Wer sich an einer bayerischen Hochschule für Kommilitonen und studentische Belange engagiert, braucht viel Idealismus und ein dickes Fell. Als mittlerweile einziges Bundesland hat der Freistaat keine verfasste Studierendenschaft. Heißt: Die gewählte Studierendenvertretung ist in Bayern finanziell und rechtlich komplett abhängig von der Hochschulverwaltung.
Immer mehr Studierende, aber nicht mehr Geld für ihre Vertretung
Man fühlt sich als Bittsteller. Das ist auch an der Uni Würzburg immer wieder zu hören. Und wenn dann noch die Gelder gekürzt werden, stellt sich die Frage: Wieviel studentische Mitwirkung will der Freistaat wirklich?
Auf Nachfrage der Grünen im Landtag kam zuletzt heraus: Zieht man kleinere Sockelbeträge ab, ist der Zuschuss für die Studierendenvertretungen in diesem Wintersemester auf 99 Cent pro Student und damit erstmals unter einen Euro gesunken. In der Summe hat der Freistaat den Betrag zwar seit Jahren auf rund 450 000 Euro gehalten. Nur: Er verteilt sich inzwischen auf deutlich mehr Köpfe.
Kritik von den Grünen
Die Zahl der Studierenden in Bayern ist von 330 000 im Wintersemester 2013/14 auf aktuell fast 400 000 gestiegen. Die Würzburger Julius-Maximilians-Universität (JMU) verzeichnete seit 2013 in vier Jahren einen Zuwachs um 1400 Studierende auf rund 28 000. Dagegen sank der staatliche Zuschuss für die Studierendenvertretung mit 33 310 Euro (Wintersemester 2017/18) sogar leicht um 50 Euro. Ähnliches Bild bei der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS): Obwohl 110 Studierende mehr (rund 9000), gab es nur noch 12 400 Euro (minus 400).
"Bayernweit nicht mal ein Euro pro Studierenden – das ist zu wenig Geld für handlungsfähige Studierendenvertretungen", kritisiert der Würzburger Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl. Er macht sich wie seine Partei für eine Änderung des Hochschulgesetzes stark: Studierendenvertretungen sollen mehr Autonomie bekommen.
Bis dato, so bemängelt der Abgeordnete, könnten sie viele Angebote nicht eigenständig etablieren und auch die Öffentlichkeitsarbeit sei erschwert. Friedl: "Eine verfasste Studierendenschaft würde den gezielten Einsatz der Mittel und damit den Studierendenvertretungen die Arbeit erheblich erleichtern."
Dass sie das Wissenschaftsministerium trotz gesunkener Kopfbeträge für "auskömmlich finanziert" hält und dabei auf Einnahmen der jeweiligen Studierendenvertretungen verweist, können Aktive wie Lucie Knorr und Chris Rettner nur als Hohn empfinden. Beide gehören dem neunköpfigen Sprecher- und Sprecherinnenrat (SSR) der Uni Würzburg an. Er ist sozusagen die "Regierung" der Studierenden, und in Bayern eben ohne rechtliche Befugnisse. Symbolische 60 Euro Aufwandsentschädigung bekommen die Gewählten monatlich für ihren Einsatz, der aber wöchentlich regelmäßig die 20-Stunden-Marke übersteigt.
Täglich sind jede Menge Mails zu beantworten, dazu Meetings, Sitzungen, Ticketverkauf. "Das muss man sich als Studierender erst mal leisten können", sagt Knorr. Nichts für jemanden, der möglichst schnell studieren will oder nebenher jobben muss. Nur 13 500 Euro im Jahr bleiben der allgemeinen Studierendenvertretung vom staatlichen Zuschuss, der größere Rest geht an die einzelnen Fachschaften der Uni. "Mit dem Geld kommen wir nicht weit", sagen Knorr und Rettner unisono. Der SSR ist auf eigene Einnahmen etwa aus Partys oder der Studiobühne als Studententheater angewiesen. Mit dem Geld werden zum Beispiel die Studierendenzeitung ("Sprachrohr"), Kalender, Aktionen und Vorträge oder die studentischen Arbeitskreise und Initiativen finanziert.
"Wir machen die Uni attraktiver", ist Politik- und Ethnologiestudentin Knorr überzeugt. Man vertritt, wie es das Hochschulgesetz vorsieht, die Studierenden und fördert deren Interessen. Aber ständig um Geld betteln zu müssen, das sei demotivierend.
Wissenschaftsminister Sibler für mehr finanzielle Eigenständigkeit
Immerhin unterstützt die Universität selbst mit zwei Sekretärinnen und Büromaterial. Viel Aufwand entsteht allerdings erst durch die fehlende Unabhängigkeit. Für Ausgaben müssen mehrseitige Begründungen geschrieben werden, jede Rechnung sei mit einem Riesenaufwand verbunden. "Gäbe es eine verfasste Studierendenschaft, könnten wir frei entscheiden, Verträge abschließen, Rechnungen bezahlen", bedauert Mathe-Student Rettner.
Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) lehnt aus "ordnungspolitischen" Gründen eine verfasste Studierendenschaft ab. Er sei aber offen für eine bessere Ausstattung der Studierendenvertretungen und eine "gewisse finanzielle Eigenständigkeit", sagte er kurz nach Amtsantritt im Interview mit dieser Redaktion. Sibler: "Studentinnen und Studenten, die sich engagieren, sollen für die Finanzierung ihrer Arbeit nicht auf Knien zum Kanzler robben müssen." Schöne Worte. In Würzburg hoffen die Engagierten nun auf Taten.