zurück
WÜRZBURG
Stürtz am Ende: 240 Jobs sind weg
Michael Czygan
 und  Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:21 Uhr

Bittere Nachrichten für die rund 240 Mitarbeiter der Stürtz GmbH in Würzburg: Die Traditionsdruckerei stellt zum Ende des Monats ihren Betrieb ein. Mehrere Rettungsversuche sind gescheitert. Damit sind die Jobs verloren.

Geschäftsführer Dirk Eichelbaum bestätigte das Aus für Stürtz auf Nachfrage dieser Redaktion.

Drei Insolvenzen in vier Jahren

Zuvor hatte die Münchner Solvesta AG, der das Würzburger Unternehmen seit März gehört, pflichtgemäß der Börse mitgeteilt, „das operative Geschäft der Stürtz GmbH nicht fortzuführen“. Zuletzt durchlief die Druckerei ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Es war bereits die dritte Insolvenz innerhalb von vier Jahren.

Die Solvesta AG begründet ihren Rückzug unter anderem damit, dass man sich mit der Gewerkschaft ver.di nicht über die Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden einigen konnte. Auch habe man die millionenschwere Neuinvestition in eine Druckmaschine „mangels Verfügbarkeit“ und „mangels adäquater Finanzierungsangebote“ nicht realisieren können.

Schwere Vorwürfe richtet Solvesta-Vorstandsvorsitzender Patrik Fahlenbach an eine frühere Stürtz-Geschäftsführerin. Diese habe bei der Übernahme mit falschen Zahlen operiert. Man werde nun gegen die Frau juristisch vorgehen. Aus gut unterrichteten Kreisen war zu hören, dass diese Geschäftsführerin im Zuge der Übernahmeverhandlungen mit Solvesta geschönte Umsatzzahlen vorgelegt haben soll.

Schwierige Rahmenbedingungen

Eichelbaum, der im Zuge des Insolvenzverfahrens zu Stürtz kam, bedauert den Solvesta-Rückzug, vermeidet aber Schulzuweisungen. Alle Beteiligten – „gerade auch die Mitarbeiter“ – hätten großes Engagement gezeigt, um das Unternehmen fortzuführen. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sei es gelungen, den von 70 Millionen (2012) auf 20 Millionen Euro geschrumpften Umsatz zuletzt wieder zu steigern.

Angesichts der vielen Krisen sei die Skepsis bei Kunden, Lieferanten und Beschäftigten letztlich aber zu groß gewesen. Das sei „jammerschade“, an der Qualität der gedruckten Bücher, Magazine und Kataloge habe es jedenfalls nicht gelegen.

Ein Vertreter des Betriebsrats war am Mittwochabend nicht zu erreichen.

In der Belegschaft herrschte Unruhe

Wie aus dem Unternehmen zu erfahren war, wurde die Belegschaft am frühen Dienstagnachmittag über das Aus zum 1. Oktober informiert. Überraschend kam die Info offenbar nicht: Viele Kollegen hätten zuletzt "keine Motivation" mehr gehabt, andere seien seit längerem krankgeschrieben, wie ein Insider sagte. Dennoch habe es unterm Strich immer noch einen Funken Hoffnung gegeben, dass das sinkende Schiff noch zu retten ist.

Dem Vernehmen nach haben die meisten Mitarbeiter bei der Betriebsversammlung am Dienstag die Nachricht vom Aus gefasst aufgenommen. Die Krise des Betriebs sei zuletzt durch die Tatsache verschärft worden, dass viele Leistungsträger in der Belegschaft nach und nach gegangen seien.

Aus Unterlagen, die dieser Redaktion vorliegen, hatten die Mitarbeiter schon seit Monaten Einschnitte akzeptiert, um Stürtz bei der Rettung zu helfen. So galt seit März 2015 eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40-Stunden ohne Lohnausgleich - plus Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Aus sicherer Quelle wurde auch bekannt, dass Stürtz kürzlich einer von drei Großkunden wegbrach. Es habe auch deswegen viel zu wenig Arbeit für die Belegschaft gegeben. Es herrschte seit geraumer Zeit "Unruhe bis zum Geht-nicht-mehr", wie es der Informant ausdrückte.

Stürtz hat seinen Sitz im Gewerbegebiet zwischen Würzburg und Veitshöchheim. Die Firma wurde 1830 als Universitätsdruckerei gegründet, in den 1970er Jahren zählte sie bis zu 600 Mitarbeiter. Nach der Fusion im April 2015 mit der Augsburger Druckerei Himmer nannte sich der Betrieb Phoenix Print, seit der schlagzeilenträchtigen Trennung ein Jahr später firmierte er wieder unter Stürtz.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Michael Czygan
Jürgen Haug-Peichl
Arbeitsstellen
Stürtz GmbH
Ver.di
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • mirkobubi
    Ich habe 32 Jahre in diesem Traditionsunternehmen unter einer seriösen Geschäftsführung (Joos, Rottland) gearbeitet.
    Nach deren Weggang ging es den Bach hinunter, aber die Taschen der nachfolgenden Herren waren voll und garantieren einen sorgenfreien Ruhestand an frischer Seeluft.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • heiko.mehling@gmail.com
    Aber wer weiß. Vielleicht taucht in wenigen Wochen die Universitätsdruckerei Stürtz GmbH wieder auf. Diesen Traditionsnamen hat sich Solvesta vor Wochen bereits gesichert. Man geht vermutlich davon aus, dass die vielen gekündigten Mitarbeiter dann noch verfügbar und aus Mangel an Alternativen gezwungen sind, auch die schlechtesten Konditionen zu akzeptieren.

