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Würzburg
Theateraufführung in Würzburg: Kafka für den Dancefloor
„Der Prozess“ von Franz Kafka wird am Samstag, 23. April, um 20 Uhr im Theater Ensemble in Würzburg gespielt und steht bis 25. Juni auf dem Programm.
Foto: Katharina Gebauer | „Der Prozess“ von Franz Kafka wird am Samstag, 23. April, um 20 Uhr im Theater Ensemble in Würzburg gespielt und steht bis 25. Juni auf dem Programm.
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 25.04.2022 02:22 Uhr

"Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines morgens verhaftet". Der erste Satz von Franz Kafkas Romanfragment "Der Prozess" ist einer der berühmtesten Romananfänge der Weltliteratur. Kein Wunder also, dass auch die von Tobias Schmidt erstellte und von ihm für das Würzburger Theater Ensemble inszenierte Bühnenfassung von Kafkas Roman mit diesem Satz beginnt. Doch damit sind die Parallelen zwischen dem 1914 bis 15 verfassten und erstmals 1925 erschienenen Text und der knapp zweistündigen Theaterversion schon fast erschöpft.

Denn Regisseur Tobias Schmidt wagt einen ganz eigenen, überaus zeitgenössischen Zugriff auf den Stoff, der sich wenig um die gängigen Interpretationsmuster schert. Gleich nach dem Eingangssatz schlägt seine Inszenierung, immer wieder vorangetrieben von pulsierendem Dancefloor-Techno einen anderen Weg ein: Schmidt lädt Kafkas distanzierte, sachlich-nüchterne, streckenweise geradezu technisch-kalte Sprache mit Emotion, Lautstärke und einer grotesk anmutenden Bewegungschoreografie auf, die sein aus Johannes Kern (als Josef K.), Julian Sturz, Johanna Bode und Vivianne Hammermüller (alle drei in mehreren Rollen) bestehendes Ensemble leidenschaftlich und mit großer Perfektion umsetzt.

Es ist die moderne Welt, gleichermaßen anomym-bürokratisch wie monoton-gleichförmig, die jede Individualität zu verweigern versucht und den Einzelnen einer für ihn undurchschaubaren Ordnung aussetzt. So wie Kafkas "Held" Josef K. orientierungslos von Station zu Station stolpert, um den Grund seiner Verhaftung zu erfahren. Hilfsangebote in Worten erhält er zuhauf, echte Unterstützung im Kampf gegen das ungerechtfertigte Verfahren, den unaufhaltsam, quasi automatisch gegen ihn ablaufenden Prozess jedoch nirgends. Weder von Frau Grubach, seiner Vermieterin, noch von Zimmernachbarin Fräulein Bürstner; ebensowenig von den institutionellen "Helfern" wie dem Untersuchungsrichter und dem Gerichtsdiener, und erst recht nicht von dem von ihm engagierten Advokaten Huld, der sich stattdessen lieber mit seinem Hausmädchen Leni amüsiert.

Leni ist auch Josef K. zugetan, allerdings nur sexuell, auch der Gerichtsmaler Titorelli sieht in ihm nur das künstlerische Modell; so endet der Weg von Josef K. zwangsläufig beim Gefängniskaplan. Kafka-Puristen mag dieser Abend verstören, das nahezu ausschließlich studentische Publikum zeigte sich fasziniert und überaus begeistert.

Nächste Vorstellungen sind am Samstag, 23. April, sowie vom 26. bis 28. Mai.

 
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