Die Realität abstreifen, in neue Rollen schlüpfen, jemand ganz anders sein - drei Tage lang tauchten 22 Kinder und Jugendliche beim ersten Workshop der Röttinger Theaterakademie in die Welt des Bühnenspiels ein. Die Akademie soll zu einer festen Einrichtung werden und jungen Menschen nicht nur die Schauspielerei näher bringen, sondern auch die Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützen, sagt Theaterpädagogin Gabriela Anna Schmid.
Schmid arbeitet freiberuflich am Theater an der Rott im niederbayerischen Eggenfelden und leitet dort mehrere Theaterkreise. Bei der Ausbildung zur Theaterpädagogin lernte sie Frederike Faust kennen. Die Schauspielerin ist Leiterin von "Junges Theater" der Röttinger Frankenfestspiele. Dort spielt die theaterpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen seit einigen Jahren eine wichtige Rolle.Die Idee war geboren, auch außerhalb des Festspiel-Betriebs Kindern die Gelegenheit zu geben, spielerisch das Theaterspielen kennenzulernen.
Die Dritte im Bunde ist Anna Harandt. Die freiberufliche Tontechnikerin und Musikerin gehört ebenfalls zum Team der Frankenfestspiele und kennt die technischen Kniffe kennen, die für den perfekten Bühnenauftritt wichtig sind.
Ein vorgefertiges Stück auswendig zu lernen und zu spielen, ist das Eine. Ein Stück selbst zu erarbeiten, etwas ganz anderes. Die Röttinger Theaterakademie setzt auf letzteres. Eine simple Bildergeschichte dient als Grundlage. Es geht um die Tiere des Waldes, die den größten Angsthasen unter sich suchen, weil dem ein großer Schatz wirkt.
Die Teilnehmer des Workshops mussten selbst herausfinden, welche der Rollen am besten zu ihnen passt. "Die Figur sollte dem eigenen Charakter nahe sein, oder ganz fern", sagt Gabriela Anna Schmid. Doch die Arbeit im Workshop steht mit dieser Wahl noch ganz am Anfang. Die gesamte Dramaturgie zu erarbeiten, die Dialoge zu schreiben, die Musikauswahl zu treffen und am Ende dazu eine passenden Choreografie zu entwickeln. All das waren die Aufgaben, die es an den drei Workshop-Tagen zu bewältigen kann. "Alles entsteht im Spiel, auch die Choreografie", erklärt Gabriela Anna Schmid. "Wir fördern und unterstützen, aber arbeiten müssen die Kinder selbst."
Alle Facetten der Theaterarbeit kennenlernen
Im Rahmen dieser Arbeit sollen die jungen Teilnehmer mit möglichst vielen Facetten der Theaterarbeit bekannt gemacht werden. Um die Stückentwicklung, um den Umgang mit Requisiten und Kostümen um das schauspielerische Gestalten diverser Rollen. Viel wichtiger jedoch schätzt die Theaterpädagogin die Persönlichkeitsentwicklung ein. Es geht um Sprachtraining und Stimmbildung, um die körperliche Ausdrucksfähigkeit und um das persönliche Auftreten.
Deshalb können von einem Theaterworkshop nicht nur Kinder mit ausgeprägter Leidenschaft zur Schauspielerei profitieren, sagt Schmid. "Theaterspielen unterstützt die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ungemein und ist eines der effektivsten Ventile, um Angst oder Aggressionen abzubauen."
Für die Theaterpädagogin besonders spannend ist der Umgang verschiedener Altersgruppen miteinander. 18 Mädchen und vier Buben im Alter zwischen sechs und 15 Jahren hatten am Workshop teilgenommen. Sechs der Teilnehmer hat Schmid aus Eggenfelden mitgebracht. Sie durften während des Workshops zusammen mit ihr im Strüther Bürgerhaus wohnen. Die übrigen kommen aus dem südlichen Landkreis Würzburg und aus dem Taubertal. Viele sind sich in dem Workshop zum ersten Mal begegnet. "Da ist ein sechsjähriges Mädchen, das nach kurzer Zeit ganz selbstverständlich mit einem 13-jährigen Jungen zusammenarbeitet, das ist doch wunderbar", freut sich Schmid.
Das meint auch Tarik aus Eggenfelden. Der 13-Jährige steht bereits seit sieben Jahren regelmäßig im Theater an der Rott auf der Bühne und hat keinerlei Berührungsängste zu den jüngeren, weniger erfahrenen Teilnehmer. "Man lernt eigentlich immer dazu", sagt er ganz professionell und wird von seinem Freund Tobias bestätigt. "Theater mache ich aus Leidenschaft, und dass dabei verschiedene Altersgruppen und Generationen zusammenkommen, finde ich besonders spannend."
Drei Tage konzentrierte Arbeit
Wie konzentriert und effektiv die junge Truppe in den drei Tagen gearbeitet hat, wurde zum Abschluss des Workshops deutlich. Entstanden ist ein knapp dreiviertelstündiges Stück, in dem neben Dialogen, Gesangsparts und Tanzszenen nichts fehlte, was ein kurzweiliges Musical ausmacht. Etwa 100 Zuschauer belohnten Aufführung in der Aula der Röttinger Grundschule mit großem Applaus.
Ihren nächsten Workshop veranstaltet die Theaterakademie im Sommer in Eggenfelden. Auch dort werden Teilnehmer aus Röttingen dabei sein, so Schmid. "Wir hoffen, dass sich Röttingen und Eggenfelden anfreunden und sind überzeugt, das das weiter wächst", sagt die Theaterpädagogin.