Ein Schnitzel oder ein Schweinekotelett mit dem Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ könnte bald eine Rarität werden. Durften die Landwirte ihre Ferkel bislang selbst, ohne Betäubung kastrieren, ist damit ab nächstem Jahr Schluss. Dann ist die Ferkelkastration nur noch mit Betäubung erlaubt. Dagegen laufen die Bauern Sturm. Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) befürchtet gar, „dass zum 1. Januar 2019 praktisch über Nacht 1000 Schweinezuchtbetriebe in Bayern dicht machen“, weil sie die Kastration nicht in der geforderten Weise durchführen können – oder nur wenn sie zusätzlichen Material- und Tierarztkosten in Kauf nehmen würden.
Angst vor hohen zusätzlichen Kosten
Bislang werden männliche Ferkel ohne Betäubung kastriert. Tierschützer prangern seit Langem an, dass die Tiere, die bei der blutigen Prozedur höchstens sieben Tage alt sein dürfen, dabei große Schmerzen erleiden. „Die Kastration ist ein extrem schmerzhafter Eingriff – eine Amputation - bei der den Ferkeln ohne jegliche Betäubung die Hoden mit einem Skalpell entfernt werden“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Mit dieser umstrittenen Praxis soll ab 1. Januar 2019 Schluss sein. Das Verbot wurde bereits Ende 2012 beschlossen und 2013 ins Tierschutzgesetz aufgenommen.
Trotzdem fehlten auch sechs Jahre später aus Sicht der Landwirte praxisreife Methoden zur Umsetzung. Vollnarkose und Lokalanästhesie müssen in Deutschland grundsätzlich von einem Tierarzt durchgeführt werden. Dadurch entstünden den Landwirten Kosten von etwa fünf Euro pro männliches Ferkel. Das wollen die Bauern nicht, sie wollen selbst örtlich betäuben und kastrieren.
Neue Methoden der Kastration erprobt
Am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für Schweinehaltung in Schwarzenau (Lkr. Kitzingen) wurden neue Methoden der Kastration erprobt, es wurden Inhalations- und Injektionsvollnarkosen getestet, allerdings immer mit Vor- und Nachteilen. So seien während oder nach der Vollnarkose auch immer wieder Ferkel gestorben. „Es bleibt gar keine andere Wahl, als die Frist zu verlängern“, sagt Peter Lindner, Leiter des Fachzentrums.
Eine Alternative könnte die Jungebermast sein. Dabei wird, so Lindner, auf eine Kastration ganz verzichtet. Allerdings gilt das Halten von nicht kastrierten männlichen Masttieren als nicht ganz einfach, weil sie aggressiver sind als kastrierte Tiere. Außerdem muss das Fleisch dann in den Schlachthöfen gezielt auf den möglicherweise auftretenden Ebergeruch untersucht werden. „Der Markt für Eberfleisch ist jedoch begrenzt“, sagt Lindner.
Ferkelkastration unter Vollnarkose
Denkbar wäre auch eine Impfung gegen Ebergeruch oder die Ferkelkastration unter Vollnarkose. Kastrationsverfahren unter Vollnarkose sind oft aufwendig und noch nicht ausgereift. „Die Branche hatte lange genug Zeit, sich darauf einzustellen. Aber statt die bestehenden Alternativen umzusetzen, fahren die Tierhalter nun ihre alte Taktik. Sie reizen festgelegte Fristen bis zum letzten Tag aus und vertrauen darauf, dass der devote Gesetzgeber ihnen schon eine Fristverlängerung gönnen wird“, sagt Tierschutzbund-Präsident Schröder.
Am 21. September 2018 entscheidet der Bundesrat über eine Verlängerung der Frist für eine betäubungslose chirurgische Kastration männlicher Ferkel. Der Bauernverband und der Tiergesundheitsdienst Bayern setzen sich für die Kastration unter lokaler Betäubung ein. Die örtliche Betäubung bietet eine Reihe von Vorteilen. Ähnlich wie mit der Spritze beim Zahnarzt wird gezielt nur der Bereich betäubt, in dem auch der Eingriff erfolgt“, sagt Andreas Randt, Leiter des Tiergesundheitsdienst Bayern.
Ferkel aus dem Ausland
Schon jetzt kommen 20 Prozent der Ferkel, die in Bayern gemästet werden, aus dem Ausland. Die Tiere haben lange Transporte aus Holland oder Dänemark hinter sich. „Es kann deshalb nicht im Sinn der Tierschützer sein, dass noch mehr Ferkel aus dem Ausland zu uns kommen“, sagt Peter Lindner vom Fachzentrum für Schweinehaltung. „Wenn der Bauer die Kastration nicht selbst vornehmen darf, ist das der Tod der Betriebe“, sagt Oliver Jörg, CSU-Landtagsabgeordneter.
Für Helmut Schmidt, Schweinemäster aus Gnötzheim (Lkr. Kitzingen) steht viel auf dem Spiel. Er vermarktet seine Schweine regional als „Steigerwälder Bauernschwein“ und will dies auch weiter tun. Dazu braucht er Ferkel aus der Region. „Eine Verlängerung der Frist ist zwingend notwendig“, sagt er.
Allein wirtschaftliche Interessen sollten doch nicht eine seit 5 Jahren !! bekannte Änderung im Tierschutzgesetz verhindern.