    Dreckiges Spiel.

    Kommerzienrat Heinrich Stürtz würde sich im Grabe umdrehen wenn er wüsste, zu was der Name "Universitätsdruckerei Stürtz" missbraucht werden könnte.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • heiko.mehling@gmail.com
    Was hat Solvesta eigentlich im Sinn gehabt? Dass ohne großes Zutun alleine durch die Übernahme durch den "namhaften" Investor die Umsätze durch die Decke gehen? Nein! Das konnte kein vernünftiger Mensch erwarten. Das Chaos in der verbliebenen Geschäftsführung, die wochenlange Hängepartie bis es Solvesta endlich geschafft hat, die UG in eine GmbH zu wandeln (kein Großkunde vergibt einen wichtigen Auftrag an eine UG!), das planlose agieren des selbsternannten Vertriebsleiters, das Ausbleiben von dringend benötigten Investitionen. All das führte zu dem jetzigen Ergebnis.

    Herr Dr. Fahlenbach braucht nun den eigenen Aktionären gegenüber ein Bauernopfer. Das ist billig und stillos.
    Zugeben, dass man sich mit Stürtz völlig verhoben, das eigene Können überschätzt hat, steht nicht auf der Agenda.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Laeufer61
    ... traurig Zitatauszug: "Zugeben, dass man sich ... völlig verhoben, das eigene Können überschätzt hat, steht nicht auf der Agenda."

    Habe vor Jahren ähnliche Erfahrungen in einem anderen Betrieb gemacht.
    Der "kleine Arbeiter" wird immer zu den "Kollateralschäden" gehören während sich die eigentlichen Verursacher ein gutes Leben gönnen können.

    Den gekündigten Stürtz-Mitarbeitern wünsche ich jedenfalls viel Glück auf der Suche einer neuen Arbeitsstelle!

    MfG
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • heiko.mehling@gmail.com
    Die an den Pranger gestellte ehemalige Geschäftsführerin hat unter großem Einsatz das Unternehmen durch die zweite Insolvenz begleitet. Sie genoss das Vertrauen sowohl der Belegschaft als auch auf Kundenseite war sie höchst angesehen. Sie gestaltete den Neustart mit Herzblut und frischen, innovativen Ideen. "Stürtz is back" hieß es damals. Von ihr ausgegeben und in den Markt transportiert.

    Es herrschte Aufbruchstimmung.

    Als ihr dann jedoch zwei Personen aus dem Solvesta-Netzwerk zur Seite gestellt wurden, die im Markt einen eher zweifelhaften Ruf besitzen, war es schnell dahin mit der Stürtz-Dynamik. Man drängte sie mit Macht aus dem Unternehmen und installierte für viel Geld einen ebenso fragwürdigen Vertriebsberater, der mithilfe seiner dilettantischen Methoden auch dem letzten Kunden bewies, dass Stürtz nun endgültig zur Lachnummer verkommt.

    Logische Folge: die Umsätze blieben am Boden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • heiko.mehling@gmail.com
    Als ehemaliger Mitarbeiter dieser einstmals so stolzen und innovativen Firma Stürtz bin ich entsetzt, dass meine damaligen Kollegen nun ihre Arbeitsplätze verlieren.

    Stürtz wurde über Jahre hinweg von seinem ehemaligen Gesellschafter als cash cow betrachtet. Stürtz, das Zugpferd der holländischen Euradius-Gruppe. Diese entzog der Firma nach und nach das Eigenkapital. Investiert wurde wenig bis nichts.

    Soweit, so bekannt.

    Dann, nach der zweiten Insolvenz kam der Retter in der Not. Die Solvesta. Nach eigener Beschreibung Sanierungsexperten, die insolvente Unternehmen mit Perspektive aufkaufen und wieder auf die Beine bringen.

    Mit der Behauptung von Herrn Dr. Fahlenbach, Solvesta wurde bei dem Übernahmeprozess getäutscht, disqualifiziert er sich selbst. In einem langwierigen Due-Diligence-Prozess wurde das Unternehmen durchleuchtet und am Ende für sanierungsfähig betrachtet. Man feierte sich selbst.

    Dies geschah im März. Doch was kam danach?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Ludwig.Schrapp@gmx.de
    leider liebe Kollegen aus der Setzer und Druckerzunft gibt das immer wieder. Aus enem Filet-Streak macht man halt mal Gulasch, wenns nichts wird, dann Haschee. Den Rest wirft man in den Müll. Ich habe in einem anderen Würzburger Betrieb gelernt. Da gab es noch Kämpfe, wer wohl die in der besseren Firma gelenrt hat. Die Zeit geht ja weiter, aber für mich blutet das Herz für einen Konkurenzbetrieb. Wäre ich heute bei Stürtz, würde mir das Herz bluten. Na ja - gehet hin ihr Vorstände und kassiert euere Tantiemen. Noch besser - iher Eigentümer - ihr könnt es ja von der Steuer absetzen. Jetzt ist wieder alles im Lot - Nur an die kleinen Leute - wer denkt morgem noch noch an sie???
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten