Das Wintersemester hat begonnen. Doch statt Freude auf das Studentenleben ereilt viele Neu-Würzburger direkt die Ernüchterung. Sie haben ihr Abitur frisch in der Tasche, wollen daheim ausziehen und endlich, weit weg von den Eltern, in der eigenen Wohnung leben. Aber der Weg dorthin ist oft steinig und schwer.
Die Studenten berichten von Dutzenden Wohnungsbesichtigungen. Im Bewerberoutfit stehen teilweise über 50 Interessenten vor einem Miethaus Schlange, als ginge es um einen angesehenen Arbeitsplatz. Sie warten, um einen bestmöglichen Eindruck beim Vermieter oder WG-Mitbewohner-Suchenden zu hinterlassen. Und sie hören immer wieder die gleichen Sätze: „Hey, du kamst zwar sympathisch rüber, aber wir haben uns für jemand anderen entschieden.“
Annika van Teßel ist 20 Jahre, Lehramtsstudentin im ersten Semester. Sie hat die Zusage für das Studium in Würzburg kurzfristig bekommen und „wohnt“ seit drei Wochen auf der Couch eines Bekannten. „Bis zum 29. Oktober muss ich raus sein“, sagt sie und klingt verzweifelt. „Jede Absage tut weh. Ich hab auch schon drüber nachgedacht, wieder nach Hause zu gehen und alles abzubrechen. Aber es ist eben mein Traum.“ Der Traum von der eigenen Wohnung. Der Traum von vielen.
Auch Timo Schliebe studiert im ersten Semester. Der angehende Wirtschaftswissenschaftler hat die Suche nach einem eigenen Dach über dem Kopf vorübergehend aufgegeben. Sein Vater hat ihn auf die Idee gebracht, den familieneigenen Wohnwagen zu nutzen und zunächst auf dem Campingplatz „Kalte Quelle“ zu ziehen. „Eigentlich wollte ich nur zwei Wochen bleiben, aber die Wohnungen sind rar, die Ansprüche der Vermieter hoch.“ Größter Vorteil auf dem Platz: nur Mietkosten von 60 Euro pro Monat, zuzüglich Heizung und Strom.
Timo schätzt die Zwischenunterkunft inzwischen: „Bis jetzt finde ich es hier richtig geil.“ Klar, die Lage direkt am Mainufer im sonnigen Oktober macht die Situation erträglich. Bei Minustemperaturen im Winter könne man dann den „Kuschelfaktor“ des Zimmers auf Rädern schätzen lernen. Doch Campen auf Dauer? Spätestens Mitte November will Timo Schliebe doch in eine eigene Wohnung ziehen.
Campingplatzbetreiber Stefan Schmitt beobachtet das Geschehen seit Jahren. „Es werden immer mehr Studenten und weniger Wohnungen.“ Seit sieben Jahren mehren sich die Anfragen nach einem Stellplatz bei der „Kalten Quelle“.
Bis zu 20 Studenten kann der Betreiber einen Wohnwagenstellplatz vermitteln. „Manche leben ihre komplette Studienzeit hier.“ Stefan Schmitt berichtet, dass mal ein ehemaliger Jurastudent neun Jahre lang auf dem Platz eingemietet war. Inzwischen besitze er eine eigene Kanzlei in Würzburg. „Die meisten bleiben allerdings nicht länger als sechs Monate.“ Auf knapp 15 Quadratmetern leben und lernen die angehenden Informatiker, Mediziner, Lehrer. Gemeinschaftsdusche inklusive.
Fast Wohnheimatmosphäre also. Schlechte Erfahrungen hat Stefan Schmitt bisher noch keine gemacht. „Die Studenten sind mir nie negativ aufgefallen.“ Und obwohl die Wohnungsnot für sein Geschäft günstig ist, bedauert er, dass es überhaupt so weit kommen muss. Die Nachfrage ist groß, täglich erkundigen sich neue Interessenten.
Wie Vanessa Jahrand, 19 Jahre alt und seit September auszubildende Hotelfachfrau. „Theoretisch gesehen bin ich seither obdachlos“, sagt Vanesso Jahrand. Auf der Straße schlafen musste sie bisher nicht. Sie teilt das Leid von Annika und schläft auf einer Couch bei Freunden. „Es gibt einfach zu wenig Wohnraum, der zudem noch viel zu teuer ist.“ Die Vermieter seien oft skeptisch, weil die Interessenten jung sind, nicht immer ein festes Einkommen haben. Für Vanessa ist der Campingplatz der letzte Ausweg. „Es ist besser als nichts. Außerdem hat man hier seine Ruhe.“ Nur der Weg zu Arbeit und Uni ist nicht optimal. Knapp eineinhalb Kilometer Fußweg sind es bis zur nächsten Bushaltestelle. Vanessa möchte trotzdem für sechs Monate hier bleiben.
Annika surft weiterhin jeden Tag stundenlang im Internet, auf der Suche nach neuen Wohnungsannoncen. Studentenwohnheim und Jugendherbergen sind seit langem besetzt. In der größten Not würde sie wohl auf ein weiteres Couch-Angebot von Freunden eingehen müssen, „So etwas nehme ich nur ungerne an. Aber natürlich werde ich das tun, bevor ich wirklich auf der Straße schlafen müsste.“ Ein weiteres Problem sei, dass nach wie vor neue Studenten an der Uni zugelassen werden, obwohl die Kurse nahezu vollständig belegt sind. Die Wohnungsnot werde so nur noch bedrückender. „Ich habe auch ehrlich von Leuten gehört die auf der Straße schlafen, Zelten und in Turnhallen unterkommen. Ich denke mir, dass das so absolut nicht sein darf.“
Ohne den Rückhalt von Freunden und Familie hätte Annika van Teßel längst aufgegeben. Kopfschmerzen, Tränen, Verzweiflung – als wäre der Studienstart nicht hart genug, treibt die Wohnungsnot viele nahezu in Depressionen. Annika sagt, sie habe bald keine Kraft mehr. „Ich hoffe aus vollstem Herzen, in der nächsten Zeit etwas Passendes zu finden und habe auch vor, anderen Leuten in irgendeiner Weise auch noch bei der Wohnungssuche zu helfen, da ich jetzt einfach weiß, wie unglaublich schwierig es ist.“
Abgesehen davon haben die US-Familien da gar nicht schlecht gewohnt (war öfter mal Gast) und Parkplatzprobleme gab's auch nie.
Und deutschem Ingenieursgeist würde es doch wohl gelingen, ohne Luxussanierung eine kostenseitig erträgliche Übergangslösung für das 110er-Netz zu finden.
Aber da sind wahrscheinlich wieder ganz andere Interessen im €piel. Und vermutlich auch noch persönliche Verewigungsansprüche. ... Vom Bürokratenkleingeist ganz abgesehen.