Der US-amerikanische Autor H. P. Lovecraft (1890-1937) hatte Angst vor dem Fremden. Er reagierte sich in Horrorgeschichten ab. In einer der bekanntesten Storys, "Der Ruf des Cthulhu", nimmt die schreckliche Fremdheit zyklopische Dimensionen an. Jetzt wagte sich die kleine Theaterwerkstatt an eine Inszenierung dieses kosmischen Desasters. Schon allein der Mut, die Energie der Umsetzung und die Klarheit der Dramaturgie verdienen großen Respekt! Und viele Zuschauer. Genauer: Zuhörer, vor allem beim Showdown. Das junge Team um Jannik Pitt und Johannes Kern (Buch und Regie) lässt die Bühne schon visuell ein bisschen wachsen. Gigantische Dimensionen erschließen die Spielerinnen und Spieler allerdings akustisch, von MP-Salven bis zur Weheklag’. Da wird es in dem Keller richtig laut. Und damit das wirkt, geht das Licht aus – was bei der düsteren Geschichte obendrein inhaltlich berechtigt ist.
Also: Studierende diskutieren mit ihrer Altertumswissenschafts-Professorin die Möglichkeit, dass Außerirdische vor mehreren 100 000 Jahren eine Hochkultur auf die Erde brachte, von der heute keine Spuren mehr existieren. Außer vielleicht, dass der tote Hohepriester der Aliens heute noch irgendwo auf dem Meeresgrund liegt, träumt, und bei seinem Auferstehen die Menschheit – spaltet... Zweite Szene: Polizisten durchkämmen einen Sumpf, in dem Menschen verschwunden sind und unerklärliche Dinge geschehen sein sollen. Finale: Seefahrer begegnen dem Alienpriester auf einer Insel, die Lovecraft als unbeschreiblich beschreibt. Alles geht in Wahnsinn unter.
Bezwingende Bühnenlösungen
Vier Darsteller geben wechselnde Rollen: Jelka Dirksen, Tobias Schmidt, Lea Zajdler und Jasmin Hofstetter agieren alle etwa in gleichem Maß stilisiert, doch von erfrischend unterschiedlichem Naturell. Die letztgenannte wurde gleich nach der Premiere krankheitsbedingt vom Leitungsteam vertreten, was die Besetzung noch etwas draller machte.
Bezwingende Bühnenlösungen zeigen vor allem die Passagen, in denen Lovecraft reflektierte oder beschrieb. Solche Texte können in der Theaterwerkstatt als Mauerschau beginnen und allmählich bekenntnishafte Züge annehmen. Die Ebenen verschwimmen hier so wie die geschilderte Architektur auf besagter Cthulhu-Insel. Apropos: Die Würzburger Texter glorifizieren ihren Lovecraft keineswegs; grade die Insel-Beschreibung strotzt vor Stilblüten und falschen Metaphern, die dennoch mit hohem Ernst ausgespielt werden. Dagegen nahmen Pitt und Kern rassistische und misogyne Aussagen Lovecrafts nicht in ihre Fassung auf. Nach eineinhalb pausenlosen, erstaunlichen Stunden setzen die Macher ein punktgenaues Ende.