Eine spektakuläre Unfallflucht am Würzburger Stadtrand lässt Experten für organisierte Kriminalität aufhorchen: Ein grauer BMW hatte es am Montag vor einer Woche wohl zu eilig, aus Würzburg weg zu kommen. An einer scharfen Rechtskurve in der Veitshöchheimer Straße hinauf zur Nordtangente landete der Wagen an einem Ampelmasten.
Zu Fuß auf der Flucht
Doch statt auf die Polizei zu warten, machten sich drei Insassen zu Fuß aus dem Staub, stiegen dann in ein zweites Auto zu. Pech für sie, dass zwei Polizisten richtig reagierten und den Männern hinterherjagten. Im Polizeibericht steht: "Mit hinzugerufenen Streifen stoppten sie das Fluchtfahrzeug und nahmen alle fünf Insassen im Alter von 18 bis 26 Jahren vorläufig fest."
Brisant wurde es, als Polizisten nach der Festnahme die Namen feststellten: Die fünf Männer werden dem Goman-Clan zugerechnet, wie Ermittler hinter vorgehaltener Hand bestätigen. Der Fahrer des einen Wagens soll sogar ein direktes Familienmitglied sein.
Jagdrevier auf Unterfranken ausgedehnt?
Die kriminelle Großfamilie – die mit vielen Nuancen von Betrug seit mehr als einem Jahrzehnt Kasse und Schlagzeilen macht – kennt in Essen, Köln oder Leverkusen jeder Ermittler, der mit mafiösen Strukturen zu tun hat. Nun stehen Polizisten vor der Frage: Hat der Clan sein Jagdrevier auf Unterfranken ausgedehnt?
Hier ist das Thema neu – anders als in Berlin, Hamburg oder im Ruhrgebiet. Nordrhein-Westfalen etwa hatte 2019 als erstes Bundesland ein umfassendes Lagebild zur Parallelwelt der Clans vorgelegt: Danach waren in den zwei Jahren zuvor 104 Großfamilien dort für 14 225 Straftaten verantwortlich. "Die ethnische Geschlossenheit spielt bei der Begehung von Straftaten eine herausragende Rolle", heißt es in dem Bericht.
Falschgeld und "den Frack voll" bekommen
In Würzburg soll der missglückten Flucht der fünf Männer ein Betrug voran gegangen sein: Ein vermögender Handwerker aus der Region soll wochenlang "angefüttert" worden sein und ein Geschäft gewittert haben: In einem Würzburger Hotel sei ein Treffen vereinbart worden, wie er später erzählte. 200 000 Euro in kleinen Scheinen habe er mitgebracht. Die wollten Geschäftspartner in 220 000 Euro tauschen – in schwer zu tauschenden 500-er Noten.
Ein Testgeschäft mit einer kleinen Summe habe geklappt. Als der große Tausch laufen sollte, habe der Handwerker zuerst Falschgeld und dann "den Frack voll" bekommen – schon sei er echte und falsche Scheine los gewesen, die Geschäftspartner hätten sich aus dem Staub gemacht, sagt er.
Doch dann landete der BMW beim Abbiegen am Ampelmast. Eine Pressemitteilung von Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft zeigt: Schnell wurde Ermittlern der Zusammenhang mit dem angeblichen Vorfall am nur einen Kilometer entfernten Hotel klar – und (dank der Namen und Strafregister) Rückschlüsse auf den Goman-Clan.
Nicht alle Angehörigen sind kriminell – aber doch so viele, dass die Großfamilie im Fokus der Ermittlungsgruppe "Cash Down" in Mannheim steht, einem Zentrum, das auf die Analyse krimineller Strukturen in Roma-Clans spezialisiert ist.
Alte Bekannter für die Polizei
Das in Würzburg festgenommene Familienmitglied ist kein unbeschriebenes Blatt: 2015 war es wegen Bandenbetrugs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Dies bestätigte auf Anfrage das Landgericht Köln.
Bundesweit bekannt wurde der Clan 2018 durch Fernsehbilder einer Razzia gegen 47 Beschuldigte. Die lebten offiziell von Hartz IV, bewohnten aber teure Häuser und fuhren Porsche, Ferrari und Benz – die auf andere Namen zugelassen waren.
Haft für Clanchef "Mikhel"
Das Landgericht Köln verurteilte im November 2019 den Clanchef zu acht Jahren Haft. Der hatte gestanden, sich das Vertrauen eines reichen Paares erschlichen und es um fast eine Million Euro betrogen zu haben.
Die fünf Festgenommenen in Würzburg bestreiten nach Angaben ihrer Anwälte zumindest den Raub vor dem Hotel. Polizei und Staatsanwaltschaft suchen laut Pressemitteilung Zeugen für "eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen oder sogar Hilferufe". Zur Identität der Festgenommenen wollen sie sich "mit Blick auf die laufenden Ermittlungen" nicht äußern.
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
Wer sich auf derartige Geschäfte einlässt, muss eigentlich damit rechnen, „abgezogen“ zu werden.