Nein, ein Geheimtipp ist er nicht mehr, der „Blaue Adler“, draußen in der Mergentheimer Straße. Sehr zur Freude von Adler-Wirt Otto Keinert ist aus der Vereinsgaststätte des Eisenbahn-Turn-und-Sportvereins (ETSV) auch ein gutbesuchter Szene- und Musiktreff geworden – vornehmlich für nicht mehr ganz junge, aber jung gebliebene Menschen. Ende 2012 ist Keinerts Adler-Projekt gestartet, an diesem Samstag wird bei einem rockigen Abend mit drei Bands der dritte Geburtstag gefeiert.
„Eigentlich war's eine Notlösung“, erinnert sich Keinert an die Anfänge. Der 57-Jährige hat zwar Koch gelernt, wollte aber nie in die Gastronomie. „Ich wusste, wie hart die Arbeit ist.“ Keinert studiert Sozialpädagogik, richtet viele Jahre Großküchen ein – und wird arbeitslos. „Mit über 50 keine einfache Situation.“ Weshalb der gebürtige Lohrer doch noch die Gastronomie entdeckt.
Zwei Jahre sucht er nach einem passenden und finanzierbaren Lokal, bis er mit den ETSV-Leuten zusammenkommt. „Als ich die Gaststätte und vor allem den Saal gesehen habe, wusste ich, das ist mein Platz.“ Keinert erhebt den blauen Adler im ETSV-Vereinswappen zum Kneipen-Namen, krempelt die Ärmel hoch, renoviert mit Vereinsunterstützung ein halbes Jahr lang und startet seinen ersten Musikabend. Die „Monkeyman Band“ seines Lohrer Schulfreundes Peter Wirth sorgt gleich für ein „volles Haus“, das heißt für rund 200 Besucher im Saal.
Keinert ist von Anfang an klar, dass er in dem 1929 errichteten Bau an der Maria-Theresia-Promenade – zwischen Tanz-Club Rot-Gold und Zollhaus-Biergarten – etwas besonderes bieten muss. „Hier draußen brauchst Du nicht auf Laufkundschaft zu warten.“ Der Adler-Wirt setzt vor allem auf Live-Musik, vernehmlich Rock, Blues und Jazz. Und: „Ich mag vor allem Musiker, die ihre eigene Musik spielen“. Die Künstler und Bands sucht er selbst aus. „Da bin ich Bauchmensch, ich glaub, ich hab dafür ein Gespür.“ Häufig sind es heimische Bands und Musiker, Keinert leistet sich aber auch das Risiko, in der Region unbekanntere Interpreten auftreten zu lassen.
„Bis das aber läuft, braucht's Zeit“, ist seine Erfahrung. Am Anfang waren's ein, zwei Konzerte im Monat, mittlerweile sind es bis zu drei in der Woche. „Gottseidank auch bei vollem Haus.“ Auswahl hat der musikliebende Wirt genug: „Ich krieg gigantisch viele Anfragen.“ Keinert hat offenbar eine Nische bei den überschaubaren Auftrittsmöglichkeiten in der Stadt gefunden. Im Cairo, B-Hof und Immerhin spielen vornehmlich junge Bands. Dann gibt's noch den Omnibus, während die Posthalle schon wieder was für die größeren Gigs ist.
Der Adler-Saal ist nicht allein Schauplatz für Konzerte, sondern auch für Disco-Abende, Parties sowie für private oder Vereinsfeiern. Und „der Otto“, wie ihn die Stammgäste nennen, betont, dass sich im Adler nicht alles um Musik dreht. Schließlich lege er auch Wert aufs Lokal mit einer guten Küche.
„Mit dem Otto als Wirt sind wir total glücklich“, sagt Gisela Pfannes, Vereinschefin vom Verpächter ETSV. „Wir arbeiten gut zusammen und gehen gerne hin.“ Ob nach dem Training, zu Besprechungen oder zu Weihnachtsfeiern, alle Abteilungen schätzten den „lebendigen Treff“.
Lob gibt's von weiteren Stammgästen. „Der Blaue Adler ist das Beste, was der hiesigen Musikszene passieren konnte, für mich ganz klar die Nummer 1 in Würzburg“, sagt Manfred Gawlas, Gitarrist der Würzburger Rolling Stones Tribute Band „Die Steine“. Die gaben letztens ihr bereits achtes Gastspiel im Adler.
Jo Friedel, der im Adler öfters bei Discoabenden auflegt und als Drummer der Würzburger Bluesrock-Formation „Swamp“ dort spielt, ist ähnlich begeistert: „Erstaunlich, wie schnell sich der Blaue Adler als Veranstaltungsort etabliert hat. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie es ist, wenn jemand eine Sache mit Herzblut angeht. Mir machen die Gigs hier immer richtig Spaß.“
Adler-Gast ist auch der Midlife Club mit seinen Disco-Abenden für das etwas ältere Publikum und Musik aus den Siebzigern und Achtzigern. „Der Adler passt zu uns, unserem ,back to the roots‘-Publikum und ehemaligen AKW-Leuten“, sagt Club-Vorsitzender Werner Schmitt. Deshalb habe man das Projekt von Anfang an unterstützt.
Wie der Höhenflug des Blauen Adler weitergeht? Da hat Otto Keinert eine klare Vorstellung: „Der Adler ist eine ganz normale Location für aufgeschlossene Leute. Und so soll's bleiben.“
Geburtstagskonzert: Zum dreijährigen Bestehen des Blauen Adler spielen am Samstag, 19. Dezember, die Gruppen „Skipjack“, „it“ und „Great Lakes“ ab 21 Uhr in der Mergentheimer Straße 17.