fische seine Affen-Vorlagen aus dem Internet. Und noch nonchalanter: Die feminisierten Selbstporträts entstanden mithilfe einer frühen Version des Computerprogramms Reface, die er dann mit – immerhin oft selbstgemachten – Ölfarben auf Plastikfolie übertrug. Das heißt kunstgeschichtlich für die Gegenwart: So selbstverständlich das Arbeiten nach Fotografien früher war, so normal wird allmählich die künstlerische Betätigung auf Grundlage von KI. Wenigstens nicht umgekehrt.
Bei aller Intellektualität können virtuos ausgeführte Passagen auf Sebastian Maas’ Gemälden selbst den Traditionalisten immer wieder erstaunen und erheitern: So ein Münchner Akademieabsolvent, der hat schon auch ordentlich sein Handwerk gelernt!
Die Ausstellung von Sebastian Maas mit dem Titel "Accidit" dauert bis zum 24. November. Geöffnet ist donnerstags von 16 bis 19, freitags, samstags, feiertags von 15 bis 18 und sonntags von 12 bis 18 Uhr.