
Eine kleine Verschnaufpause erhalten die 2400 Bürgerinnen und Bürger in Hausen (Lkr. Würzburg) nach einem Beschluss ihres Gemeinderats. Nur wenige Tage vor dem Stichtag am 1. Dezember hat das Ratsgremium abgestimmt, dass die Abwassergebühr doch nicht von aktuell 1,96 Euro auf 4,76 Euro pro Kubikmeter angehoben wird, sondern „nur“ auf 3,38 Euro. Die Gemeinde schleppt im Haushalt also Kosten mit und erhöht ihre Schuldenlast mehr und mehr.
Dabei wäre die Kommune eigentlich schuldenfrei und könnte in kommunale Aufgaben, in die Sanierung ihres Rathauses oder einen neuen Bauhof investieren. Aber in den Büchern stehen die offenen 2,2 Millionen Euro, die sie vom Konzern Autobahn Tank & Rast als deren Anteil an den Investitionskosten für die neue Kläranlage in Rieden mit ihren 3800 Einwohnergleichwerten (EWG) einfordert. Die Kläranlage ist im April 2013 in Betrieb gegangen und reinigt nicht nur das Abwasser der Hausener Ortsteile Hausen und Rieden (2000 EWG), sondern auch die Schmutzfracht der A-7-Autobahnraststätte „Riedener Wald“ (1800 EWG).
2012 alle Zahlungen eingestellt
Tank & Rast zahlt nicht. Weder ihren Anteil an den Investitionskosten noch an den laufenden Betriebskosten. Seit Ende 2012 hat sie sämtliche Zahlungen eingestellt mit der Begründung, dass die Rechtsgrundlage fehlt. Es gibt tatsächlich zwischen der Gemeinde Hausen und der Tank & Rast keinen Vertrag. Das hat das Verwaltungsgericht Würzburg im Oktober 2014 zum Leidwesen der Gemeinde geurteilt. Der Konzern sei nicht der Rechtsnachfolger des Autobahnbauamtes und somit nicht der 1970 und 1973 geschlossenen Sondervereinbarungen der damals selbstständigen Gemeinde Rieden mit dem Autobahnbauamt.
Dass die Bundesrepublik bei der Privatisierung der Autobahnraststätten 1996 in den Konzessionsverträgen mit Tank & Rast die Abwasserfrage nicht geklärt hat, das müssen die Hausener nun schon seit Jahren ausbaden. Im August 2007 hat Tank & Rast einen jahrelang ausgehandelten und unterschriftsreifen Vertrag mit Blick auf den nötigen Neubau einer Kläranlage nicht unterschrieben. Seitdem wird vor Gericht geklagt.
In diesem Sommer sind die Hausener auf die Straße gegangen. Sie haben die Bürgerinitiative „Abwasserskandal Hausen“ gegründet und demonstriert gegen die Zahlungsmoral der Tank & Rast. Und ge-gen den Staat, von dem sie sich im Stich gelassen fühlen. Anlass war ein Beschluss des Gemeinderats im März gewesen, dass die Bürgerinnen und Bürger in den nächsten vier Jahren auch die angehäuften Schulden der Tank & Rast mitbezahlen müssen.
Bei ihrem ersten Beschluss zur Erhöhung der Abwassergebühren im März waren die Ratsmitglieder davon ausgegangen, dass sie die fehlenden Betriebskostenanteile der Tank & Rast mit einrechnen müssen. Zwischen 2013 und 2016 sind knapp 256 000 Euro aufgelaufen. Die lautstarken Proteste und der Schrei nach Gerechtigkeit im Dorf hat die Gemeinde bewogen, erneut Rechtssicherheit in ihrem speziellen Fall einzuholen.
Nun liegt ihr die Antwort von Juliane Thimet vom Bayerischen Gemeindetag vor. Die Vertreterin des Direktors des Bayerischen Gemeindetags ist der Auffassung, dass die offenen Forderungen noch nicht verloren sind. Sie seien noch „einbringlich“ und würden im Übrigen doch von der Gemeinde vor Gericht eingefordert. Entweder Tank & Rast oder die Bundesrepublik sollten die Rechnungen noch begleichen. Die nicht gezahlten Betriebskostenanteile sind quasi als vereinnahmt zugunsten der anderen Gebührenzahler anzusehen.
Gütliche Einigung nicht in Sicht
Am Verwaltungsgerichtshof in München läuft ein Mediationsverfahren mit dem Ziel einer gütlichen Einigung zwischen der Gemeinde Hausen und Tank & Rast. Offensichtlich liegen die Vorstellungen der beiden Kontrahenten noch meilenweit auseinander. Das ist jedenfalls den abwinkenden und verzweifelt wirkenden Reaktionen des Bürgermeisters oder der Gemeinderäte zu entnehmen, wenn sie nach dem Stand der Dinge gefragt werden.
Bisher haben sich die örtlichen Politiker trotz großen Interesses und verständnisvoller Anteilnahme auf die „schwebenden Rechtsverfahren“ zurückgezogen und darauf, dass der Staat keinen Einfluss habe auf Verträge zwischen der Gemeinde und einem privaten Konzern. Mittlerweile macht mehr und mehr die Runde, „dass der Bund irgendwie schuld am Schlamassel ist“. Politiker aller Parteien wollen den Hausenern helfen.
Die Bürgerinitiative „Abwasserskandal Hausen“ hofft auf Unterstützung durch die Bevölkerung. Eine Petition an den Bundestag ist quasi unterwegs. Sie wird gerade von Fachleuten auf ihre richtige Form geprüft. Die Petition betrifft ausschließlich die fehlenden 2,2 Millionen Euro am Bau der Kläranlage. „Wenn der Bund hier helfen würde, wäre eine Einigung über die laufenden Betriebskosten für uns leichter“, ist Bürgermeister Schraud überzeugt. Sein Ziel ist der Abschluss eines fairen Vertrags der Gemeinde mit Tank & Rast.

