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Würzburg
Als auch in Würzburg das Ende der Monarchie gefordert wird
Anfang November 1918 wird der Huttensche Garten Schauplatz einer revolutionären Rede. Die Wirkung verpufft allerdings - zunächst.
Bearbeitet von Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 02.11.2018 02:14 Uhr

2. November 1918. Noch immer tobt der Weltkrieg, obwohl seit der gescheiterten Frühjahrsoffensive doch eigentlich klar ist, dass das Deutsche Reich keine Chance mehr hat zu gewinnen. In Bayern findet, ähnlich wie wenige Tage zuvor am 26. Oktober im Kaiserreich insgesamt, eine Verfassungsreform statt: Die Verfassung des Königreichs Bayern, die 100 Jahre zuvor in Kraft getreten war, wird im Hinblick auf die Einführung einer parlamentarischen Monarchie geändert.

SPD-Politiker fordert Abschaffung der Monarchie

Die bisherigen Führungseliten des Reiches haben bei diesen Reformen allerdings einen Hintergedanken: „Die Oberste Heeresleitung hat die Parlamentarisierung vorangetrieben, um gewissermaßen die Verantwortung für den verlorenen Krieg auf die demokratischen Parteien abzuwälzen“, sagt der Würzburger Historiker Prof. Dr. Matthias Stickler. Am gleichen Tag, als Bayern eine parlamentarische Monarchie wird, fordert bei einer Volksversammlung im Huttenschen Garten in Würzburg der SPD-Landtagsabgeordnete Fritz Endres die Abschaffung der Monarchie.

„Damit stellte er sich faktisch gegen die bis dahin gültige Beschlusslage der bayerischen SPD“, sagt Stickler. „Diese wünschte zwar eine Parlamentarisierung, aber ein revolutionärer Bruch mit dem bestehenden monarchischen System war nicht beabsichtigt.“ Dennoch sind überall, auch bei den liberalen Kräften und in der Öffentlichkeit, wachsende Zweifel an der Monarchie zu spüren. „Die Erkenntnis, dass der Krieg endgültig verloren war, führte zu einem ganz massiven Vertrauensverlust“, erklärt Matthias Stickler.

Der spätere Würzburger Oberbürgermeister Hans Löffler, ein Liberaler, notiert dazu in seinem Tagebuch: „Warum kam dieser tiefe Fall, so schnell und überraschend, wir müssen von den obersten Stellen des Reichs durch die völlig wehrlose Presse schamlos angelogen und über die wahre Lage in Unkenntnis gehalten worden sein. Es ist eine große Verbitterung im Volk. Ein Glück, dass die Sozialdemokraten in der Regierung sind, sonst bekommen wir ein zweites Russland in Deutschland.“

"Der Schock darüber, dass der Krieg verloren war, wurde zum Sargnagel der Monarchie."
Prof. Dr. Matthias Stickler, Historiker

In Russland hatte im Frühjahr 1917 eine bürgerliche Revolution stattgefunden, die noch im gleichen Jahr in die bolschewistische Oktoberrevolution mündete. „Die bürgerlichen Kräfte fürchteten, dass im Falle einer weitergehenden Radikalisierung in Deutschland eine sozialistische Diktatur wie in Russland entstehen könne. Die Enttäuschung über das offensichtliche Versagen der bisherigen Führung erklärt, warum die Monarchie auch in bürgerlichen Kreisen immer mehr an Rückhalt verlor“, ordnet der Historiker die Ereignisse ein. „Der Schock darüber, dass der Krieg verloren war, wurde zum Sargnagel der Monarchie. Im Ersten Weltkrieg war die deutsche Presse einer Zensur unterworfen, das heißt, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf die Katastrophe einer Niederlage überhaupt nicht vorbereitet war.“

Revolution oder nur lokaler Aufstand?

Doch zurück nach Würzburg und zu Fritz Endres, der übrigens wenig später Karriere machen und Justiz- und Innenminister in der ersten parlamentarischen Regierung des Freistaates Bayern werden sollte: Seine Rede läuft im Grunde ins Leere. Vielleicht, weil die SPD in Würzburg keine wirklich bedeutende Kraft war. Vielleicht auch, weil die Zeiten so unruhig sind, dass man kaum zum Atmen kommt und die bisherige Welt ins Wanken gerät: Am 7. November 1918 bricht in München die Revolution aus, wobei, wie Stickler sagt, man in Würzburg die Tragweite dieses Ereignisses zunächst nicht erkennt. „Man hielt das für einen lokalen Münchner Aufstand.“

Historiker Matthias Stickler: In Würzburg hielt man die Revolution zunächst für einen lokalen Münchner Aufstand.
Foto: Eva-Maria Bast | Historiker Matthias Stickler: In Würzburg hielt man die Revolution zunächst für einen lokalen Münchner Aufstand.

Doch zwei Tage später bildet sich – wie überall – auch in Würzburg ein sogenannter Arbeiter- und Soldatenrat. „Der allerdings, und das ist jetzt wieder bezeichnend, wurde von der gemäßigten Mehrheitssozialdemokratie getragen“, konkretisiert Matthias Stickler. „Die radikale Linke, deren Modell von Staat und Gesellschaft sich am Vorbild Sowjetrusslands orientierte, war in der Minderheit.“ Der Arbeiter- und Soldatenrat habe deshalb mit den ja nach wie vor präsenten bürgerlichen Kräften und mit der existierenden Verwaltung recht gut zusammengearbeitet.

Die gemäßigte Sozialdemokratie setzt sich durch

„Das weist schon auf eine Entwicklung hin, die sich im gesamten Reich vollzog“, sagt der Historiker. „Nämlich, dass diese Arbeiter- und Soldatenräte mehrheitlich eben nicht wirklich radikal waren, sondern sich letztendlich die gemäßigte Sozialdemokratie durchsetzte, die die Errichtung einer parlamentarisch-demokratischen Republik anstrebte.“ Will heißen: Weimarer Verfassung im Deutschen Reich (11. August 1919), Bamberger Verfassung im Freistaat Bayern (14. August 1919). Nach Bamberg war die bayerische Regierung geflohen, als die radikale kommunistische Linke im April 1919 versuchte, ausgehend von München eine bayerische Räterepublik herbeizuputschen.

Dies misslang genauso wie im Januar 1919 der Versuch der Berliner Linksradikalen um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gescheitert war, durch den Spartakus-Aufstand die Wahl einer deutschen Nationalversammlung zu verhindern. „Insofern ist der 2. November 1918 ein zwiespältiges Datum“, fasst Prof. Dr. Stickler zusammen. „Er markiert zum einen den Beginn eines echten parlamentarischen Systems in Bayern, zum andern, als Folge des verlorenen Krieges, den Beginn des Untergangs der jahrhundertealten Wittelsbacher Monarchie und damit den Anfang der Geschichte des Freistaats Bayern, wie wir ihn heute kennen.“

Eine abgebrochene Revolution

Die Novemberrevolution sei letztlich eine abgebrochene Revolution gewesen, weil es für ein Gesellschaftsmodell nach sowjetrussischem Vorbild, wie die Ergebnisse der Wahlen in Bayern wie im Deutschen Reich Anfang 1919 zeigten, keine Mehrheit gab. „In dieser Grundsatzentscheidung für ein westlich-liberales demokratisches System auf der Basis eines historischen Kompromisses zwischen den demokratischen bürgerlichen Parteien und der gemäßigten Mehrheitssozialdemokratie wurzelt letztlich auch die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland.“

Text: Eva-Maria Bast

Was Würzburg prägte
Das Buch „Was Würzburg prägte“ enthält 52 Texte über Jahrestage aus der Würzburger Geschichte, also für jede Woche des Jahres einen Text. Präsentiert werden die historischen Geschehnisse jeweils von Würzburger Bürgern. Das Buch der beiden Autorinnen Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter entstand in Zusammenarbeit mit der Main-Post. 
Erschienen ist das Buch im Verlag Bast Medien GmbH, in dem auch die erfolgreichen „Würzburger Geheimnisse“ veröffentlicht wurden, die ebenfalls in Kooperation mit der Main-Post entstanden sind.
Erhältlich ist „Was Würzburg prägte – große und kleine Begegnungen mit der Stadtgeschichte“ von Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter Überlingen 2017, ISBN: 978-3-946581-24-6 in den Main-Post-Geschäftsstellen (14,90 Euro).
 
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